Fuck Back Harder by Misty Memoir - HTML preview

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Die Natur des Menschen wird häufig auf das Böse reduziert. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Das Böse ist einfach geschehen.

Ein Virus bedroht die Menschheit. Wer weiß, was danach kommt?

Wer weiß, was zuvor gewesen ist?

Die Erinnerung war ausgelöscht worden. Sie war gespeichert in einer Wolke namens Cloud, die sich aus kristallinen Bits und Bytes zusammensetzte.  Und aus diesen setzten sich wiederum Daten, Taten und ganze Geschichten zusammen. Die Erinnerun- gen der Menschen steckten darin. Man hatte sich von allem losgelöst und es der Wolke übergeben, aus der Informationen bezogen werden konnten zu allem, was gestern war, vorgestern oder vor vierzig Jahren.

Nur hatte man mit der Zeit vergessen, was wichtig war. Prioritäten wurden ersetzt durch sinnlose Datenabfragen, mit denen sinnentleerte Statistiken zusammengewürfelt wurden, die wiederum einer Propaganda dienten, deren Zweck allein der Zweck war.

Erinnerungen an die Großmutter waren in der Cloud. Man wusste gerade einmal, dass diese Frau existiert hatte. Früher hatte man ein Bild von der Großmutter an der Wohnzimmerwand oder im Flur. In der Zeit der Cloud gab es nur digitale Fotoalben. Sie konnten jederzeit abgerufen werden, aber weil man seine Zeit mit dem Sich-Abfüllen mit Drogen aller Art verbrachte, um sich aus der technoiden Scheiße für einen Augenblick auszuloggen, fehlte letzten Endes die Zeit und auch die Lust, sich zu erinnern.

Wer Daten und Bilder seiner Biografie an die Cloud abgab, zahlte dafür Geld und hatte mehr Ruhe in seinem Leben. Das jedenfalls propagierten die Plakate in den Bahnhöfen.

Versicherungen schloss man online ab. Das Telefon wurde vom Internet abgelöst. Eine Sorge weniger. Der Vorteil war das einwandfreie Funk- tionieren des Menschen als Arbeitskraft. Die Cloud wurde zu seinem ständigen Begleiter des Alltags.

Die Daten machten sich selbständig und ar- beiteten – beziehungsweise sie erledigten Arbeiten für ihren Wirt. Mit der Zeit hatten sie ein be- denkliches Eigenleben entwickelt und begannen den Wirt zu bevormunden. Am Ende erledigten sie den Wirt. Er wurde zu einem Gemüse.

Die Daten «wussten», was gut war für den Wirt und sie wussten auch, was seinem Marktwert scha- den konnte. Dem Supercomputer zufolge war es das Beste für ihn, zu Hause zu sitzen und vor sich hin zu vegetieren. Cloud-Anhänger bewegten sich kaum. Arbeit, Sport, Einkauf: Alles spielte sich, wenn über- haupt, zu Hause ab und höchstens noch im Vor- garten, wenn man denn einen hatte.

Sinnliche Begegnungen gab es selten. Hin und wieder kam es in den wenigen Vorgärten, die es noch gab, oder in Gartenschuppen zu spontanem, un- persönlichem Sex zwischen Nachbarn. Spontaner Sex war verboten. Wer Sex wollte, musste nehmen, wen der Supercomputer vorschlug.

In sogenannten Sex-Boxen durfte man diese Kandidaten vögeln. Das war sauber und steril und legal. Meistens nahmen Frauen diese Dienste in Anspruch.

Männer hatten es leichter. Sie hatten ein soge- nanntes Wichshirn. Das Wichshirn war eine neu aus- gebildete Hirnregion der Cloud-Männer. Sie war eine sensationelle und rein zufällige abnorme Mutation, die zunächst nur bei fleißigen Konsumenten von Pornofilmen auftrat. Das Wichshirn war eine Blase von der Größe einer Aprikose. Darin befand sich ein Gewebe, in dem die sexuellen Träume und Alpträu- me ihrer Besitzer gespeichert waren.

Mittels einer Hirn-Operation konnte Mann sich ein Plug-in einbauen lassen und sich mit einer Sex- puppe verbinden, die in der Folge genau das tat, was das Wichshirn von ihnen verlangte. Die Sexpuppen fühlten sich sehr echt an, sie sprachen wie Papageien und sagten alles, was ihr Wichs-Mann hören wollte.

Cloud-Männer waren also Soziopathen geworden. Die Abschaffung der Frau war auf dem Vormarsch. Am Ende hätte es nur noch Gummipuppen und ein paar Männer gegeben, und ganz am Ende . . . ? Geklonte Menschen, die tot waren?

Dieser sehr wahrscheinlichen Entwicklung der Menschheit konnte nur einer oder eine ein Bein stel- len: ein Hacker oder eine Hackerin.

Die  Internet-Realität  war  so  skurril  geworden, dass  die  Menschen  sich  im  Spiegel  kaum  mehr wiedererkannten. Im Jahr 2032 War es dann ge- schehen. Die Wolke zersplitterte wie ein verhasster Spiegel, dessen man überdrüssig geworden war. In der Wolke hatten sich alle Schatten der Menschen zusammengebraut zu einem üblen Gewitter. Es war höchste Zeit, dass ihr Daten-Abbild vor ihren Augen zerstört wurde.

Hacker hatten sich an der Wolke zu schaffen ge- macht, an ihr gekitzelt. Da brach alles aus ihr heraus. Die Wolke aus Daten, Taten und Geschichten löste sich auf in Regentropfen aus Bits und Bytes.

 

Aufwachen im Technofaschismus

Offiziell ist es die Seuche, die als eine Art Brandbeschleuniger den Datenfaschismus ermög- licht. In Wirklichkeit findet ein Krieg gegen den Men- schen statt. Sie sind auf der Jagd nach DNA und ewigem Leben.

Mit der Fratze des Todes im Nacken steht man in dieser Welt morgens auf und betrachtet im Spiegel ein Ich, das einem fremd geworden ist. Jeder könnte träger des Virus sein. Alle sind fiese Bazillenträger, eklige, wertlose Viecher. Man möchte den Knopf der Sprühdose mit dem Ameisengift drücken und sie auf sich selbst richten, sich selbst anzünden und sterben. Aber der Überlebenswille ist nur schwer zu brechen.

Alles, was das System stört, wird ausgeschaltet. Eine mRNA-Impf-Sonde übernimmt die Exekution. Sie befindet sich irgendwo im Körper der nutzlosen Arbeitskraft. Wenn der Befehl der geizigen alten Männer kommt, setzt die Sonde den Körper ihres Wirts schachmatt.

Diese Zeiten waren irgendwann vorbei. Die Menschheit ist auf null gesetzt worden. Diejenigen, die sich aus der Cloud herausgehalten hatten oder nur mit einem Bein drinsteckten, haben überlebt und können noch ihren Enkelkindern davon erzählen.

 

Bedroh(n)te Menschheit

Die Daten sind eine einfache Sache. Geboren wur- de sie am ersten Juni, genau wie Marilyn Monroe, die  Hollywood-Schauspielerin die  möglicherweise von  Bobby  Kennedy,  dem  Bruder  des  damaligen amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, er- mordet oder von ihm mit einer tödlichen Dosis Drogen vollgepumpt worden war. Vielleicht war es auch ganz anders. Es gibt da viele Theorien. Marilyn Monroe war eine der größten Sexbomben der Fünf- ziger- und Sechzigerjahre des zwanzigsten Jahrhun- derts.

Unsere Frau, geburtstagsmäßig ein Zwilling von Marilyn Monroe, aber auch astrologisch gesehen ein Zwilling, ist alles andere als eine Sexbombe. Ihr Alter befindet sich im Bereich weiblicher Wechseljahre. Das merkt sie daran, dass sich ihre angeborene Widerspenstigkeit stärker zeigt als sonst. Die Wech- seljahre sind eine Art zweite Pubertät, die Frauen viele Möglichkeiten bietet, um sich zu entwickeln  und sich den Sternen, die sie immer nur von weitem betrachtet durften, ein Stück zu nähern.

Sie ist gerade siebenundvierzig Jahre alt gewor- den. Die Quersumme der Anzahl der Buchstaben des Wortes siebenundvierzig ist sieben. Das ist für das System, in dem die Menschen zu leben glauben, un- erheblich. Sie selbst steckt nur mit einem Fuß in der Cloud. Leider muss man ein wenig von sich preis- geben und die Cloud füttern, damit sie einen in Ruhe lässt.

Man wird da hineingeboren,, und man kann den Dreck nur überleben, wenn man ein Bein abgibt beziehungsweise es in die Cloud steckt. Die Cloud klebt ihr am Bein. Der Rest ihres Körpers ist unberührt. Während andere Fußfesseln tragen oder im Gefängnis sitzen, kann sie sich bewegen, wird  aber von der Cloud überwacht.

Heiße Ware für dieses System ist der Finger- abdruck, das ist das Minimum, das man abgeben muss. Dann kommen die Iris, das Blut und die DNA. Mit solchen Daten kann ein zweites Ich gebastelt werden. Ein Klon von einem selbst.

Sie kommen aus den Wolken herunter, surren, glotzen einem ins Wohnzimmer rein und sind häss- lich. Sie hängen dämlich in der Luft, und man möch- te sie abschießen. Drohnen. Mit Drohnen werden Menschen bedrohnt, bedroht, überwacht. Die Typen, die sich diesen Terror ausgedacht haben, machen ihr Angst. Diese geklonten, wichsenden Kryptogeld- Roboterfreunde. Olen Mucks zum Beispiel ist einer dieser Verrückten. Er nennt sich Technoking. Für sie sind sie einfach nur Schweine, digital-faschistische Schweine.

Beim Anblick der Befehlshaber der Roboter- fascho-Freunde, dieser knittrigen achtzigjährigen Blutsauger im Anzug, gefriert einem das Blut. Sie sehen aus wie Vampire. Diese Typen machen ihr beinahe genauso viel Angst wie die Dragqueens, die kleinen Kindern an die Wäsche gehen. Minderjährige Jungen in Frauenklamotten gehören in diesem Sys- tem dazu. Genau wie die gierigen alten Männer, die mit Geld und ohne Herz regieren und Menschen hassen. Je mehr Geld sie haben, umso ärmer sind sie. Dann kam die Seuche über die gesamte Mensch- heit. Sie kam den alten Männern in Anzügen gerade recht. Es wurde Angst verbreitet, und falsche Infor-mationen gewannen die Oberhand.

Seitdem sind die Menschen gefügig geworden und befolgen alle Befehle der Cloud. Sie leben isoliert und einsam. Sie sind Sklaven der Cloud.

Der Journalismus ist am Arsch. Das Lesen be- herrschen die wenigsten. Heute wird Journalismus aus Daten und Statistiken gemacht. Daten von Droh- nen und  Quantencomputern, Mitschnitte von Gesprächen, auch privaten Gesprächen, alles wird in einen Pott geworfen und ausgewertet. Das Ergebnis ist eine üble Suppe. Ein Text, der vorher schon fest- stand, aber nun von Daten untermauert ist. Das Wichtigste sind die Bilder und die Grafiken dazu.

Denn die Menschen lesen nur die Schlagzeilen und betrachten vor allem die Bilder und die Grafiken.

Alles wird gesammelt. Daten von den Vogelarten, die über einen Vulkan fliegen. Alles ist nützlich. Alles wird verwertet. Die Cloud ist ein blindes allgegen- wärtiges Auge. Es sammelt und zählt alles, und das Ergebnis ist die Zerstörung von allem, was erfahrbar hätte sein können.

 

Tagebucheintrag am 15. Juni im Digitalfaschismus

Verrückte Frauen sind schützenswert. Frauen wie Hildegard von Bingen, die statt als Kräuterhexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt zu werden in einem Kloster aufgenommen wurde. So eine Bekloppte, die hin und wieder unter spiritistischen Eingebungen  litt. Wahrscheinlich wäre sie sonst wegen Hysterie verdammt und zugenäht worden. Solche Frauen be- nötigen Schutz vor der Verfolgung. Viele Klöster ha- ben unzählige solcher Frauen gerettet.

Ich fühle mich auch verfolgt und bin womöglich schuldig in den Augen des Systems. Warum? Weil ich auf die Cloud verzichte. Das macht mich verdächtig. Die Cloud, das ist in der heutigen Zeit eine Art Frei- heit. Nur bin ich vom Gegenteil überzeugt. Steht es mir frei, das zu glauben oder überhaupt zu denken?

Ich habe einen immer wiederkehrenden Traum. Jedes Mal, wenn ich nur an den Traum denke, fügt er mir einen Schmiss zu, den ich hinterher nähen muss. Ich bekomme Panik, weil der Traum zu echt ist. Manchmal, wenn ich betrunken bin und mich in Sicherheit wähne, erzähle ich ihn meinen Saufkum- panen. Als Warnung sozusagen.

Der Traum ist zu lang. Die kurze Fassung ist, dass ich zusammen mit vielen Menschen verhaftet werde. Wir sind alle ganz normal. Aber die Bullen finden bei jedem Einzelnen einen Grund für eine Verhaftung.

Die Begründung für meine Verhaftung ist,  dass sie in meiner Hosentasche eine Geldmünze finden, auf deren Rückseite das Wort «Freiheit» steht. Ich bin selbst überrascht über diese Münze, die ganz zu- fällig in meiner Hosentasche gelandet sein musste. Normalerweise steht dort statt «Freiheit» etwas anderes. Diese Münze war also falsch geprägt wor- den. Der Staat macht und prägt die Münzen. Alle Wege gehören sozusagen der Königin. Meine Frei- heitsmünze tanzte also ziemlich aus der Reihe.

Dieses unheimliche, tief gehende Gefühl der Angst vor Verleumdung und die Scham, zum Verbrecher abgestempelt und verhaftet zu werden, begleitet mich mein Leben lang.

Diesem Alptraum sind wir schon sehr nahe gekommen. Ein Terrorist namens Bill Greedy ist der Kopf einer Bioterror-Organisation, die im Winter des Jahres X zum ersten Mal einen Bioterror-Anschlag ausgeübt, der bis ins letztmögliche Detail geplant war. Der Name der Gruppe ist sagen wir mal Y. Für mich heißen sie «Der Club der toten Wichser». Sie beten die größten toten Wichser der Welt an und zelebrieren schwarze Messen.

Diese Männer dürfen Menschen jagen, und sie werden dafür auch noch bewundert. Ihre Zielscheibe ist die DNA aller Lebewesen, die sie mit künstlicher Intelligenz ersetzen wollen. DNA, diese hübschen Gebilde mit den vielen bunten Treppenstufen, die ineinander übergehen. Watson und Crick. Alles Bull- shit. In Wirklichkeit ist es Gott, der uns bewegt.

Ein anderer Wissenschaftler hat herausgefunden, dass die Zellen auch ohne DNA funktionieren. Es seien die Proteine und vor allem die in an die Zellen übermittelten Gefühle und Informationen, die das Leben aufrechterhalten.

Dieser Bill Greedy hat sich den ganzen Planeten unter den Nagel gerissen. Der Club der gierigen Männer hat die Welt infiziert mit Materialismus und Menschenhass, an dem die Leute sterben wie die Fliegen, sei es an Krankenhausviren oder Krebs. Aus einem Krankenhaus wird man entweder tot entlassen oder krank gemacht, darum nenne ich es ja Krank- mach-Haus statt Krankenhaus. Dieser Club reguliert auch den Sex. Es darf nur mit Fick-Zertifikat gefickt werden.

Die Wahrheit findet man kaum in der Zeitung. Wahrheit ist eben nur in der Gegenwart. Im Hin- einfühlen, das einen der Sache wirklich nahe bringt.

Ich will mich wegficken von dieser Tristesse. Nun, ich halte die Augen offen, aber ich habe Angst, und es kotzt mich an, überhaupt an Sex mit einem Mann zu denken. Bei mir ist der Ofen vorläufig aus.

Heute zog ein Mann sein Shirt aus und zeigte mir seine Narben. Er sei im Krieg gewesen, sagte er. Im Sudan. Neun Schüsse in den Bauch. Hallo? Und ein Streifschuss am Hals. Ich war schockiert. Er hat sich entschuldigt, weil er mich doch ein bisschen er- schreckt hatte. Aber er litt. Und es muss halt auch mal raus. Es war mir zu viel. Muss ich seine Narben sehen? Das ist eine Grenzüberschreitung. Warum hatte er sich die Brusthaare rasiert, fragte ich mich nebenbei. Heilt endlich eure Wunden und fangt an zu ficken.

Neulich schrieb ich die Namen meiner Fick- partner auf und versah jeden von ihnen mit einem kurzen Kommentar. Manche Namen habe ich schon vergessen. Einer war sehr gut. Sehr einfühlsam. Ich hätte gerne öfter mit ihm gefickt. Er kam aus Ex- Jugoslawien.  Ich  glaube  aus  Albanien.  Er  sah sehr gut aus. Hatte ein sehr hübsches Gesicht mit einem schönen Lächeln. Null Gefahr. Ausgesprochen höf- lich, nett und ehrlich. Er sah wirklich verdammt gut aus, und er hatte Manieren!

Fuck, war der gut. Ein Gentleman-Fick-Gott. Er war besser als der Wikinger, aber viel zu jung für mich. Ich ließ die Finger von ihm. Sonst hätte ich ihn verdorben.

Als Bill Greedys Virus die ganze Welt in Atem und in der Wohnung eingesperrt hielt, hatten die Menschen viel Zeit für sich selbst. Viele starben. Sie starben an Panik, sie hatten Angst, ins Krank-mach- Haus zu gehen, oder sie starben einfach vor Hunger, weil sie ihre Arbeit verloren hatten, oder an Ver- einsamung. Kinder brachten sich um. Erwachsene auch.

Die Suizidrate der Kinder hatte sich verdoppelt. Und während all das geschah, hörte ich an den Abenden Meditationsmusik und betete, um auf dem Boden zu bleiben. Ich nutzte die Zeit, um mir Gedan- ken darüber zu machen, was ich will.

Ich will ficken. Das ist einmal Nummer eins. Ich bin vielleicht zu alt für Sex. Aber ich will. Meine Brüste sind ganz okay und haben irgendwie eine niedliche Reife. Alles wird schlaffer und beginnt zu hängen. Runzeln machen sich bemerkbar. Das Fleisch wird schwach. Mein Body ist eher jungenhaft. Aber mein Gesicht ist so androgyn komisch, ich sehe aus wie ein Pfannkuchenclown. Gemacht zum La- chen, meinte ein Mensch heute zu mir. Ich hasse Menschen. Ich meide sie.

Ich bin im Kloster. Mein Job ist mein Kloster, meine Zuflucht, meine Daseinsberechtigung. Ich bin schützenswert. Es ist die Arbeit im Verlag. Ich gehöre da so sehr hin, dass ich die Schmerzen liebe, die mir die Arbeit manchmal macht. Das alles wird sich eines Tages ändern. Ich werde Sport machen. Und über kurz oder lang werde ich in die biologische Land- wirtschaft fliehen und mit der Erde arbeiten. Mein Körper hat zu viel Kraft, darum schmerzt er den gan- zen Tag lang.

Der Club der Toten Wichser hatte uns in den Knast gesteckt, damit wir aufhörten, miteinander zu reden. Wir wurden vereinzelt wie Setzlinge in einem Pflanzen-KZ (Neusprech: Gärtnerei), die in einzelne Töpfe umgepflanzt wurden, wo sie dann allein wei- terwachsen sollten, während die Wichser auf sie her- unterwichsten. Ihre Wichse war unsere Sonne und auch unser Regen. Künstliche Wichs-Intelligenz.

Die Einzellisierung machte krank, ein früher Tod war sicher. War wirklich nur ein toter Mensch ein guter Mensch, wie der Leitspruch des Clubs heißt? Oder einer, den man weiterverkaufen konnte? Wer bestimmte darüber und warum? Wer hatte die Zeit, um darüber nachzudenken?

Am meisten Zeit hatten die schmierigen Jour- nalisten vom «Wahrheitsministerium». Die Demen- toren. Sie waren die Wächter des Narrativs. Sie de- mentierten die Wahrheit. Die Journalisten streckten die Zeit, machten einen lange Linie daraus und zogen sie sich in die langen Nasen.

Damals, als meine Chefin anrief und sagte, dass wir wieder im Büro arbeiten sollen, bekam ich Panik. Nach sechs Monaten der Isolation löste bei mir allein die Vorstellung von Kontakt mit Menschen Panik  aus.

Auf meinem Arbeitsweg kam ich an geplünderten oder geschlossenen Läden vorbei. Dann stieg ich in die Bahn und versteckte Mund und Nase vorschrifts- gemäß hinter einer Maske, um Lungenpilze zu züchten.

Während einer Pause rief mich meine Schwester an und sagte, sie hätten jetzt verboten, Geld von der Bank abzuheben. «Jetzt siehst du, wer Geld stiehlt! Die Banken selbst: Der Banker ist der Bankräuber, kapier das endlich!», brüllte ich ins Handy.

Die Katastrophe nimmt ihren Lauf. Ich bekomme noch mehr Panik und rufe bei meiner Bank an. Der Banker beruhigt mich am Telefon und dementiert sich aus der Lüge heraus. Ich wünsche dem Demen- tor noch ein schönes Wochenende, was ich dann korrigiere. Wir haben erst Mittwoch. Offensichtlich liegen meine Nerven blank. Er muss mich für ver- rückt gehalten haben.

Nach langem Nachdenken über eine praktische Bedeckung meines Gesichts im öffentlichen Verkehr war ich zu dem Schluss bekommen, dass der Islam die Lösung bot. Er hat die beste Kopfbedeckung von allen erfunden, nämlich den Nikab. Leider hatte die chinesische Firma, bei der ich das Ungetüm bestellt hatte, meinen Kauf storniert, weil die Nikabs einen Produktionsfehler hatten.

Bei der ersten Zugfahrt zu Beginn der Seuche trug ich einen Mundschutz. Und auf der zweiten  Fahrt ließ ich es bleiben. Immer öfter begegnete ich Men- schen, die auf den Maulkorb verzichteten.

Ich hatte mich einmal mit solchen «Widerständ- lern» unterhalten, die ihr Gesicht zeigten und sich der «Maskenpflicht» widersetzten. Sie hielten das Vi- rus von Bill Greedy für eine Lüge beziehungsweise für eine Ablenkung von etwas viel Schlimmerem, nämlich der Errichtung einer digitalen Diktatur. Ein Mann, der meinem Beuteschema entsprach, sagte, eine leichte Schläfenmassage sei hilfreich gegen Angst. Ich dachte mir: «Ficken auch, du Idiot.»

Die Seuche veränderte die Menschen. Viele brauchten Sex. Mein Gynäkologe war völlig ausge– hungert, genau wie ich. Zwischen uns hatte es ge- knistert. Beim Ultraschall verhaspelte er sich immer wieder und glotzte wie gebannt auf meine Täto- wierungen. Ich hätte ihn sehr gern genommen. Am Abend tat ich es in Gedanken mit ihm auf der Liege. Ein anderes Mal lutschte ich seinen Schwanz. Eine ganz natürliche Regung, die irgendwie ausgelebt werden muss. Mein französischer Schreiberling war der Ansicht, dass Frauen Sex brauchen, auch aus gesundheitlichen Gründen. Er hat recht.

Mein Dermatologe ist ein Mann, der ebenfalls in mein Beuteschema passt. Er ist Franzose und trägt außerhalb der Praxis einen Panamahut. Stil und In- telligenz hat er. Wenn er spricht, möchte ich ihm eins lutschen oder tief seufzen und ihn dann küssen.

Meine Flirtfähigkeiten sind praktisch null. Das liegt daran, dass ich in einer katholischen Mädchen- schule war. Ich stellte irgendwann fest, dass die Un- terdrückung meiner Geilheit mir einen lebens- länglichen Schaden zugefügt hat. Trotzdem ist es mir recht, diesen Knacks zu haben. Ich bin der Schule so- gar dankbar dafür, dass ich Unterricht ohne Jungen genießen durfte. Vor allem in naturwissenschaft- lichen Fächern hat geschlechtergetrennter Unterricht enorme Vorteile für Mädchen. Jungen funktionieren da anders und sie lernen auch anders, vor allem was Naturwissenschaften angeht.

Meine Leistungen waren in den Naturwissen- schaften relativ gut. Die Vor- und Nachteile koedu- kativen Unterrichts wurden mir bewusst, als ich ein Jahr lang eine gemischte Schule besuchte. Die Jun- gen habe ich beim Lernen als störend empfunden. Besonders in naturwissenschaftlichem Unterricht. Es hat mir aber gut gefallen, neben einem Jungen zu sitzen und zu spüren, wie scharf er war und wie sehr er sich beherrschen musste. Vielleicht hatte ich mir das  auch  nur  eingebildet  und  auf  den  armen Kerl projiziert. Für mich waren Jungen immer eine andere Welt. Neben einem zu sitzen, fühlt sich gut an. Es ist eine angenehme Verbrüderung.

 

Daten, Taten und Geschichten

Sie meditiert, um alles gleichzumachen. Sie hört auf, zu bewerten. Die Ähnlichkeit des Buddhismus mit dem System ist erschreckend. Denn auch das System will alles gleichmachen. Es hat sich diese Technik beim Menschen abgeguckt. Seine Absicht ist es aber, aalglatte Bürger zu erschaffen. Erschaffen. Das klingt fast göttlich. In diesen Etagen haben  einige die Bodenhaftung verloren und halten sich für Götter.

Alles ist gleich. Drei Jahre lang war sie arbeitslos. Auch das war eine Beschäftigung. Alles ist harte Arbeit, wenn man seinen Verstand behalten möchte.

Ihr Motiv, alle ihre Taten gleichzumachen, ist ein anderes, und zwar möchte sie den Schmerz besei- tigen, der, wie sie glaubt, entsteht, wenn sie Ge- schichten Revue passieren lässt und sie mit ihrem jetzigen Schmerz in Verbindung bringt. Dabei ist ihr Schmerz echt. Die Taten von früher benutzt sie, um den Schmerzen ein Gesicht zu geben.

Taten regnen nieder und wässern den Boden. Sie versickern, sobald sie die Erde erreichen. Geschich- ten sind die Blumen, die aus der Erde sprießen. Eine hässlicher als die andere. Jedenfalls in digitaler Form. Alles Menschengemachte ist hässlich. Jedes Ding ist nur ein Hilfsmittel, um zu überleben, um Feuer zu machen, um auszuweiden, um Gemüse zu schneiden. Selbst Kunst ist ein Hilfsmittel, um etwas zu begreifen, um zu suchen oder zu finden.

Tiere sind da anders. Es wird gegessen, es wird irgendwo hingeschissen. Ein Nest wird gebaut, und wenn es seinen Dienst getan hat und die Jungen flügge geworden sind, zerfällt es von selbst. Es ist organisch und umweltfreundlich. Anders als der Mensch, der sich überall breitgemacht und mani- festiert hat mit seinem Müll, der jahrzehntelang liegen bleibt, und mit seinen vielen «Ego-Satelliten» – vom Privatjet, dem eigenen Spaceshuttle übers Auto bis hin zum eigenen Kind, das mehr ein Projekt als ein Ausdruck von Liebe ist.

Der Regen fällt, es ist Frühsommer. Daten, Taten und Geschichten gehen nieder und verlieren sich. Was wirklich zählt, ist die Liebe und der Champag- ner. Es geht selbstverständlich auch ohne Champag- ner. Champagner geht auch ohne Liebe. In ihrem Leben war mehr Champagner als Liebe.

Die Cloud ist eine schlechte Kopie der Wahrheit. Immer wieder stecken die Menschen ihre Köpfe in  sie hinein, um darin herumzuschnüffeln wie an alten Socken oder Unterhosen. Im Nebel der Cloud fehlt der Durchblick. Man setzt Fixpunkte und konstruiert eine Geschichte daraus.

Im Grunde hängen alle in dem Nebel der Wolke fest. Darin finden sich nur Daten, Taten und Augen- blicke, die in Nullen und Einsen gesplittet sind, in gleich große Wassertröpfchen. Der einzelne Tropfen ist glasklar. Ein Nebel aus Wassertropfen aber be- nebelt dich und macht dich blind.

Alle Menschen gehören geschützt. Darum finden sich manche auf der einen oder anderen Demons- tration zusammen, wo es um den Schutz von Men- schen oder Tieren oder Pflanzen geht.

 Eine Demonstration ist weder für noch gegen etwas, sondern eine Vorführung, eine Theaterauf- führung mit Dämonen. Sie ist eine Dämonstration. Wenn sie zu einer Demonstration geht, ist sie ein Geist des Dämons. Ein Klon ihrer selbst, eine Stell- vertreterin für die Menschen, die aus ehrenwerten Gründen Demonstrationen fernbleiben, weil sie zu Hause kochen oder woanders sein müssen. An einer Demonstration ist sie die Kopie der  Manifestation der totalen Unzurechnungsfähigkeit von mensch- lichen Wesen und tut ihre Pflicht. Genau wie die Polizisten ihre «Seite» oder ihre «Firma» und, wenn sie überzeugte Bullen sind, vielleicht sogar sich selbst vertreten. Da sind irgendwelche Überzeugungen am Werk, die einander bekämpfen.

Sie ist nur eine Frau und hält ihre Klappe. Seit zwei Jahren ist sie keusch. Jedes Mal, wenn sie damit begann, etwas wirklich Gutes für sich zu tun, lernte sie einen Typen kennen und ließ die angefangene gute Sache liegen. Diesmal wird es anders sein, sagt sie sich.

Manchmal muss sie an «den Wikinger» denken, dieses blonde Muskelpaket, mit dem sie einmal zusammen war. Er hat einen geilen Arsch, einen fet- ten Schwanz und tolle Oberschenkel. Und seine Hackfresse möchte man eigentlich lieber von hinten sehen beim Ficken. Der Gedanke an ihn lenkt sie ab und verschafft eine kurze Erleichterung. Er stoppt ihren Ekel vor dem eigenen Schweiß.

Manchmal möchte sie einen Joint kiffen. Sie tut alles, um zu überleben. Um sich wieder leicht zu füh- len wie ein Kind. Laute Musik und Alkohol.

Drogen helfen, um zu überleben. Man meldet sich kurz ab und geht woanders hin, macht sozusagen einen Spaziergang, und wacht an einem anderen Ort wieder auf. Unter Drogen steht man kurz auf einem Berg und sieht aufs Tal der Schweinemenschen he- runter, schreit – und steigt wieder hinab, um die Scheiße weiter über sich ergehen zu lassen und sie lieben zu lernen, die Menschen, was oft zeitweise gelingt.

Es gab in den Siebzigern eine Schwemme von beschissener Drogenliteratur, die wahrscheinlich aus einem kollektiven Leidensdruck entstanden ist und sich in verdrogten Kanälen auf Papier herabgewichst und ergossen hat, während man die Substanzen im Vietnamkrieg an Soldaten testete. Jeder, der über Drogen schrieb, hatte Tourette in den Fingern, und glaubte, Superkräfte zu haben.

Seit dem letzten Winter malt sie. Manchmal tun ihr die Hände weh, wenn sie ihre Wut mit aller Kraft aufs Papier drückt. Es tut gut, und es entsteht etwas dabei. Wenn es eine Struktur hat, ist es gut. Muster und Strukturen sind ein Abbild des Lebens.

Sie ist fest entschlossen, weiterzuleben. Während der Epidemie hatte sie darüber nachgedacht, wie und ob sie weiterleben wollte. Auch über den Tod hatte sie nachgedacht. Sie schaute ihn an, den Tod, und fragte ihn, ob er die Epidemie ernst nehme. Er sagte Nein. Also lebte sie weiter, von Tag zu Tag, wurde älter und brauchte schon bald eine Lesebrille. Die Zeiten der Sexiness sind aus der Mode gekommen, Lesebrillen sind okay. Und jetzt kommt Champagner ins Spiel.

Eine ihrer Champagnerwolken war ebender, von dem sie eine Mail bekam. Er ist Franzose und schreibt Bücher. Vor ein Paar Tagen schlug bei ihr der Blitz ein und sie schrieb ihm: «Alles ist eine Ge- schichte. Und zwar eine Geschichte, die dazu da ist, um daraus Kohle zu machen.» Er hatte ihr vor vielen Jahren  einen  intensiven  Schreibkurs  gegeben. Und nun hatte sie ihn gefragt, ob sie aus ihrer Idee Kohle machen oder verlieren konnte.

Sein champagnerfarbenes Sperma steckte damals übrigens in einem Kondom.

 

Sex in den Zeiten von . . .

Seit mehr als einem Jahr sterben täglich Tau- sende Menschen an der Giftspritze, die Bill Greedy, entwickelt hat gegen die Seuche, die den Planeten in Atem hält, beziehungsweise sie sterben an den Fol- gen der Schutzmaßnahmen, die ihre Gesundheit ruinieren. Oder daran, dass sie ihre Lebensgrund- lage, ihre Arbeit verlieren. Sie hungern, leiden, sind vereinsamt völlig, und manche bringen sich des- wegen um.

Besseren Schutz genießen, so scheint es, diejeni- gen, die Geld haben. Wenn sie es richtig anstellen, gelingt es vielen sogar, sich an der Seuche zusätzlich zu bereichern.

Inzwischen ist der Mittelstand wegen des Wert- verlusts des Geldes und des Wertverlusts der Arbeit vollkommen zusammengebrochen. Die Wirtschaft bricht zusammen, wenn der Mittelstand zusammen- bricht. Der Wirtschaftsfaktor Nummer eins, der Mensch, wird mit in den Abgrund gerissen, der bis dahin ein imaginärer Abgrund war, weil er nur auf dem Papier beziehungsweise in der Cloud existierte.

Die Wirtschaft hielt sich bis zum Wolkenbruch der Cloud und der Pandemie immer für ein Wesen mit einem Eigenleben. Jede Arbeitskraft ist eine Prostituierte, die ihre Arbeit feilbietet, ein Geschäft, das etwas verkauft. Der Mensch, der Verkaufende und sich selbst verkaufende, ist die Wirtschaft selbst.

Er kauft und wird gekauft. Er ist ein Leibeigener des Staates. Jedes Jahr drückt er dem Staat zum Dank  für die Haltung im Arbeitskäfig eine Art Arbeits- vermittlungsgebühr in Form von Lohnsteuer ab. Der Mensch, die Prostituierte, gibt seinem Zuhälter noch seinen Anteil auf die Hand. Das ist Sklaverei.

Die Milliardenverluste, verursacht durch die Seuche und Folgen der Berechnungen, Statistiken und Vorhersagen der Cloud-Supercomputer führten dazu, dass den Menschen vorgeschrieben wurde, wie sie leben sollten.

Geld war ein Problem, das sich mit der Zerschla- gung der Cloud auflöste. Das Gute an der Cloud war, dass sie eine reine Fantasie war. Ohne sie wurde das Leben für eingefleischte Cloud-Junkies jedoch sehr langweilig. Sie mussten über kurz oder lang den Cloud-Mindfuck durch etwas Echtes ersetzen.

Das Stärkste, was echt ist – neben absoluter Be- scheidenheit und einem friedlichen Augenblick von Ewigkeit abseits jeglichen Selbstbetrugs dieser Dimension des Menschseins – ist Sex. Und der ist so hart und echt wie ein Phallus in höchster Erregung. Es wurde viel und frei gebumst, um die Entzugs- erscheinungen zu lindern, um ins Leben zurück- zukommen. Man fickte sich zurück. Natürlich gab es auch andere Sachen. Bessere sogar als bumsen. Beten, arbeiten und lachen gab es auch. Doch die Hardcore-Wichshirn-Junkies mussten bumsen, um sich auf null zu setzen.

Sie möchte ihre Wut auf null setzen. Doch schreien ist verboten. Also atmet sie tief ein und aus und entdeckt das Wahre.

Sie lernten sich vor vielen Jahren im Internet kennen – und sie fanden sehr schnell den Weg ins Bett. Sie holte ihn am Flughafen ab. Es war Weihnachten. Das Christkind war gekommen. Er rauchte viel und tut es natürlich immer noch. Sie küssten sich und fuhren mit dem Zug zu ihr. Sein tarnfarben- grüner Koffer hatte dummerweise vier Räder und rollte während der Zugfahrt mit jeder Kurve mit. Er hielt den Koffer fest, wenn er zu rollen begann. Seine Haut glänzte wie Wachs und hatte eine ungesunde Farbe.

Sie hatte für teuren Rotwein gesorgt, weil er Franzose ist, und sie sprachen über seine Bücher. Sie bekam einen intensiven Schreibworkshop. Dazu kam Sex, skandalöser Sex. Das Hübsche daran ist die Freiheit, die in einer solchen Begegnung steckt. Es war so, als ob sie ganz allein waren auf der Welt.

Beide hatten ein geringes Selbstwertgefühl, ein- fach aus dem Grund, dass ihnen das Selbst ver- dammt fremd war. Es wurde gefickt um des Fickens willen.

Eine saubere Sache, die sie überrascht hatte und immer wieder überrascht, wenn die daran zurück- denkt. Es war wie Händewaschen oder Kochen. Gehört dazu, wird gemacht. Im Schwanz steckt ein ganzes Universum aus stummem Sperma. Eigentlich sind Männer die Geber. Sie geben Sperma. Sie ver- stummen beim Sex. Leise dringen sie ein. Leise ziehen sie ihren Schwanz wieder heraus. Sie geben den Lebensfunken. Die Frau macht hinterher den anstrengenden Rest des Austragens der Frucht. Der Mann ist Erster in Sachen Leben. Doch das Univer- sum, das in seinem Sperma steckt, ist doch etwas karg und irgendwie kümmerlich. Die Eizelle ist we- sentlich größer als das Spermium. Das hat sicherlich einen Grund.

Am dritten Tag reiste der stille Schriftsteller ab. Bevor er ins Taxi stieg, sagte sie ihm, dass ich ihn liebt. Es war eher ein Flüstern, aber hörbar.

Er stieg ein und fuhr fort. Sie fühlte sich leer, rauchte einen Joint und begann, ihre Wohnung komplett umzustellen, anstatt zu weinen. Er fehlte ihr wie ein Kind, das einem genommen worden war. Am nächsten Tag schickte sie ihm Fotos von ihrer Wohnung. Das Ergebnis gefiel ihm. Nach ein paar E- Mails war der Kontakt eingeschlafen. Er war ver- heiratet und befand sich mitten in einer Scheidung. Das Einzige, was er dazu sagte, war, dass der Hund ein Streitpunkt sei.

Damals hatte er einen Hund und wahrscheinlich hat er auch jetzt einen. Heute kam seine Antwort, die einen ihrer im Sterben liegenden Anteile zum Leben erweckte. An diesem Morgen war sie mit einem Ge- fühl von Traurigkeit und Wut aufgewacht.

Das Leben hatte an ihrer Tür geklopft, die sie für einen Sargdeckel gehalten hatte. Sie öffnet den Sarg- deckel, steht auf und geht in den Flur, wo der Kühl- schrank steht. Darauf sind zwei Kochplatten. Bis dahin sind es drei Schritte. Der Flur ist gleichzeitig ihre Küche. Von dort bis zum Bad sind es noch ein- mal vier Schritte. Ein Zombie schaut sie aus dem Spiegel an. Ihre Augen sind geschwollen, und sie überlegt, wie sie wach werden könnte. Wach zu wer- den, ist etwas völlig anderes, als nur aufzustehen.

Nach einem kurzen Spaziergang isst sie eine Mango zum Frühstück. Dann fastet sie bis zum Abend. Intervallfasten nennt sich das. Ihre Arbeit erfordert nur den Einsatz des Verstands und ist sehr gut bezahlt. Hungrig zu arbeiten, erhöht ihrer Meinung nach die Konzentration.

Mit Mangofasern zwischen den Zähnen liest sie seine Mail. Er kann sich sehr gut an sie erinnern. Mittlerweile ist es vierzehn Jahre her. Er schreibt, dass er unbedingt wieder mit ihr ficken will. Sie ant- wortet ihm, Macht aber einen Bogen um das Thema Ficken,  so  gut  es  geht,  und  lamentiert stattdessen über ihr schlechtes Französisch, was zu einem Miss- verständnis geführt hatte. Sie hatte gedacht, dass ficken und küssen ein und dasselbe Wort sei im Französischen. Baiser.

Er ist der Meinung, dass ficken auch gegen De- pressionen hilft. Und dass sie ihm helfen könne, weil er seit kurzem Angst habe vor dem Tod.

Im Bad putzt sie ihre siebenundvierzigjährigen Zähne mit Zahnpasta von Dr Hauschka. Zwei ihrer Zähne sind tot. Sie kann die Angst vor dem Tod also sehr gut nachvollziehen. Bei ihrem letzten Zahnarzt- besuch hatte sie den Tod gerochen, er war ihr regel- recht in die Nase gekrochen. Bei den Bohrarbeiten in ihrem Backenzahn stieg plötzlich dieser penetrante, hochpeinliche Geruch hoch, und sie schämte sich vor der Ärztin, deren feine Finger in Latexhandschuhen in ihrem Mund herumfummelten. Es war der Geruch ihres Körpers, der von gierigen Bakterien zersetzt worden war.

Sie begann zu verstehen, warum manche sich  gern die Zähne in Thailand machen ließen. Wegen der feinen Hände der Thailänder. Trotz Latex und zarten Fingern fehlte bei dieser Behandlung leider jede Spur von Erotik.

Sie putzt ihre Zähne seitdem sehr vorsichtig und liebevoll und hofft auf ein Wunder. Wenn das, was von ihren echten Zähnen noch übrig ist, bis zum Schluss mitmacht, kann sie sich glücklich schätzen.

Der Schmerz, den sie wirklich fühlt, hat mit den Zähnen wenig zu tun. Ihr ist alles weggebrochen, und sie verliert alles, was mit der Vergangenheit zu tun hat. Jeden Morgen wacht sie mit einer vollen Pralinenschachtel auf, die sie essen muss, bis ihr davon übel wird. Am nächsten Morgen ist sie wie durch ein Wunder wieder voll. Voll mit Scheiße. Die Vergangenheit ist wie ein neues Reifenprofil, das man abfahren muss mit laut quietschenden Reifen.

Eine Zwangserkrankung. Wie Nägelkauen, Rauchen oder schamanischer Schnupftabak, der einem die Nüstern zuklebt, und sie pfeift sich weiter voll mit dem Zeug, weil das Dasein zeitweise unerträglich ist.

Der Wikinger muss her. Der Wikinger fickt nur diejenigen, von denen man die Finger lassen sollte. Er fickt alles, was ihm unter den Schwanz kommt. Die Praktikantin, die Verkäuferin, die Kundin. Der Wikinger stopft allen Frauen der Welt das Maul, die in der Hierarchie unter ihm stehen. Er hält sich für den Größten, also stehen alle Frauen unter ihm. Bis auf seine Chefin. Vor ihr hat er zu viel Respekt. Selbstverständlich ist es für ihn ein Problem, dass eine Frau über ihm steht. Der Wikinger hat seine eigene Vorstellung vom Mannsein und vom Helden- tum. Er ist blond. Innen wie außen.

Wenn er seinen Schwanz in einen Mund hinein- schiebt wie einen Hotdog, genießt er einen Augen- blick, an dem ihm eigentlich wenig liegt. Während der Schwanzmassage driften seine Gedanken ab zum nächsten Casting für einen B-Klasse-Film mit abge- halfterten ehemaligen A-Klasse-Darstellern wie Gary Oldman. Er ist Schauspieler von Beruf.

In den Filmen, in denen er mitspielt, hat er meis- tens sehr wenig zu tun. Mal ist er nur Statist oder er spielt einen Riesenidioten, der nur ein oder zwei Sätze zu sagen hat. Er spielt Riesenidioten, weil er  ein Riese ist – fast zwei Meter groß – und ein Idiot. Auch im wirklichen Leben spricht er wenig oder starrt einen fies an. Er spielt also sich selbst.

Aber eine solche Rolle überhaupt zu bekommen, das ist die eigentliche Leistung des Wikingers. Das Casting ist für ihn der größte Nervenkitzel. Dann blüht er voll auf und plappert bis zum Erröten. Der nächste Schritt ist natürlich Analsex mit dem Regisseur, wenn man Glück hat, und wenn man Pech hat mit dem Kameramann.

Zu Hause ist er immer allein. Er hat Telefon- nummern, die er anrufen kann. Eine davon ist sie. Sex mit dem Wikinger. Das ist eine gute Sache, weil es beim One Night Stand geblieben ist. Am Telefon streiten sie sich, Sex hatten sie nur ein Mal. Sie weiß dieses Glück, links liegen gelassen zu werden wie ein Stück Scheiße, kaum zu schätzen und wartet immer noch auf einen Fick. Sie ist stundenweise verliebt in ihn, den Mann für – einsame – Stunden.

 

Black Lives Matter

Ab und zu fährt sie in die nächste große Stadt und taucht ein in die Anonymität der Straßen. Heute  zieht ein Gewitter auf. Menschen strömen auf die Straßen, und Wut entlädt sich.

Erst wenn sie sich völlig zurücknimmt, nehmen die Dinge von sich aus Form an. Eine Reihe von Enttäuschungen im Laufe ihres Lebens hindern sie daran, Lebensfreude zu empfinden. Sie hat sich mit der Beobachterrolle arrangiert.

Der Tag ist unförmig, alles ist trüb. Sie beobachtet einen Protest gegen die faschistische Techno-Digital- Diktatur. Das Ganze ist eine armselige Vorstellung. Ein paar Figuren stehen herum mit Transparenten mit langweiligen Sprüchen darauf und unterhalten sich. Dann, kurz bevor der Himmel Blitze und Regen entlässt, strömen Hunderte Menschen auf den Platz. Vor ihren Augen vermischen sich zwei verschiedene Demonstrationen. Die einen und die anderen.

Geschieht hier gerade etwas Historisches? Alles, was in diesen Tagen und Wochen des Hausarrests und des Zusammenbruchs geschieht, ist historisch. Dessen ist sie sich vollkommen sicher.

Die wenigen weißen Diktaturgegner demonstrie- ren schon seit einigen Wochen gegen das Verbot, das Haus zu verlassen. Der Hausarrest ist eine von vielen Maßnahmen gegen die Seuche.

Seit  dem  Begin der  Proteste  fähr sie  jeden Samstag in die Stadt, um sie zu beobachten. Die ersten Demos waren bunt und fröhlich. Mit von der Parti ware Verschwörungstheoretiker Nazis, meditierende  Hippies,  stinknormale  Linke,  Leute, di sic z eine bekannte Hackernetzwerk zählten di Julian-Assange-Befreiungsfront2 die Gegner  der  Pharmaindustrie  und  ein komische Grundgesetz-Lobby, die eindeutig die am wenigsten sympathische  Gruppierung  war.  Zu  viele  Männer waren es. Und auf ihren Flugblättern zitierten sie rechte, männliche Politiker.

Die Grundgesetz-Nazis wurden von Woche zu Woche mehr. Als Bestechungsmittel bringen sie an diesem Gewittertag Bier und Grillwurst mit, was dankbar angenommen wird von Jung und Alt. Heute, an der fünften oder sechsten Veranstaltung, kann man sagen, dass es der Grundgesetz-Lobby gelungen ist, die Führung der Schafe an sich zu reißen. Alle Teilnehmer haben sich ein Büchlein andrehen lassen, das sogenannte Grundgesetz, und sie halten das dün-ne Büchlein jetzt brav in die Kameras der Fernseh- teams, die überall herumschwirren.

Dann, kurz vor dem Gewitter, strömen Hunderte von Schwarzen wie Ameisen auf den Platz und spülen die Wurstfaschisten vom Platz. Sie demonstrieren gegen Rassismus und Polizeigewalt.

Mit einem Vertreter der Wurstlobby, einem ernsthaften, jungen, ziemlich biederen Mann, hatte sie vor zwei Wochen einen kurzen, peinlichen Schlag- abtausch, bei dem ihre männerfeindlichste Seite zum Vorschein gekommen war. Es war ihr später peinlich, und sie hatte sich vorgenommen, sich bei ihm zu ent- schuldigen, änderte aber ihre Meinung, als sie ihn zwei Wochen später in einem völlig neuen Outfit in der Menge entdeckte. Als Hippie verkleidet, mit Stirnband, Hawaii-Hemd und barfuß, stand er dort und wendete tote Tiere im Darm, die man Grill- würste nennt, auf einem Grill. Was für eine Täu- schung! Ein Wolf im Schafspelz. Sicher wird der kleine Wurst-Söldner gut bezahlt für die Übernahme der Protestbewegung, dachte sie. Er gehört vermut- lich sogar irgendeiner Partei der technofaschis- tischen Diktatur an.

Die Themenvielfalt, die in den ersten Demons- trationen gegen den Digitalfaschismus wie ein Blü- tenmeer das Auge streichelte, ging von Woche zu Woche verloren. Was blieb, war das dünne Büchlein der Grundgesetz-Bratwurst-Lobby.

Ein Einheit lässt sich am einfachsten herstellen mit einem Gesetz, das angeblich für alle gilt, einem Gesetz, das alle schön über einen Kamm schert. Solche Lemminge lassen sich gut regieren von gesetzlosen Konzernen mit ihren Extrawurst-Ge- setzen und Gesetzeslücken. Sie lassen sich ihre Stimme und ihre Freiheit nehmen, indem sie wählen gehen und ihre Stimme verlieren, sie solidarisieren sich mit der Diktatur und lassen sich Ketten legen: Stockholm Syndrom3.

Auch im reichsten Land der Welt, das jahrzehnte- lang mit einer gewitzten kapitalistischen und faschis- musfreundlichen Bankenpolitik sämtliche Kriege ausgelagert und sich vom Leib gehalten hatte, wer- den Proteste mit demselben Gummischrot und dem- selben Tränengas niedergeschlagen wie anderswo.

Sie beobachtet das Ganze aus einer sicheren Dis- tanz und trägt eine große Sonnenbrille. Ein anderer Schaulustiger fragt sie, wie sie die beiden Demons- trationen finde. Sie antwortet: «Fuck the police, das finde ich.» Die Polizei eskaliert und feuert Tränengas und Gummischrot in die Menge.

Sie hasst Polizisten. Drei von ihnen beobachtet sie auf dem Nachhauseweg, wie sie eifrig den Boden nach irgendwelchen Beweisstücken absuchen. Eine Schaufensterscheibe war zu Bruch gegangen. Sie sammeln ihren eigenen Gummischrot ein. Vielleicht hatten sie die Scheibe selbst kaputtgeschossen.

Während sie die uniformierten Männer beob- achtet, spinnt sie sich einen Tagtraum zurecht. Dem Bullen, der den Asphalt nach Beweismitteln ab- sucht, schiebt sie einen fetten, schwarzen Gummi- dildo in den Hintern und filmt dabei sein Gesicht. Als Snuff-Film ist das sicher eine ganze Menge wert im Dark Web. Ein bisschen Skandal in ihrem Kopf.

Das Gewitter ist fast vorbei. Jetzt regnet es. Die Demo ist für sie zu Ende. Bald ist sie zu Hause. Ihre letzten Schritte werden immer schwerer. Sie ist müde. Es ist die Erschöpfung infolge der Isolation, einer der gesundheitsschädigendsten Maßnahmen gegen die Seuche, unter der sie leidet. Sie bringt alles durcheinander, oben und unten ist für sie gleich. Sie nimmt beides ernst. «Ich bin eine Schande für mein Alter», denkt sie, als ihr plötzlich eine alte Frau einfällt, die fünf schwere Taschen mit Geduld und einem freundlichen Gesicht über den Steinplatz getragen hatte.

Die Seuche hat die Gesellschaft massiv verstört und in Aufruhr versetzt. Die Maßnahmen werden zunehmend infrage gestellt. Die Cloud beginnt sich aufzulösen. Man erinnert sich an die ganze Scheiße, die schiefläuft: Rassismus, Massenüberwachung, ver- giftete Nahrung, Luft, Pestizide, die alles aus dem Gleichgewicht brachten, und Medikamente, die mehr Schaden anrichteten, als dass sie halfen.

Zu Hause trinkt sie eine Tasse Kaffee mit Chili und Kardamom und sieht gedankenverloren aus dem Fenster. Alles ist grün. Vor ihrem Fenster wächst ein Hagebuttenstrauch. Jeden Morgen ist er das Erste, was sie sieht, wenn sie aufwacht.

Vor ihr inneres Auge schieben sich die Bilder von der Demonstranten und den Polizisten. Der Bulle, der Gummischrot einsammelte, war so versessen da- rauf, professionell zu sein und gleichzeitig entspannt zu wirken, dass sie ihn gerne gefickt hätte. Sie hätte ihn von seiner «Pflicht» abgelenkt. Ihn entladen, und wer weiß, vielleicht hätte sie ihn geheilt von seiner geisteskranken Berufung. Fuck the police.

Der Tod eines Verwandten weckt sie zwei Tage später aus ihrem Delirium. Ihre Cousine ist am Boden zerstört. Ihr Vater war mit dem Auto unter- wegs zu ihr und hatte Geschenke für den Enkelsohn gekauft. Er starb auf der Toilette einer Autobahn- raststätte.

So schnell, wie es passiert war, so schnell wurde er auch begraben. Und zwar gleich am nächsten Tag, wie es bei Muslimen der Brauch ist. Die Leiche wird gewaschen und in ein Tuch gewickelt und der Erde übergeben. Muslime werden nach ihrem Ableben von Würmern, Pilzen, Bakterien und anderen Viechern zerfressen.

Heutzutage ist es ein Wunder, dass es noch Fried- höfe gibt. Boden ist wie nach wie vor eine Goldgrube. Um darauf hässliche Klötze zu errichten – die Blumen des Bösen – reißen sie Bäume aus, als seien es verfaulte Zähne, dann heben sie die Erde aus, ver- siegeln sie mit Beton und stellen einen quadratischen Betonblock darauf. Eine hohle Zahnkrone aus Beton, von der Menschen meinen, darin ewig leben zu kön- nen. In einem toten Zahn.

Der folgende Tag ist ein trüber, verregneter Sonntag. Trotzdem zieht es sie nach draußen. Sie öffnet den Sargdeckel, steht auf, putzt sich die Zähne, auch die toten, und macht einen Spaziergang.

Der Körper reagiert darauf, wenn die Moral sinkt, und zerfällt dann sehr schnell. Das Fleisch welkt, Zellulitis, Muskelschwund und faulende Gerüche sind Folgen von schlechten «Haftbedingungen». Darum bewegt sie ihren Körper, auch wenn ihr innerer Schweinehund bellt wie ein Pinguin.

Sie schließt ihre Wohnungstür ab, macht die ersten Schritte. Der Graf von Monte Christo, Julian Assange, darf sich im Knast eine halbe Stunde täglich draußen   bewegen   und   eine   halbe   Stunde telefonieren. Den Rest seines Tages verbringt er in seiner Zelle in London.

Auf dem Gehweg liegt eine Atemschutzmaske mit Tierkot darauf. Sie macht ein Foto davon, das sie als Profilbild für ihr Überwachungsgerät verwendet. Der Tod kann so schnell kommen. Atemschutz ist ein Euphemismus. Geschützt wird nur das Establish- ment. Mundschutz macht krank. Pilze in der Lunge bekommt man davon und Husten. Paranoia. Und Nanopartikel in homöopathischen Dosen, bis man einknickt und alles tut, was einem gesagt wird.

 

Frauen im 19. Jahrhundert – verdammt und zugenäht oder im Sanatorium

Frauen kommen zu kurz im Leben, weil sie früh lernen müssen, sich mit allem zu arrangieren. Sie haben einen falschen Film am Laufen, nehmen alles hin, was man ihnen antut, weil sie immer wieder in die Schranken gewiesen worden sind. Es ist eine gelernte Hilflosigkeit, einfach eine Schwäche, die dumm ist und alles andere als weiblich.

Wenn man sich die europäische Literatur an- schaut, dann liest man in der Regel über geschei- terte und traurige Existenzen, meist Frauen, manch- mal auch Männer. Über Männer, die sich in verhei- ratete Frauen verliebten und sie dann fallen ließen, sobald die Frauen bereit waren, ihre Ehemänner und sogar ihre Kinder zu verlassen, um mit ihrem Lover zusammenzusein. Ein Duell kam natürlich auch vor in der Geschichte. Als kleines Zückerchen für den männlichen Leser.

Damals, als die Frauen Korsetts trugen und ver- heiratet waren, hatten sie wenig Möglichkeiten, um ihren ehelichen Pflichten zu entkommen. Im besten Fall bediente frau sich der guten alten Ausrede: Kopfweh. Im schlimmsten Fall trieb sie ab.

Viele Frauen verfielen einer Krankheit namens Hysterie, der man auch in der Literatur jener Zeit häufig begegnet als ein Gespenst, eine mysteriöse Verstimmung, die Ehemänner in die Verzweiflung trieb. Die Hysterie äußerte sich in Weinkrämpfen  und unverständlichem Verhalten. Wenn eine Frau der Hysterie verfiel, schickte man sie zu einem Arzt. Der Arzt begriff schnell, was los war. Die Frau brauchte einfach nur mal einen ordentlichen Fick mit einem Mann, der sie verstand. Er solidarisierte sich in jedem Fall mit der Frau und verschrieb ihr einen Aufenthalt in einem Kurort – ohne den Ehemann. Das bewirkte oft Wunder. Die Frau lernte im Sana- torium meistens jemanden kennen und ließ sich in der Folge mit der Genesung im herrlichen Luftkurort verdächtig viel Zeit. Die Liebschaften, die Frauen dort hatten, wurden Kurschatten genannt. Thomas Mann hat das in viele ellenlange Sätze gepackt und formte aus der Schlammpackung einen riesigen Berg. Den «Zauberberg».

Im schlimmsten Fall, wenn die hysterische Frau arm war, wurde sie in eine psychiatrische Anstalt eingesperrt, wo man sie ordentlich quälte mit kalten Bädern und Fesseln – und einer Operation, bei der die Vagina komplett zugenäht wurde. In den meisten Fällen entfernte man zusätzlich die Klitoris. Prakti- ziert wurde das in Europa bis ins frühe zwanzigste Jahrhundert hinein.

Dann wurde man urplötzlich modern in Europa. Demokratie ist Faschismus in einem neuen Kleid, weil sie noch zu jung ist. Sie hätte wachsen müssen mit den Menschen. Sie hätte von innen kommen müssen statt aus heiterem Himmel. Wenn sie Demokratie und Fortschritt sagen, meinen sie immer noch das Mittelalter und Sklaverei. Gestern noch hatten die reichsten Länder der Welt andere Länder unterworfen und sie ausbeutet. Gestern noch gab es Hitler, Stalin, Mussolini, Franco, Mao, De Gaulle und Churchill.

Die Engländer verdanken die vielen östlichen Einflüsse der East India Company. England wäre ohne den Kolonialismus im Mittelalter steckenge- blieben. Und doch herrschen in den Anfängen der industrialisierung die Gesetze des Mittelalters. Noch zu Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts hängte man Kinder an den Galgen, wenn sie dabei erwischt wurden, ein Brot zu stehlen. Dann kam der eine Krieg, danach der andere Krieg, und man vergaß diese Vergangenheit, löschte sie aus. Man vergaß sich selbst und bildete sich ein, einen Quantensprung gemacht zu haben.

Dem falschen Glauben zu erliegen, man sei zivili- siert, weil man Geld habe, ist die Essenz des Geld- faschismus. Geld haben nur die Reichen. Und die kaufen sich frei. So reich wie in der Werbung sind in Wirklichkeit die wenigsten. Die Briten arbeiten hart und sind arm. Die Medien gaukeln dem Volk das Gegenteil vor und lobotomisieren ihr Hirn und ver- schmutzen die Herzen der Menschen, damit sie jeden Mist, jedes Virus und jede Pille schlucken. Bei dem Versuch, zu Wohlstand zu gelangen, hat sich manch einer in Japan totgearbeitet oder seine wertvolle Seele verkauft für sehr wenig Geld, um dann, wer weiß, zum Beispiel wegen eines Skandals vom Dach zu springen, wie es einen Sommer lang bei France Télecom der Fall war. Sobald also die Zahlen auf dem Konto schlecht sind, ist man sehr schnell bereit, sein Leben aufzugeben, weil man seinen Wert unter– schätzt und nach diesem popeligen Kontostand be- misst.

Sklaverei existiert immer noch.

 

Cloud-Sklaven

Im digitalen Faschismus wurden kaum Bücher gedruckt oder gelesen. Nachrichten wurden zu Trig- gern aufgearbeitet und mit Bildern und Slogans garniert und aufgetischt. Slogans waren als Befehle gemeint. Die Abschaffung von Zahlen stand kurz be- vor. Sie sollten mit Symbolen ersetzt werden. Mit bunten Grafiken und Tabellen. Worte sind Macht. Sie sind aber auch ein Allgemeingut. Der Zugang zu Literatur wurde erschwert. Das, was man lesen durf- te beziehungsweise was man auftreiben konnte, war Kitsch.

Am einfachsten funktionierte die Sklaverei mit zwei Dingen. Zwei. Wie zum Beispiel Ja oder Nein. Rot oder Grün. Krieg oder Frieden. Zwei Dinge reichten aus, um die Menschen hinters Licht zu führen. Gut und Böse. Jung und Alt. Dick und Doof. Christ und Muslim. Im Dualismus blieb die Masse dumm. Nachdenken war überflüssig. Man musste sich meistens zwischen zwei Dingen entscheiden, um sich hinterher besser zu fühlen. Später übernahm die künstliche Dummheit der Supercomputer in der digitalen Sklaverei das Denken für sie und nahm ihnen jede Entscheidung ab. Sie nannten es künst- liche Intelligenz.

Alles kostete Zeit, die nur hatte, wer im Besitz von Geld war. Das war schon immer so und so blieb es auch. Manche hatten auch denn Schlüssel zur Zeit. Wann  hatten  sie  den  nur  bekommen? Irgendwann vor langer Zeit? Die größten Zeit-Künstler waren Journalisten. Sie taten zwar so, als seien sie beschäftigt, hatten aber immer irgendwie Zeit. Irgendwie. Zwischen den Stunden konnten sie stundenlang schlafen oder sie fanden ein Wurmloch oder so, sie dehnten die Zeit aus. Sie wechselten zwischen ein paar Dimensionen, um Zeit zu sparen.

Genauso bereiteten die Journalisten-Boys in schmierigen Anzügen auch das Tagesgeschehen für das dumm-gemeine Volk auf. Sie machten aus der Wahrheit eine Lüge und aus der Lüge eine Wahrheit.

In ihrer vielen Freizeit, die sich sich ja erschaffen und zurechtbiegen konnten, sprachen sie manchmal nur zum Spaß rückwärts. Und aus ihrem Mund kam Scheiße heraus. Und aus ihrem Arschloch kamen Worte. Sie sprachen und sie schissen rückwärts.

Begleitet von den passenden Schlag-Zeilen4 der Zeit-Künstler, erfüllte die Seuche ihre Funktion, Wichshirne mit Müll zu füllen, Menschen zu isolieren und Bildung mit einer inhaltsleeren digitalisierten Bilderflut zu ersetzen.

Böse Zungen behaupteten, die Seuche sei in ei- nem der vielen Frankenstein-Biowaffenlabors des Clubs der toten Wichser erfunden worden, um Geld zu sparen. Menschen waren ihnen zu teuer.

«Nur ein toter Mensch ist ein guter Mensch»  heißt der Slogan des Clubs der toten Wichser.

Während das Volk hungerte und verblödete, leisteten sich die alten Wichser mehrere Trips zum Mars. Das Volk blieb ruhig, weil es ja von den Zeit- Künstlern ruhiggestellt worden war. Die Trips auf den Mars wurden als «Erkundungsflüge zum Wohle der Menschheit», als Forschungsreise beschlagzeilt.

Auch die Gegner der Cloud blieben ruhig und hofften, dass der Club irgendwann auf den Mars umsiedelt und für immer dort bleibt. Never-come- back-Tours.

Die An-Schläge der Schlag-Zeilen bekamen eine Antwort von den Hackern.

Sie kitzelten an der Cloud, bis sie vor lauter Lachen zerplatzte.

Das war der erste Hack. Und der wichtigste. Doch es ging weiter. Satelliten stürzten ab, die Drohnen auch. Die Fußfesseln fielen ab, es wurde endlich frei gefickt ohne die Fickvorschläge der Cloud. Doch es ging tatsächlich noch ein bisschen weiter. Der Club war auf diesen Schlag vorbereitet.

Auf einem Spaziergang fährt ihr ein Bus entgegen. Sie denkt kurz darüber nach, ob ein Mann oder eine Frau hinter dem Steuer sitzt. Natürlich wird es ein Mann sein. Als der Bus in ausreichende Nähe kommt, erkennt sie eine rote Krawatte. Es ist ein Mann. Sie stellt sich vor, wie er an seiner Krawatte baumelt.

Sie gehört zu den wenigen, die noch lesen und Dinge nachschlagen. Sie liest sogar die Zeitung. Und sie arbeitet für einen der letzten Buchverlage, die es noch gibt. Glücklicherweise floriert das Verlags- wesen, seitdem die Cloud gehackt wurde. Die Men- schen sind wieder auf eine gute Art gierig geworden. Sie dürsten nach Wissen und Sinnlichkeit.

Als die Seuche ausbrach, war sie gerade angefan- gen, für den Verlag zu arbeiten. Sie mussten alle von zu Hause aus arbeiten, um Ansteckungen zu ver- meiden.

Nun ist die Cloud kaputt, und in einigen Wochen wird sie ihre Kollegen im Büro treffen, sie in Fleisch und Blut kennenlernen. Ihr graust es vor dieser menschlichen Begegnung, und sie befürchtet,  dass sie die Kontrolle verlieren könnte. So einsam war sie in den letzten Monaten.

Sie will mit irgendjemandem ficken, um in eine tiefe Entspannung zu kommen, bevor sie ins Büro geht. Unter Menschen fühlt sie sich wie ein Hase in einem Löwenkäfig. Sie wollen ihr Fleisch.

 

Wurmlöcher und wie man Vampire killt

An einem arbeitsfreien Tag begab sie sich wieder einmal auf den Platz, wo die Demos stattgefunden hatten. Es war ein sonniger, heißer Tag. Sie hatte ei- nen Massagetermin. Der Platz lag auf dem Weg zur Praxis. Sie war früh dran und hatte noch eine Stunde Zeit. Einen Augenblick lang fühlte sie sich frei und überließ ihrem Körper die Führung, und der wollte einfach nur stehen bleiben und Wurzeln bilden.

Sie folgte dem Impuls und blieb stehen, losgelöst von Gedanken oder Plänen für die nächsten Schritte, Sekunden, Minuten.

Sie stand also angewurzelt da, atmete tief und schaute geradeaus. Es war ihr egal, was vor ihr lag. Sie stand und schaute einfach.

Nach einer Weile kamen ihre Gedanken zurück und bildeten eine Wolke, die ihr sagte, dass sie die restliche Zeit bis zur Massage in ihrem Stammcafé totschlagen könnte. Ihr Körper war damit einver- standen, und setzte sich in Bewegung. Sie schlug die Richtung des Cafés ein. Es war ein wunderbarer Mo- ment.

Da kam ihr ihre Chefin entgegen, zusammen mit ihrem Hund. Dieses Land ist klein. Und der Verlag, bei dem sie arbeitet, ist ganz in der Nähe des Platzes.

Sie plauderten nur kurz. Sie war noch in der Pro- bezeit und wollte – genau wie der Hund – weiter- gehen, um zu verbergen, was für eine Verrückte sie ist. Der Hund wollte weiter, weil der Steinboden sich von der Sonnenstrahlung aufgeheizt hatte. Das war zu heiß für seine Pfoten. Und sie hatte ziemlich klobige schwarze Schuhe an, die ihr peinlich waren. Je länger sie sich unterhielten, umso heißer wurden auch ihre Füße.

Dann wurde sie erlöst, sie verabschiedeten sich. Sie ging weiter und setzte sich in ihr Lieblings-

café. Das wars. Sie war dort versackt. Es muss ein Wurmloch gewesen sein, in das sie hineingetappt ist. Eine dunkle Sache. Jegliche Erinnerung an diese Zeitspanne im Café ist ausgelöscht. Womöglich hatte sie den üblichen Roiboos-Tee getrunken und Tage- buch geschrieben.

Dann machte sie einen kurzen Fußmarsch durch die Stadt – mit ihren fetten schwarzen Schuhen. Während des Fußmarschs hoffte und betete sie, dass ihre Erscheinung mit den Schuhen möglichst schnell aus der Erinnerung ihrer Chefin verschwand. Es war ihr peinlich.

Kurz, aber heftig litt sie unter dieser Blamage. Es dauerte ungefähr so lange wie eine Panikattacke.  Und ihr fiel ein, dass sie ja eine Depression hatte, und das eigentlich schon lange. Irgendwie hat sie einen achten Sinn dafür bekommen, um Leiden wahrzunehmen. Das ist beinahe so schlimm wie ständig von der Farbe Keith-Haring-Blau verfolgt zu werden. Oder von Keith-Haring-Kunst. Eine Art von Folter also.

Sie hatte gelernt, dass Leiden exakt der Zeit- spanne von einem Hochgefühl der Freude und Er- leuchtung bis zum nächsten entspricht. Zwischen einem Hoch und einem anderen kann manchmal viel Zeit liegen. Diese Zeit nennt sie Leiden. Sie kann sich sehr in die Länge ziehen und der vorwiegende Zustand eines Menschenwesens sein. Eines Men- schenwesens, das noch viel zu lernen hat. Es wird gelitten bis zum nächsten Hochgefühl oder Orgasmus oder dem nächsten, aus dem Herzen kommenden Augenblick wie beispielsweise Lachen, Verwun- derung, auch Ablenkung wie Arbeit, Sport oder Massenhypnose kann das Leiden ablösen.

Alles zusammen ergibt diese Linie, die man gerne hätte. Die man sich im Kopf zurechtlegt. Aber von Geradlinigkeit fehlt jede Spur. Und wenn man das Ganze streckt, hat man nur im Nachhinein, wenn man es sich schönredet, eine Linie. Jeder Versuch, das Leben zu entziffern, ist Ketzerei. Besonders im Westen wird dies praktiziert. Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind solche Ketzer, die mit Lupen auf Ameisen glotzen und sie dabei verbrennen, anstatt sich vor ein Atomkraftwerk oder eine Tierfabrik zu stellen, um zu protestieren.

Der Grund für das Leiden ist die Absenz des Lebens. Ein Denkfehler, der gewollt ist. Der aber korrigiert werden kann.

Sie trampelte weiter vor sich hin mit ihren peinlichen Schuhen, immer noch auf dem Weg zur Massage, und kam an einem Brunnen vorbei, der in ihr beschissene Erinnerungen weckte. Wütende Tou- rette-Anfall-Wolken regneten in ihrem Spatzenhirn.

Der Wikinger hatte früher in dieser Gegend gewohnt. In Gedanken schrie sie ihn an. Er kam noch gut weg. Andere Männer hatte sie in Gedanken ge- pfählt und geköpft, wie man es mit einem Vampir machen muss. Die beste Methode, einen Plagegeist loszuwerden, ist aber die folgende: Man stellt ihn in Gedanken in einen Lichtspot. Dann belichtet man diesen so stark, bis er sich in grellstem Licht auflöst und man nur noch seine Umrisse erkennen kann. Dann schaltet man den Lichtschalter aus. Weg ist er, wird aufgesaugt von der Dunkelheit. Er war nie da. Ein Hirngespinst, das neutralisiert wurde.

Endlich stand sie vor der Praxis. Links von der Eingangstür befand sich eine Front aus viel zu vielen Klingeln. Der Name der Praxis stand nur auf dem Briefkasten, eine Klingel dazu fehlte. Die Tür war ab- geschlossen.

Sie beschloss, einfach stehen zu bleiben und zu schauen, was passiert.

Eine Frau kam, öffnete die Tür und ging einfach hinein. Wie hatte sie das geschafft? Sie hatte weder geklingelt noch einen Schlüssel benutzt. Es musste also möglich sein, diese Tür zu öffnen. Sie vertraute auf ihre Ninja-Kräfte – und schaffte es. Die Tür war nämlich die ganze Zeit offen. Sie hätte nur kräftiger drücken müssen.

Im Flur war eine Bank. Sie setzte sich und war- tete, ließ ihren Blick über das Papierzeugs schweifen, das die Wartezeit versüßen sollte: Zeitschriften, Flugblätter, Werbung. Da sah sie eine Klientin aus dem Behandlungszimmer herauskommen. Sie hatte die Frau auf die sie von diversen Spinner-Treffen, sogenannten Satsangs, kannte. Eine dicke, Blonde mit Brille. Ein depressiver, hoffnungsloser Fall. Diese Frau ist völlig stehen geblieben, dachte sie, als sie sie wiedererkannte.

Dieser Augenblick, diese Begegnung war die to- tale Niederlage eines Menschen oder sogar beider Menschen, die Beobachterin mit eingerechnet. Diese Praxis ist der Ort, an dem man seine Versager-Seite intellektuell und spirituell umformulieren und weg-massieren lassen kann. Und zwar so lange, bis man sich selbst wieder knapp ertragen kann.

Die Massage war erholsam. Sie hatte zarte Hände. Wie die Zahnärztin, die neulich in ihrem toten Zahn gebohrt hatte. Zarte Hände. Es tat ihr gut. Ihr Körper war so tot wie der kaputte Zahn damals. Ihr Bedürf- nis, zu reden und berührt zu werden, war so groß, dass sie beinahe geplatzt wäre. Sie weinte beim Ge- spräch vor der Behandlung, erzählte von Glück, von Angst, der Sorge um ihre Freiheit, die auf Sand ge- baut war. Dann Hände. Zarte Hände.

Auf dem Rückweg kämpfte sie mit den Tränen. Eine einzige Massage ist zu wenig. Aber sie möchte ihr Geld sparen, um auszuwandern. Sie hat die Wahl: Entweder sie lässt sich jahrelang den Rücken mas- sieren, um es hier auszuhalten. Das würde heißen, dass sie hier bleiben würde, in Europa, ohne sparen zu können. Diese Depressionsgesellschaft kotzte sie an. Oder sie musste hier weg. Weg vom unterge- henden Sklavenhändler-Kontinent Europa. Für sie war klar, dass sie die nächste Massage sein lassen und das Geld zur Seite legen würde für ihre Flucht aus diesem Land. Das sollte subventioniert werden, man müsste Geld bekommen, wenn man hier verschwindet.

«… es ist die Gegenwart, die dich tötet, die wiederkommt, um an dir zu nagen, dich zu zer- mürben und letztlich zu töten», schreibt ihr Franzose in seinem letzten Buch.

Sie liegt auf ihrem Futonbett und liest sein Buch. Als sie den Satz über die Gegenwart liest, macht sie eine Pause. Sie fühlt sich wie in einer Trance. Dann reißt sie sich in die Wirklichkeit zurück, versetzt sich in den Raum hinein, in dem sie sich befindet. Spürt die Unterlage und ihren Körper darauf. Das, meint sie, sei die Gegenwart. Und die ist wirklich jede Flucht wert. Das Zimmer und die Aussichten, die sie sich verwehrt, aber gerne hätte, treiben sie aus sich heraus. Sie entflieht der negativen Depression. Gibt es eine positive Depression?

Sein Buch beschreibt die  Gedanken eines Menschen, der Gegenwartsbewältigung betreibt. Der Franzose verdient sein Geld damit, depressiv durch die Linse oder das Fernrohr zu schauen. Ein böser, abendländischer Blick ist das. Mit dieser fiesen Ameisenlupe.

Das ist alles, wozu Literatur heute fähig ist. Das liegt an der Menschheit selbst. Sie befindet sich auf einem hohen technischen Stand, der nur schwer gehalten werden kann, und gleichzeitig steckt sie in einer Bärenfalle, in einer Fallgrube. Die Hexen, die verbrannt worden waren, tanzen immer noch in dieser Grube. Es ist sehr dunkel hier.

 

Blindes Schreiben

Etwas zu schreiben ohne Sinn und Verstand, ist glaube ich sehr mutig. Ich versuche es gerade. Die Geschichte fehlt mir. Die Geschichte müsste längst da sein, aber sie flattert mir davon, während mein Darm rumpelt. Es war der dritte Tag im Büro. Endlich habe ich ein paar meiner Kollegen kennen gelernt. Sie sind alle nett.

Es gab eine lustige Begegnung mit einem Mann, der mich bei einem anderen Job einmal feuern musste. Er ist ein süßer Typ und ich kann mich sehr gut an seinen hübschen Arsch erinnern, der sich mir entgegenstreckte, als er sich vor mir im Stehen zum Bildschirm herunterbeugte. Ein sehr hübscher Arsch, den man anfassen und sehen möchte.

Dieser heiße Typ hatte wohl mittlerweile auch den Job gewechselt. Ich sah ihn in einem Büro, an dem ich immer vorbeimuss auf dem Weg in meine Büro- Kajüte. Heute sah ich ihn zum zweiten Mal, und diesmal grüßten wir einander und plauderten. Ich habe mich gefreut, ihn zu sehen. Er hatte mir damals kündigen müssen. Wir kannten uns kaum. Es war ein angenehmes Kündigungsgespräch.

Beim Blindschreiben fühle ich mich wie ein Müll- sack, der sich entleert. Ich fühle mich so, als ob ich Scheiße aufs Papier kippe, das eines Tages jemand lesen könnte. Und was, wenn ich morgen sterbe? Dann bliebe das von mir übrig. Ein Haufen Scheiße. Manchmal kommt nur Scheiße. Selbst wenn man den schönsten Füller der Welt in der Hand und den geil- sten Dermatologen mit Panamahut zum Mann hätte, käme auch nur Scheiße raus beim Blindschreiben. Eine griechische Tragödie, in der er mir mit einem scharfen Skalpell eine Warze entfernt.

Meine dickste Warze sind Männer, diese Scheiß- kreaturen, denen spätestens jetzt vergeben werden muss. Sonst hört die Erde auf, sich zu drehen. Sata- nisten werden überschwemmt, sie werden klatsch- nass vom Regen aus der Cloud. Alle ihre Vergehen sollen auf sie niederregnen. Sie sollen anfangen zu weinen, ihre züngelnden Flammen sollen ausgehen. Die guten Männer erkenne ich langsam. Vielleicht erkenne ich sie besser, weil ich mir vergeben habe?

Es gibt gute Männer und es gibt gute Geschichten. Die schönste, aber gleichzeitig tragischste Liebes- geschichte in der ansonsten nur von traurigen Nach- richten gepflasterten Seuchenzeit ist die des Grün- ders der Whistleblower-Plattform WikiLeaks, Julian Assange, und seiner Verlobten. Wie war ihr Name?

Sie war seine Rechtsanwältin oder so etwas Ähnliches und besuchte ihn häufig in seinem Ge- fängnis in der ecuadorianischen Botschaft in London. Und da funkte es zwischen den beiden. Sie fickten or- dentlich in einer Besenkammer, in der als Einziges keine Überwachungskamera war. So wurde sie zwei- mal von ihm schwanger. Beides Jungen.

Als ich zum ersten Mal von der Geschichte erfuhr, vergaß ich vor lauter Rührung einen Topf mit Pop- corn auf dem Herd, und das Zeug brannte an. Der Gestank von verbranntem Popcorn ist für mich einer der schlimmsten Gerüche in einer Küche.

Mittlerweile ist Julian Assange freigelassen wor- den aus seiner letzten «Unterkunft», einem Hoch- sicherheitsgefängnis in London Belmarsh. Die Bilder von ihm und seinen Kindern gingen um die Welt. Seine Frau stand brav wie eine Lady Diana neben ihm und strahlte, während ihre beiden süßen Jungen fröhlich auf ihrem Vater herumhüpften.

Jetzt fällt mir ihr Name wieder ein. Stella heißt sie.

Die Seuche bäumt sich immer wieder auf seit ihrem Ausbruch im Jahr X. Es ist mittlerweile mehr als zehn Jahre her. Das Interesse an den Ursachen und der Herkunft des Virus war am Anfang groß. Aber der digitale Faschismus ließ alle Informationen versickern und überschwemmte die Medien mit vielen und vor allem falschen Nachrichten, die eins zum Ziel hatten: dass man tat, was sie von einem verlangten.

Jetzt ist sowieso alles anders, weil es nur noch um das Überleben geht. Die Seuche ist zur Nebensache geworden.

Der Zusammenbruch der großen Cloud hat die Menschen gespalten in Cloudianer verschiedener neuer Richtungen. Die meisten von ihnen bilden In– seln mit neuen Clouds mit weniger Anhängern. Die Mini-Clouds halten sich mit verschiedenen grau- samen Strategien über Wasser. Sie überwachen ein- ander und bekommen Punkte dafür. Alles, was man zum Leben braucht, stellen Roboter her. Was einem fehlt, wird mit einer künstlichen Prothese ersetzt. Nasen wachsen in Reagenzgläsern. Wenn eine echte Nase abfällt, kann man sich eine neue drauflasern lassen. Den größten Erfolg haben die Nasenfabriken, weil die meisten Menschen mit ihrer Nase unzu- frieden sind und sich operieren lassen, bis sie eine klitzekleine Nase haben. Irgendwann fällt diese Nase ab. Der Körper stößt sie vollständig ab, weil die Nar- ben schwer verheilen. Bald wird all das überflüssig. Man kann nämlich neuerdings bestimmen, wie der Nachwuchs aussehen soll. Perfekte Nasen, perfekte Schwänze, ein Paradies auf Erden. Das Wichshirn  hat das Hirn besiegt und füllt den Kopf vollständig aus. Eigentlich ist es eine Art Tumor, der leer ist und sich mit allem füllen lässt, womit der Club der Toten Wichser die Medien immer noch nach dem alten Schema abfüttert.

Neben den Cloudianern gibt es viele andere, die sich zu verschiedenen Communitys zusammengetan haben. Die meisten von ihnen leben nomadisch und ziehen umher, weil Sesshaftigkeit zu gefährlich ist. Wer sich sesshaft machen möchte, wird früher oder später verjagt, weil alle Grundstücke den reichsten Cloudianern des Clubs der toten Wichser gehören. Der ganze Planet wird von ihnen «besessen», aber die Böden liegen Brach. Majestätische wilde Wälder wechseln sich ab mit Halbwüste und Steppe.

Die Clubmitglieder sind eine ganz ausgefuchste Truppe, die auch mit dem Bruch der Cloud gerechnet hatte. Obwohl sie die analoge Struktur offiziell vollkommen zerstört haben, sind sie im Besitz von Dokumenten aus Papier, die belegen, dass alles Land ihnen gehört. Ansonsten hätten sie alles verloren beim ersten Hack der Cloud.

Cloudianer leben nur in ihren Cloud-Gebieten und verlassen sie sehr selten. Alles andere ist unbe- wohnt. Sobald aber das Überwachungssystem re- gistriert, dass sich mehrere Menschen außerhalb der Cloud-Gebiete zusammengerottet haben, werden sie angegriffen von Robotern.

Manche Communitys haben eine Methode gefun- den, um sich für diese Waffensysteme unsichtbar zu machen. Doch sie behalten ihr Wissen für sich. Es ist sehr schwer, in einer solchen Gruppe aufgenommen zu werden. Man muss völlig integer und verlässlich sein. Es geht das Gerücht um, dass diese Commu- nitys einen Krieg führen gegen die Cloudianer und dass mehrere Cloud-Landlords aufgespürt und ermordet worden sind. Doch das wird immer ein Ge- rücht bleiben für diejenigen, die mit Cloud-Nach- richten abgespeist werden. Die wenigsten wissen überhaupt davon.

Neben den Nomaden gibt es noch die Halb- nomaden. Sie wandern von einer Cloud-Insel zur nächsten. Sie mögen zwar den Lifestyle der Cloud- Inseln, möchten aber ihre  menschliche DNA  beibehalten. Sobald das Cloud-System etwas an- ordnet wie eine körperliche Modifikation, ziehen sie weiter.

Sowohl die Nomaden als auch die Halbnomaden sind das, was man im Mittelalter vogelfrei nannte, was bedeutet, dass sie zum Abschuss freigegeben sind. Es ist völlig legitim, diese Menschen mit Robo- tern abzuschießen.

Ich greife nach dem Leben, das noch übrig ist. Die Natur spielt völlig verrückt, weil ihre DNA vom Menschen manipuliert worden ist. Merkwürdige Er- scheinungen  wie  regenbogenfarbige  Fische tauchen am Himmel auf, Pflanzen und Tiere, fangen an zu sprechen. Sogar Jesus hing einmal als Hologramm am Himmel.

Ein Kontakt mit einer Hummel ist alles, was bei mir in letzter Zeit rumkam. Ich streichelte sie und  sah ihr lange Zeit zu. Gäbe es noch die Cloud, könnte ich darin herumstöbern und nach Sex suchen.

Etwas ist endgültig zerstört worden und eine Leere tut sich auf, die einem die Augen öffnen kann. Jeder hat ein Trauma. Wenn ein neues dazukommt, landet man beim alten Trauma und repariert die Stellen, die weh taten, damit das neue Trauma an einem vorbeizieht, anstatt sich einzunisten.

Ich habe abgetrieben. Ich habe es getrieben. Ich habe getrunken und geklaut. Ich habe Menschen wehgetan. Geblendet zu sein und im Nebel seiner eigenen Cloud zu stecken, ist das Schlimmste, was es gibt. Es gilt, den Nebel zu vertreiben.

Seit dem Wolkenbruch erkenne ich, wie viel Trauma da ist, und stopfe Essen in mich hinein. Gutes Essen. Aber die Leere bleibt. Das Neue ver- sucht aus mir herauszuwachsen, bleibt aber im Schlamm stecken wie ein Autoreifen.

Ich war eine von den Gesetzlosen, die der Cloud nur einige wenige Tropfen Blut gespendet hatten, um sich freizukaufen. Es war ein schlechter und ein erzwungener Tausch. Das Trauma wurde verdeckt und beinahe vergessen. Ich wurde zu einer Art Robo- ter, der an die Cloud angeschlossen war.

Ich wurde gezwungen. Für ein Minimum an Freiheit gab ich ein Minimum an Daten an die Cloud weiter. Mit der Zeit fühlte es sich beinahe sexy an, in der Cloud Mitglied zu sein, und beinahe wäre ich der Versuchung erlegen, die Cloud weiterzufüttern mit Daten.

Bill Greedy sitzt seit fünfzehn Jahren im Knast. Er ist sowohl für die Cloud als auch für die Seuche ver- antwortlich. Natürlich kann man sagen, er hatte sei- ne Leute, die ihm halfen. Aber Bill Greedys kranker Kopf hat die Blase aus den Hirnen der Wichser-Clubs erst ermöglicht. Die Blase stellte alles auf den Kopf. Ja. Man hat rückwärts gefressen und geschissen.

 

Der letzte Sommer

Der erste Seuchen-Sommer war ernüchternd und langweilig. Sie las täglich die Nachrichten, wartend auf ein Wunder, das auf sich warten ließ. In dieser Zeit erinnerte sie sich an das Theaterstück «Warten auf Godot» von Samuel Beckett. Es passte perfekt zu dieser meschuggenen Stimmung.

Ihre einzige Freude war ein Zeitungsbericht über einen indischen Bundesstaat, der auf Pestizide verzichten wollte. Sie hob den Bericht auf und überlegte beim Zusammenfalten, ob sie ihn jemals für ihren Arsch brauchen würde. Wenn ja, dann wäre das eine Niederlage.

Als eine Freundin sie triggerte mit dem Gerücht, dass der Staat bald Strom und Wasser abstellen wolle, kaufte sie in höchster Panik einen Gaskocher und zwei Gaspatronen. Jede hat fünf Stunden Power. Das dürfte schätzungsweise reichen  für zehn Stunden, also eine oder zwei Wochen. Große Plastikbehälter mit Deckel kaufte sie, um sie im Notfall mit Wasser zu füllen. Und Silberionen- tabletten, um es für sechs Monate haltbar zu machen. Trockenobst, Getreide, Tomatensugo.

Ihre eigene geplatzte Cloud, ihr bemühtes, aber gescheitertes Leben, hat sie angeschaut in jenem Sommer. Alles hat sie fein säuberlich zerlegt und pulverisiert. Dann stand sie im Nebel des Pulver- rauchs und hoffte nur noch und betete.

Die Zeit schlug sie tot mit extensivem Laden- diebstahl, der sie zusammen mit der Seuche, der Angst, befallen hatte. Früher hatte sie ihre Einkäufe immer bezahlt. Doch mit der Seuche hörte sie auf zu zahlen und steckte nur noch ein. Wenn sie armen Menschen begegnete, gab sie ihnen Geld. Wenn sie Lust auf Alkohol hatte, klaute sie eine Flasche Châ- teauxneuf-du-Pape und trank sie allein, kotzte allein und bereute es auch allein.

Oft hatte sie Angst, dabei erwischt zu werden, wie sie sich eine eigene Welt erschaffen hatte nach ihren Vorstellungen. Da war ihr wiederkehrender Traum von der falschen Münze, auf der das Wort Freiheit stand, wegen der sie verhaftet wurde. Der Traum von Freiheit.

Die Einsamkeit war schwer zu ertragen. Auch auf ihrem imaginären Gipfel war sie allein. Vor allem abends hätte ihr ein bisschen Sex oder Zärtlichkeit oder nur schon Berührung gutgetan. Aber die Straßen waren leer. Nur Katzen kreuzten immer wieder ihren Weg und holten sich bei ihr Streichel- einheiten. Ihr Schnurren tat gut.

Der neue Campingkocher war für sie eine Offen- barung. Sie saß vor dem Supermarkt in der warmen Herbstsonne von Halloween. Genüsslich nahm sie das Ding aus dem Karton und las geduldig die An- leitung, die glücklicherweise kurz und schmerzlos war. Als sie ihn auspackte, staunte sie. Nur ein  Knopf, an dem man drehen musste. Und ein Klick und eine Drehung, um eine neue Gaspatrone ein- zusetzen.

Das einfache Leben muss sehr wohltuend sein. Offensichtlich hatte ein guter, praktisch veranlagter Mann die Anleitung geschrieben. Sie verspürte Freude, die sich in Lust verwandelte, diesen Mann kennenzulernen und mit ihm zu ficken.

Fast jede Nacht träumte sie von Männern, die sie fickten, ihre Muschi leckten oder einfach nur am Strand etwas erzählten von ihren Chakras, während sie zuhörte und ihren Schwanz in den Mund nahm.

Im Wald fand sie immer die Ruhe, die sie brauchte, und machte Fotos von klitzekleinen Pilzen oder Hohlräumen im Wurzelwerk riesiger Bäume.

Zwei Tage nach Halloween machte sie eine besonders schöne Wanderung. Sie ging einen Bach entlang, der zu einem Wasserfall führte. Bei der ers- ten Wanderpause las sie die Zeitung und freute sich über Artikel, die Vernunft erkennen ließen.

In einem der Artikel ging es um die Provo- kationen eines französischen Satiremagazins gegen den Islam. Der Autor wollte eigentlich den Unter- schied zwischen Terror und Islam verdeutlichen. Ein positiver Ansatz. Eine gute Arbeit am Verdorbenen. Man kann jede Religion verteufeln. Aber das Chris- tentum ist für die größten Genozide verantwortlich. Die westliche Arroganz neigt jedoch zu professio- neller Vergesslichkeit. Alzheimer passt insofern gut zu ihm. Dem Westen.

Im letzten faschistischen Seuchen-Sommer sind die Menschen kaum wiederzuerkennen.

Die meisten Männer werden meschugge. Sie schlagen einander die Köpfe ein, spielen Fußball, morden und vergewaltigen.

Die meisten Frauen rasieren sich den Kopf. Indem sie sich eine Glatze scheren, schlagen sie zwei fette Fleischfliegen auf einen Streich. Zum einen ent- fernen sie ihr Karma, um geläutert, leicht und schnell sterben zu können. Sie denken ständig an den Tod, weil die Zeit-Künstler der Medien die Hirne fluten mit der Botschaft, dass es im Leben nur um den Tod gehe. Früher dachten Frauen oder Männer «nur an das eine». Ficken war es früher. Heute ist es der Tod. Der Champagner ist alle. Die Kondome sind leer.

Die zweite Fleischfliege, die geschlagen werden soll mit der Glatze, ist das Abwenden einer Vergewal- tigung, indem man total hässlich aussieht. Aber wie der französische Schriftsteller so schön geschrieben hatte, was zählt, bei einer Frau, ist nur die Muschi.

Bei manchen Männern verhält es sich genau um- gekehrt. Sie laufen mit Frauenkleidern herum, am liebsten tragen sie blonde Perücken und Miniröcke und lassen sich vergewaltigen.

Die wenigsten von ihnen, echte oder Möchtegern- Männer, bemühen sich aufrichtig, eine Frau zu er- obern und sie zu schützen. Es könnte die letzte Frau sein in ihrem Leben. Leben!

Nach zwei Monaten der Gewalt wird es den Men- schen zu viel. Es treibt sie aus sich selbst heraus. Das Leben treibt sie – gegen den Tod.

Die Ersten, die sich bemerkbar machen, sind die jungen Leute. Sie tragen schwarze Klamotten, rotten sich auf öffentlichen Plätzen zusammen, provozieren, spielen laute Musik und tanzen.

Gute Besserung!

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Der Franzose geht spazieren. Sein Hund ist sein bester Freund. Er hat seine Seele gerettet.