(IX) Khi-Chi Kokoyama Petch-a-boon
Da schau her, wie von Henley vorhergesagt, die Szenerie am Alanis hat sich erheblich geändert. Helle Aufregung herrscht vor, aufgrund eines noch nie dagewesenen Ereignisses.
Seit den Integrationsgesetzen, vor über hundert Jahren, ist noch nie ein Schüler auf dem Campus angegriffen worden, geschweige denn sogar entführt.
Freilich ist das Alanis College für angewandte Wissenschaften noch älter, die glorreiche Geschichte reicht insgesamt weit mehr als tausend Jahre zurück. Ob dort schon solches Verbrechen vorgekommen ist bedarf Investigation, Regis Vekter wüsste dies genauer.
Aufgeregt fuchtelt ebendieser gerade rum, der Schuldirektor ist bereits am Ort des Geschehens eingetroffen, samt Chefsekretärin Schabernack in seinem Dunstkreis.
"Wo bleibt die Kripo?" stößt er hilflos hervor. Hippolyta Schabernack macht eine ebensolche Geste. Ganze Trauben Internatsschüler mit fragenden Gesichtern stehen um den Hotspot herum. Hier am Tatort, direkt vor dem Mädchentrakt des Colleges.
Die meisten von Ihnen wissen nur dass irgendwas Schlimmes passiert sein muss. Geschickt reihen sich Henley, Mikkel und Svinenysh ein, finden dank Svinenysh’s Gelenkigkeit sogar einen Platz in der ersten Reihe.
Irgendjemand kommt angestürmt: "Macht Platz! Aus dem Weg! Ich übernehme das!" Henley dreht den Kopf.
Oh nein, es ist ausgerechnet Liubomir Iliev, der altgediente Lehrer für Militärgeschichte und Henleys Intimfeind seit Stunde null.
Direkt am Tatort angekommen reißt er ein Stück Papier zuerst in die Luft und hält es dann dem Direktor vor die Nase.
"Hier Vekter: von Pavel Rebelkov persönlich. Dieser Ausnahmefall braucht Kompetenz. Ich Höchstselbst als Militärexperte werde hier für Klarheit sorgen. Kleinigkeit für meinen Spezialkrisenstab. Diese Jungs haben schon komplizierteres gelöst."
Gespannt greift Regis Vekter nach dem Dokument. Seine Stirn runzelt sich. Er weiß sofort: Selbst als Direktor des letzten Bollwerks der Freiheit hat er keine Chance sich der Doktrin des obersten Generals Ihrer Majestät zu wiedersetzen.
Komisch bleibt’s schon. Wieso Rebelkov persönlich? Was hat das Militär mit einem Kriminalfall zu tun? Sind es die Zeiten? In der Tat: Gefahr liegt über dem Land und jeder spürt es.
So also nickt Regis Liubomir zu, nimmt Hippolyta ins Schlepptau und entfernt sich von der Szene. Allerdings sei angemerkt, wer denkt einer vom Kaliber Vekter wird so leicht kaltgestellt, der hat sich getäuscht.
Svinenysh zieht eine massive Schnute, entgeistert meint er Richtung Henley: "Diese Gestalt Iliev? Der Leiter Suchung? Nein, oh! Henley los, investigieren selbst sofort tada, wir!"
Voller Tatendrang blickt er seinen besten Freund dabei an.
Henley erkennt die Brenzlichkeit der Situation und murmelt zurück: "Zuerst verdünnisieren wir uns. Wenn der alte Sack uns hier sieht… Ja Svino. Wir nehmen das selbst in die Hand, wie damals. Die Frage ist nur wie? Erinnert mich an irgendwas. Los Jungs, Abflug!"
Unauffällig, scheinbar teilnahmslos drehen sich Henley und Mikkel um und verlassen den Schauplatz. Svinenysh jedoch ist überfordert. Er versucht nun gelassen zu schauspielern obwohl er höchst angespannt ist, was völlig in die Hose geht.
Er zuckt mit den Schultern und pfiffelt hilflos dabei. Dazu grinst er abwechselnd und macht seinen berühmten Fragezeichen Rundmund. Zum Glück belegt Svinenysh keine Militärgeschichte denn gerade eben fällt sogar dem selbstverliebten Iliev eine auffällige Gestalt im Augenwinkel auf… zu spät!
Ab reihe Zwei macht sich der junge Ruba klein und schlängelt sich irgendwie zwischen den Schülern nach draußen.
Dort in der Dämmerung sind Henley und Mikkel bereits in heftiger Diskussion vereint. Zack, hoppelt Svino rüber und quakt mit großen Augen: "Plan was ist?"
"Stars" meint Henley, an seine Freunde gewandt: "eigentlich ist doch klar was los ist..." Zwei leere Gesichter schauen zurück.
"Also, überlegt mal: Wer ist hier am gesamten Campus Patchara’s beste Freundin?" Mikkel nickt bedächtig, aber Svinenysh denkt scharf nach, dann grunzt er leise "Regina?" vor sich hin, Henleys Ironie bleibt Ihm verschlossen. Der junge Ruba denkt einfach zu geradlinig.
Henley fährt fort: "Habt Ihr die Rottweil vorhin gesehen? Normalerweise steht die doch am fettesten da, wenn sowas ist."
"AAAh" kreischt Svinenysh unter Strom, jetzt ist auch er auf dem Dampfer: "Genau, Jawohl, pfauschlau es ist das! Lösung gelöst!"
"Pssst" flüstert Henley "wir sind noch zu nah. Ja, Svino, ich glaub wir alle drei Wissens. Aber…" er macht eine Pause
"Verdammt, das erinnert mich alles so sehr an damals, vor drei Jahren. Deine Tante Ravenosch… wie hatte Sie doch recht" sinniert Henley.
" Jetzt haben wir dasselbe Problem erneut. Wie beweisen wir unsere Theorie? Diesmal brauchen wir mehr als Ideen und Aktionismus. Wir benötigen einen Plan."
Svinenysh reibt sich die Schläfe, Mikkel kratzt sich an der Stirn. Dann meint Henley: "Es ist schon spät. Was sollen wir jetzt noch großartig unternehmen? Aber morgen legen wir los!"
Er findet wenig Schlaf in dieser Herbstnacht, der junge Prinz zu Westerburg. Bestimmt geht es seinen Freunden, insbesondere Svinenysh, genauso.
Der nächste Tag. Die drei treffen sich zum Unterrichtsbeginn. Es gibt zwar einen direkten Weg von Henleys Quartier rüber zu den Klassenzimmern des Alanis, dennoch wurde vereinbart nochmal am Tatort vorbeizuschauen.
Eine Entscheidung von einschneidender Wichtigkeit.
Kurz vor Ihrem Eintreffen wird Henley von Svinenysh abgelenkt, er schaut rüber. Fragezeichen hoch Zwei-Ausdruck im Gesicht, Klappe nach unten stoppt dieser abrupt. Dann stammelt er ungläubig: "Was? Patschala aussieht wie?" und zeigt mit seinem Finger Richtung Reginas Fundort gestern.
Die angesprochene junge Dame bzw. das in Frage kommende Mädchen erkennt die drei Jungs nun auch. Oh lala, selbst Henley zieht überrascht die Augenbrauen nach oben.
Vor Ihnen steht tatsächlich eine höchst Identische Kopie Ihrer Freundin, der jungen Diplomatin Patchara Petch-a-boon. Nur mag Sie naja, etwa zwei Jahre älter sein.
Die Ähnlichkeit ist frappierend, aber es gibt auch Unterschiede. Einem Kenner wie Henley fallen diese sofort ins Gesicht. Ist Patchara trotz all Ihrer Contenance doch auch des Öfteren ausgelassen, so fehlt letztere Eigenschaft bei Ihrer älteren Schwester Khi-Chi Kokoyama augenscheinlich.
Freilich kann es auch mit der Entführung zusammenhängen, aber nein, selbst die eigenen Agenten Ihres Clans scheinen für Sie durchsichtig. Sie hat was königliches, aber auch Einsames. Eine seltsam abweisende kühle Aura. Zumindest für Fremde.
Sie schreitet auf Henleys Truppe zu, zwei Ihrer schicken Agenten folgen Ihr. Sie begrüßt Henley mit Handschlag:
"Hallo, Ich bin Khi-Chi Kokoyama Petch-a-boon, Patcharas ältere Schwester. Ich weiß wer du bist, junger Prinz."