Es war einmal eine Frau, die hatte alte Geschichten überaus gern. Zufällig kam es einmal dazu, daß sie mit einer anderen Frau unterwegs war. Sie bat die Frau, mit der sie unterwegs war, darum, doch eine Geschichte zu erzählen. »Was für eine Geschichte soll ich denn erzählen?« fragte die. »Mir ist jede Geschichte recht!«
Da gerade sahen sie einen Storch in einem Reisfeld niedergehen. »Ja, müßig lauft ihr da hinein. Rundherum seht ihr euch um. Da, ein Auge, das zu uns guckt!« — und damit, sagte sie, sei alles erzählt.
Die Frau, die Geschichten so gern hatte, bat, doch weiterzuerzählen. Aber die andere sagte: »Schluß damit, wir wollen einfach unseres Weges gehen«, und die Frau, die Geschichten so gern hatte, sah ein, daß nichts zu machen war. Schließlich gingen sie auseinander, jede nach Hause zurück.
Nach dem Abendessen prahlte die Frau, die Geschichten so gern hatte, vor ihrem Mann damit, daß sie eine neue Geschichte gehört habe, und fing an zu erzählen: »Ihr lauft da einfach hinein« — und gerade da war ein Dieb ins Haus gekommen, und der erschrak, als er sie so erzählen hörte. Rundherum sah er — und da erzählte sie: »Rundherum seht ihr euch um.« Um herauszufinden, woher die Stimme kam, drückte der Dieb sein Auge an ein Loch in der Tür und sah hinein — und gerade da erzählte die Frau: »Da, ein Auge, das zu uns guckt!« — und der Dieb dachte, daß er gemeint sei — da sprach er zu sich selbst: »Liebe Beine, bringt mich in Sicherheit«, zog sich vorsichtig zurück und machte sich davon. In diesem Haus aber ließ sich fortan kein Dieb mehr blicken.