Was ich jetzt erzähle, wurde mir einst aus dem Buche Yodschisungnam[2] vorgelesen. Das Buch wurde bereits vor fünfhundert Jahren geschrieben, aber es heißt darin, daß die »Sage von den drei Löchern« aus der ältesten Überlieferung stamme. Die Sage lautet:
Im Anfange war kein Mensch vorhanden, aber drei Geister kamen aus der Erde hervor; sie hießen Ko, Pu und Yang. Diese nahmen einen Menschenleib an, spielten und jagten in unwirtlicher Gegend; sie trugen Kleider aus Fellen und aßen Fisch.
Eines Tages bemerkten sie, daß ein mit violettem Lehm ausgefugter Holzkasten vom Ostmeere her auf dem Wasser geschwommen kam. Sie gingen neugierig hin, öffneten und fanden im Innern einen weiteren Steinkasten. Ein Bote stand davor, mit rotem Gürte und violettem Gewande bekleidet. Sie öffneten nun auch diesen zweiten Kasten und erblickten drei wunderhübsche Mädchen in blauem Gewande, ferner mehrere junge Pferde, Rinder und andere Tiere, sowie die Samen der fünf Getreidearten.
Der Bote aber sprach: »Ich bin von Yamato[3] abgesandt. Unser König hatte diese drei Töchter und sagte: ,Im Westmeere sind auf einer gebirgigen Insel drei Geisterkinder erschienen. Sie wollen das Land erschließen, haben aber keine Gemahlinnen.‘ Darum habe ich den Befehl erhalten, mit den drei Mägdlein hierher zu kommen, sie zu verheiraten und so ein großes Werk zu vollenden.«
Kaum hatte der Bote dies gesprochen, so verschwand er plötzlich in den Wolken. Die drei hielten nun der Reihe nach Hochzeit und gingen an einen Ort, wo süßes Wasser und schwarze Erde war. Dann schossen sie mit Pfeil und Bogen und bestimmten auf diese Weise ihre Wohnorte. Yang siedelte sich im ersten Distrikt an, Ko im zweiten und Pu im dritten. Von dieser Zeit begannen sie, die fünf Fruchtarten zu säen, zogen Pferde und Rinder auf und seitdem gibt es dort viele Tiere und Pflanzen[4].
Der blinde Sänger schwieg. Im Tschangsu aber, der wie alle mit größtem Interesse der Erzählung gelauscht hatte, berichtete nun, wie er vor mehreren Jahren auf der Insel Tschedschu[5] im Süden des Landes gewesen und dort außerhalb der gleichnamigen Hauptstadt den Ahnentempel mit den drei Löchern vorgefunden habe.
»Heute noch«, so fuhr er fort, »sind die drei Erdlöcher vorhanden; dahinter ist ein großer Gedenkstein mit der Aufschrift ,Samhyol‘[6]. Die Gegend ist auch heute wie vor vielen tausend Jahren unwirtlich. Steine und Geröll füllen Äcker und Wege. Höfe und Felder sind von schwarzen Steinmauern eingefaßt und verleihen den Siedlungen ein merkwürdig düsteres Aussehen. Aber inmitten der Insel erhebt sich majestätisch der hohe, heute erloschene Vulkan Hallasan[7], von dessen Spitze aus man die herrlichste Aussicht auf das weite Meer im Süden und die zehntausend Inseln im Norden genießt. Die Bewohner dort, besonders die Jäger und Kohlenbrenner, tragen heute noch wie vor tausend Jahren Kleider aus Tierfellen; Hirse und Fische bilden ihre hauptsächlichste Nahrung. Der Kasten kam von Yamato geschwommen, und von dorther, so sagt man, sind in den ältesten Zeiten schon Völkerschaften in unser Land eingezogen und auch nach dorthin zurückgekehrt, denn im gesamten Gebiet von Nara lebten einst die gleichen Bewohner wie in unserem Reiche Tschoson. Daß es auf der Insel heute noch viele Pferde gibt, die bis hinauf zum Kraterrand wild weiden, ist ja allgemein bekannt. Deshalb hat auch Hol-p‘ilyul (Kublai-khan) dort eine Pferdezucht eingerichtet. Tschedschu war auch durch seine Schiffsbaukunst berühmt, und eben dieser Hol-p’ilyul ließ hier einen Großteil seiner Flotte, die Japan einnehmen sollte, erbauen.
Die Farbe der Kleidung des Boten und der Mädchen ist auch heute noch beliebt, doch kommt das Braunrot der Kamifrucht[8] in Bluse und Filzhut hinzu. Die fünf Getreidearten aber sind Reis, Hirse, Gerste, Hanf und Bohnen.«
Als der Hauswirt seinen Bericht beendet hatte, nickte zustimmend der blinde Sänger und sagte: »Die Sage von den drei Löchern ist vorzüglich im Süden unseres Landes verbreitet. Im Norden dagegen ist es die Sage von