Unter dem Odong-baum, Koreanische Sagen und Märchen by Tr.​Andrea Eckardt - HTML preview

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ZUR KOREANISCHEN LITERATURGESCHICHTE

 

Die gesamte Literatur Koreas bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts ist bedingt durch die Übernahme der chinesischen Schrift um die Zeitenwende. Wenn auch die offizielle Übernahme chinesischer Klassiker in den drei Reichen (Samkuk), nämlich in Kokuryo erst für das Jahr 372, in Päktsche um 390 und in Silla im sechsten Jahrhundert, erwähnt wird, so ist doch durch die Ausgrabungen im Gebiete der chinesischen Provinz Naknang (chinesisch Lolang, japanisch Rakuro), nahe bei P’yongyang, bewiesen, daß mit den Jahreszahlen von 85, 23, 16, 8 v. Ztw., 3, 45, 52 bis 69 n. Ztw. datierte Lack- und Tongefäße aus Innerchina (Ssetschuan) nach Korea eingeführt wurden, daß somit die chinesische Schrift schon in den ersten Jahrhunderten hier bekannt war. Es wäre unverständlich, wenn die Koreaner, die ständig mit den chinesischen Behörden verhandeln mußten, von dieser Schrift keine Kenntnis gehabt haben sollten.

Die wiederholte Erwähnung der »Hochschulen« in den drei Reichen läßt weiter darauf schließen, daß sich die Schrift als solche im vierten Jahrhundert eingebürgert hatte. Dem gelehrten So Kwang (352 bis 425) werden zahlreiche Kommentare zugeschrieben. Von Päktsche aus (36 vor bis 660 n. Ztw.) kam der Konfuzianismus (und Buddhismus) erst spät nach Japan. Wenn im Nihongi (X, 10) berichtet wird, daß schon im Jahre 285 n. Ztw. der koreanische Gelehrte Wa-ni (koreanisch Wang-in) aus Päktsche als Lehrer des Prinzen und Thronerben Uji no Waka-iratsuko nach Japan berufen worden sei, so handelt es sich hier wohl um eine Vordatierung um etwa einhundertzwanzig Jahre (vergleiche O. Nachod: Geschichte von Japan. 1929, Band 1, Seite 71 ff.).

Als Reaktion gegen das »fremdländische« Chinesisch wurden in Kokuryo um 425 die einheimischen Namen wieder eingeführt. König Nuldschi (417 bis 458 n. Ztw.) machte den Anfang. Ein Zeichen, daß der Pflege des Koreanischen (einer mehrsilbigen, agglutinierenden Sprache, vollständig verschieden vom Chinesischen und Japanischen) neue Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Ein Merkstein in der alten Geschichte Koreas bedeutet die Erfindung des Nido (auch Nidok, Nimun) [153] durch den buddhistischen Gelehrten Soldsch’ong um 690. Diese Schrift ist aus vereinfachten chinesischen Zeichen gebildet und wird als Silbenschrift zur Umschreibung koreanischer Worte und Endungen gebraucht. Der ursprüngliche Begriffscharakter der Schrift geht natürlich dabei verloren, sie erhält rein phonetischen Charakter, ist aber für das nun folgende Schrifttum von höchstem Einfluß. Die Art, wie die klassischen chinesischen Schriften gelesen und kommentiert wurden, ist aus dieser Schrift, die sich bis heute erhalten hat, zu ersehen: es sind Lesezeichen für rein chinesische Texte.

Soldsch’ong war Minister am Hofe des Silla-Königs Sinmun (681 bis 692), unter dessen Regierung Kunst und Dichtung neu erblüten. Auf seine Veranlassung hin wurde auch der für die Gesamtdichtung Koreas wertvolle Versuch gemacht, die grundverschiedenen Mundarten Koreas zu einer einheitlichen Sprache zu entwickeln. Es wurde dies durch die neue Schrift ermöglicht.

Die prunkvollen Tafelfeste der Könige von Silla einerseits neben Intrigen am Hofe und unverantwortlicher Luxus führten zum allmählichen Verfall, andererseits wurde Musik und Poesie besonders gepflegt. Eine große Anzahl von Liedern, in Nido geschrieben, teilweise noch nicht entziffert, stammt aus jener Zeit. Es sind Gedichtsammlungen, die an Li Tai-po und seine Vorliebe für Weinlieder erinnern.

Als großer Literat jener Zeit darf der Minister Tschö Tschiwon[154] gelten.

936 wurde Korea nach Einverleibung von Neu-Päktsche unter Silla geeinigt.

Eine der bedeutenden Taten war unter König Song dschong (982 bis 997) der Druck des buddhistischen Sammelwerkes »Tripitaka« (»Dreikorb«), der 991 vom chinesischen Hofe der Sung nach Korea kam, auf Holzplatten. Ein Stück dieses wertvollen Werkes befindet sich in der Kaiserlichen Staatsbibliothek in Tokyo.

Koryo (936 bis 1392) überliefert eine Reihe von Geschichtswerken, unter denen das »Koryo-sagi« einen besonderen Platz einnimmt. Die Mongolenherrschaft unter Kublai-Khan (koreanisch Hol-p’ilyul, 1264 bis 1294) veranlaßte die koreanischen Könige, mongolische Prinzessinnen zu heiraten, mongolische Räte und Minister zu übernehmen. Damals dürfte auch die neue mongolische Schrift Pa-sze-pa ihren Weg nach Korea genommen und in ihrem quadratischen Aufbau die Grundlage für die spätere koreanische Buchstabenschrift »Un-mun« gebildet haben. Als Literat bedeutend war Tschung Mongdschu (1352 bis 1392).

Unter der J-Dynastie (1392 bis 1910) entsteht eine neue Blüte der Dichtkunst. Vorab waren es die koreanisch, konfuzianisch eingestellten Gelehrten, der Adel und die an der Hallim-Akademie von Soul gebildeten Literaten, welche die philosophischen Werke Alt-Chinas von neuem kommentierten und neue Anschauungen vertraten. Dann wurde die Geschichte in einer Reihe vorzüglicher Werke niedergelegt, so zum Beispiel das „Koryo-sagi«. In Anlehnung an die chinesischen Dichterfürsten der T’ang- und Sungzeit endlich, wurde Poesie und Prosa gepflegt.

All dies geschah noch in chinesischer Schrift. Den Koreanern dieser und der späteren Zeit wird nachgerühmt, eine bessere, reinere und schönere chinesische Prosa geschrieben zu haben als die gleichzeitigen Literaten des Mittelreiches.

Einen besonderen Anstoß und bedeutende Förderung der Gesamtliteratur Koreas gab die Erfindung der Buchdruckerkunst mit beweglichen Metallettern unter J-T’ädschong (1400 bis 1418) im Jahre 1403, also fünfzig Jahre vor Gutenberg. Obwohl China schon um 1200 Holztypen kannte und zu Siegeln und anderem verwendete und auch die mongolischen Herrscher den Versuch zum Typendruck mit gebrannten Tonlettern unternommen hatten, war es diesen doch nicht geglückt, die Typen zum Buchdruck zu fügen und das Werk zur Vollendung zu führen. Korea gebührt der Ruhm, nicht nur diese Typen nach besten Schreibvorbildem zu gießen, sondern auch zum Satz zusammenzuschließen. Es wurden Hunderttausende chinesischer Schriftzeichen in Kupfer gegossen. Verschiedene der damals gedruckten Bücher sind heute noch erhalten und von einer solchen Genauigkeit und Sauberkeit des Druckes, daß sie kaum von handgeschriebenen Büchern zu unterscheiden sind. Alle paar Jahre wurden neue, noch feinere und kleinere Schriftmodelle für den Guß geformt. Bis zum Beginn des siebzehnten Jahrhunderts erwähnen die koreanischen Annalen, zusammengefaßt in der achtundneunzigbändigen Enzyklopädie »Munhon-pigo«, siebzehnmal diese Tatsache des Neudrucks. Als einmal das Kupfer knapp zu werden drohte, befahl der König kurzerhand die Einschmelzung von Glocken buddhistischer Tempel.

Die Zeitgenossen anerkannten denn auch in einer Reihe von Schriften den geschichtlichen Wert der Erfindung.

Die Schwierigkeiten des Gusses von Tausenden verschiedenen Typen mag zu einer zweiten epochemachenden Erfindung geführt haben, die dem König Sedschong (1418 bis 1450) zugeschrieben wird: die Festlegung einer eigenen koreanischen Buchstabenschrift Unmun, »Volksschrift« genannt, mit nur fünfundzwanzig (zuerst achtundzwanzig) Buchstaben im Jahre 1446 n. Ztw.

Die neue Schrift, die wie die chinesische von oben nach unten verläuft und die einzelnen Buchstaben zu Silben verbindet, ist so einfach, daß sie kaum als Nachbildung irgend einer bereits vorhandenen Schrift, zum Beispiel des Devanagari (Sanskrit), sondern nur als Neubildung und somit als wertvolle epochale Erfindung gefaßt und verstanden werden kann. In dem königlichen Erlaß, dem »Hunmin tschongum« (»Richtige Lautschrift zur Belehrung des Volkes«), wird besonders erwähnt, daß die Schrift so leicht sei, daß ein Fleißiger sie an einem Morgen, und selbst ein Beschränkter im Laufe einer Woche erlernen könne.

Auch diese Erfindung findet die Anerkennung und Bewunderung der Zeitgenossen, wenngleich sich unter den strengen konfuzianischen Gelehrten Verächter dieser »Vulgärschrift« gefunden haben. Heute ist das Unmun Allgemeingut des koreanischen Volkes und Grundlage des Schrifttums geworden.

Die Folge dieser beiden Erfindungen brachte schon damals ein Aufblühen der Literatur, beginnend mit dem großen Epos »Yongbi-odschon-ka«, »Lied vom Drachen, der zum Himmel fliegt«, von Tschung Indschi († 1456), der zusammen mit Tsch’ö Pu auch das wertvolle Werk koreanischer Geographie und Geschichte, »Tong-guk t’ong-gam, Vollkommener Spiegel des Ostreiches«, verfaßte, das 1484 von So Kodschong abgeschlossen wurde.

Tschung Indschi schrieb auch die Enzyklopädie »Koryo-ponsa«, vollendet 1451, in einhundertneununddreißig Büchern.

Unter der Regierung des Königs T’ädscho (1392 bis 1399) entstand eine kurzgefaßte Geschichte von Korea, das »Tongmong sunsup« (Verfasser So Song). Die berühmte »Geschichte der drei Reiche« (Kokuryo, Silla und Päktsche), 1123 bis 1147 von dem gelehrten Kim Pusik aus Kyongdschu begonnen, wurde 1394 von Kim Ködu vollendet.

Sind unter der Koryo-Dynastie verhältnismäßig wenig Literaten überliefert, unter anderen Kim Yang-gam (1047 bis 1083), Tschang Kusong (1092 bis 1159), bewundert wegen seiner Offenheit und Geradheit, J Tsch’ungwon, J Yonsong (1275 bis 1314), J Säk genannt Mokun (1352 bis 1375), als einer der bedeutendsten konfuzianischen Gelehrten gerühmt (sein Lehrer war J Tschehyon), und dessen Söhne Tschongdok, Tschongho und Tschongson, sodann J Kok, Mitglied der Hallim-Akademie, dessen Wirken in die erste Hälfte des vierzehnten Jahrhunderts fällt — so steigert sich gegen Ende der Dynastie das literarische Leben: Pak Uidschung, J Su-in, Pak Sangdsch’ung dürften als hervorragende Gelehrte und Schriftsteller gelten.

In der Enzyklopädie »Tong-guk munhonnok« werden drei Klasssen von Literaten aufgeführt.

Zur ersten Klasse, der P’irwon, Schriftenmaler und Dichter, gehören unter anderen J Kuk-kun, Kim Tschongso, Pak Sang (fünfzehntes Jahrhundert); J I (Yulkok), J Hoang, J Sanhä (sechzehntes Jahrhundert); Tschung Tschihoa, Kim Kyonghui (siebzehntes Jahrhundert); Kim Tschunghui, Kim Wonhäng, Kim Sup (achtzehntes Jahrhundert). Viele dieser Dichter und Schriftsteller waren ebenso als Schriftenmaler bekannt. Sie liebten es, ihre Gedichte auf ihre Gemälde und Wandschirme zu schreiben.

Die zweite Klasse, Munhyong, war bedeutend umfangreicher. Es waren die Verfasser von Schriften, wobei sowohl Geschichtswerke, als auch Romane und Gedichtsammlungen einbegriffen wurden. Die hauptsächlichsten Namen sind: Kim Anguk, J Sokhyang, Kim Ilson, Tschong Kwai, Tschung Tsch’angson, Kim Uso, Kim Kam, J Tschang-gon, Pak Sang, Kim Naksu, Kim Iso (fünfzehntes Jahrhundert); J Sanhä, Kim Sangdschol, J Yong-dschong, Kim Tschong-guk Kim Tschangsäng (Schüler des Yulgok), J Tschunggu, J Tschungbo, Kim Inhu, J Tschinmang, J Tokhyong, Tschung Kwangp’il, J Pyongsang (sechzehntes Jahrhundert); J Minso, J Inyop, J Uihyon, Kim Tanha, J Idsch’om (Leiter der Sopuk), J Kwangdschoa, J Kwanmyong, J Sik (siebzehntes Jahrhundert); Kim Yanghang, Kim Tschingyu, Kim Yangt’äk und andere (achtzehntes Jahrhundert); Kim Tscho-sun, Pak Tschusu, Pak Tschung-gyong und andere (neunzehntes Jahrhundert).

Besonders zahlreich ist die dritte Klasse, die der Y u r i m , der konfuzianischen Gelehrten, vertreten. Hervorgehoben werden: J Hoang, zugleich Übersetzer und Kommentator der chinesischen klassischen Schriften, Pak Wonsung, Kim Kam, J Ondschok, J Tschunghak, Kim Tschongso, J Tschang-gon, Tschung Tsch’angson, J Kug-gun, Kim Ilson (fünfzehntes Jahrhundert); J I (Yulgok), Tschung Yodschang, J Kü (Schüler des Yulgok), So Myongung, J Kyongsok, Tschung Tsch’ol, Tschung Yukil, der bereits mit siebzehn Jahren graduierte, Tschung Tschiyon (als bedeutendes Talent gerühmt), Kim Toksa, Tschung Yodschang (sechzehntes Jahrhundert); Kim Ju, Kim Tsch’anghyop, Tschung Tsch’angyon, Kim Mandschung, Kim Tschamyong, Kim Tschäro, Kim Kyonghui, Kim Hunggyong, Kim Hyonsong (siebzehntes Jahrhundert); J Yongyong, Kim Tsch’i-in, Kim Toksu (achtzehntes Jahrhundert); So Yongbo (Sohn des Yusin), J Mansu und andere (neunzehntes Jahrhundert).

J I (Yulgok), J Hoang und Tschung Yodschang wurden als Heilige in den Kungfutse-Tempel zu Soul aufgenommen und vor deren Namenstafel alljährlich Opfer dargebracht.

Erwähnung verdient die »Geschichte der Koryo-Dynastie« (Hui-dsch’an ryosa) in zweiundzwanzig Bänden von Hong Yoha, um 1690 verfaßt. Ein Stück wird in der Ecole des Langues Orientales in Paris aufbewahrt.

Seit etwa 1450 werden, neben in reinem Chinesisch abgefaßten Gedichten, die sich besonders nach der Poesie der T’ang- und Sung-Zeit richten, epische und lyrische Gedichte, die Zeile in acht Silben, in gemischter Sprache (Koreanisch und Chinesisch) überliefert. Die Lyrik bevorzugt Naturschilderung, Mondgedichte, Wein- und Liebeslieder. In den Romanen der J-Dynastie (1392 bis 1910) werden mit besonderer Vorliebe die Heldentaten im Kampfe mit den Chinesen, Mongolen und Japanern beschrieben und mit dem Leben der Helden verbunden.

Um die Jahrhundertwende trat insofern eine Wandlung ein, als die koreanische Sprache und Buchstabenschrift in den Vordergrund trat und eine Reihe von Romanen und Erzählungen in reinem Koreanisch abgefaßt wurde. Das Unmun (Volksschrift), einst von den Literaten mißachtet, aber vor allem durch das religiöse Schrifttum der westlichen Missionare ins Volk eingedrungen, war allmählich Gemeingut des Volkes geworden und wurde nunmehr auch in den Lehrplan der Schulen aufgenommen. Selbst die Zeitungen wurden entweder in rein koreanischer Schrift gedruckt, oder dort, wo chinesische Zeichen eingesetzt waren, mit nebenstehender koreanischer Aussprachebezeichnung versehen.

Von den neueren Dichtern machten sich J Sangdschun, zugleich Komponist und Verfasser einer Reihe von Schriften und Liedern, und J Kaktschungi einen Namen. Literaten von Ruf waren Pak Tschunghoa, Herausgeber des Chinesisch-Koreanisch-Japanischen Lexikons »Ilson Tä-dschadschon«, und J Tschungsik, Verfasser des »Han-il Sin-Okp’yon«, gleichfalls eines Chinesisch-Koreanisch-Japanischen Wörterbuches.

Eine führende Rolle im nationalen Schrifttum des Landes nehmen Tschang-Myup, Herausgeber der »Kyunghyang-sinmun«, und J Kongu, Herausgeber der koreanischen Tageszeitung »Tonga Ilbo«, ein, der zahlreiche Romane und Novellen schrieb. Die Zahl der Monatshefte und Zeitschriften nahm seit 1905 ständig zu, der Inhalt erhob sich jedoch nicht über die Mittelmäßigkeit.

Beliebt wurde eine Dialogform, wie sie in diesem Buche zur Sprache kommt: aus irgendeinem Anlaß benutzten mehrere Personen die Gelegenheit, sich Geschichten, Ereignisse, Märchen, Fabeln usf. zu erzählen, um sich einerseits beim Ausruhen zu unterhalten, anderseits gegenseitig zu belehren, ganz abgesehen davon, daß der Koreaner der älteren Zeit »Kugyong« (Spaziergang und neugieriges Umherblicken) und »Jyägi« (Erzählen) über alles liebte. In glücklicher Weise werden bei dieser Dialogform gleichartige Erzählungen aneinander gereiht und die Aufmerksamkeit des Lesers auf das Kommende gelenkt.

Vertreter dieser für das koreanische Schrifttum neuen Richtung waren unter anderen Kim Pongdsche, Yu Yomdscho, Kwon Kerang und O Tschangsik, von denen im Vorausgehenden Proben ihrer Erzählkunst geboten werden.

Kim Pongdsche, aus Soul stammend, geboren um 1865, war einer der bedeutendsten Literaten des neueren Korea. Unermüdlich arbeitete er — später mit mir zusammen — in den beiden großen Bibliotheken von Soul. Viele seiner Gedichte wurden in der Tageszeitung »Tschoson-Sinmun« veröffentlicht, wurden aber nie in Buchform herausgegeben. Die von mir angefertigte Sammlung ist auf dem Seeweg zusammen mit anderem wertvollen Material verloren gegangen. Einige Sagen, unter anderem die Erzählung »Der blinde Sänger«, hörte ich aus seinem Munde. Ich habe den Wortlaut unmittelbar anschließend aufgezeichnet, so daß ich ihn im Original mitteilen kann.

Kim Pongdsche starb 1932 in Soul. Seine Familie zog nach Puk-Kanto, dem koreanischen Auswanderungsgebiet in der Mandschurei.

O Tschangsik, geboren 1872, stammte aus einer alten Adelsfamilie aus Tägu. Sein Vater war Literat der alten konfuzianischen Schule. Er selbst, äußerst talentiert und belesen, hatte den ganzen Lehrgang der alten Schule durchgemacht und war zudem im Elternhause von seinem Vater in der Metrik unterwiesen worden, so daß er sowohl nach chinesischem wie koreanischem Versmaß seine Gedichte, meist lyrischen Inhalts, verfassen konnte.

Vorliegende Erzählungen »In der Dorfschenke«, aus der Märchenwelt Koreas, sind ein kleiner Ausschnitt aus den vielen Erzählungen, mit denen er mich allabendlich unterhielt, während wir einsam, oft bei Mondenschein, durch die wogenden Reis-, Mais- und Hirsefelder wanderten.

Kwon Kerang, dem ich die koreanischen Fabeln, zusammengefaßt in dem Abschnitt »Der Dorfschulmeister«, verdanke, wurde in Suwon, einem idyllisch gelegenen Städtchen südlich von Soul, um 1885 geboren. Nach Absolvierung der koreanischen Mittelschule besuchte er einige Jahre hindurch in Japan die Höhere Schule. Sein Spezialstudium war Literatur und Zeitungswesen. Mehrere Romane aus seiner Hand wurden in verschiedenen Monatsschriften gedruckt. Die Fabeln, die in vorliegendem Bändchen veröffentlicht werden, habe ich in persönlichem Umgang in den Jahren 1922 und 1924 aus seinem Munde gehört. Es ist nur ein kleiner Bruchteil des Sagenschatzes des koreanischen Volkes. 1929 ging Kwon Kerang mit seiner Familie nach Japan und soll dort 1934 verstorben sein.

Yu Yomdscho stammte aus P’yongyang, der ehemaligen Hauptstadt des alten Tschoson-Reiches, von Kokuryo und der nordkoreanischen Republik. Er war ein hochgebildeter Mann, konservativ und doch modern. Noch als Vierzigjähriger besuchte er von 1904 bis 1908 die Dolmetscherschule in Soul und legte das Dolmetscherexamen in Französisch ab. Sein Lehrer war der Franzose Monsieur Martel. Ich lernte Herrn Yu bereits im Jahre 1910 in Soul kennen und habe viele angenehme Stunden mit ihm verbracht.

Die in diesem Buche der Öffentlichkeit übergebenen Erzählungen »In der Waldhütte« sind altkoreanisches Sagengut und wurden mir im Laufe des Jahres 1913 mitgeteilt. Ich schrieb sie sogleich nieder und ließ mir den Text korrigieren, um sicher zu gehen. Die verbindenden Worte, die ich etwas kürzte, um Wiederholungen zu vermeiden, stammen gleichfalls von Yu Yomdscho. Der koreanische Text für die Übersetzungen liegt mir vor.

Yu Yomdscho hat außer verschiedenen Aufsätzen in Zeitungen nichts veröffentlicht. Aus wirtschaftlichen Gründen mußte er 1925 aus seiner Heimat auswandern. Ich habe seither nichts mehr von ihm gehört, vermute jedoch, daß er noch vor 1928 gestorben ist, da er in letzter Zeit sehr leidend war.

Das koreanische Schrifttum während der Zeit japanischer Herrschaft folgte vielfach dem japanischen Vorbild. Ihre scharfen Gegner waren die von Rußlands Literatur beeinflußten Schriftsteller der neuen freiheitlichen Richtung, welche unter anderem die Not der Land- und Fabrikarbeiter zum Thema wählten. 1934 und noch durchgreifender 1940 verboten, lebte die Bewegung 1945 wieder auf. Ihre Hauptvertreter sind J Dschiyon, bekannt durch die Romane »Heimat«, »Arme Menschen«, »Festliche Lichter« und »Land«; Tschan Solya durch den Roman »Dämmerung«; J Tädun durch den Roman »Bauernland«, sowie neuere Dichter wie J Pukmun, Kim Namdschon, Tschö Mundschi und andere mehr. In den Sammelwerken »Das große Verdienst« und »Ewige Freundschaft« (erschienen 1949) kommen verschiedene Dichter und Prosaiker der alten und neuen Generation zu Wort. Wenn in den europäischen Sprachen bisher noch so wenig Übersetzungen aus dem Koreanischen vorliegen, so mag dies seinen Grund sowohl in der Schwierigkeit der Sprache, als auch der Beschaffung einheimischer Werke haben. Die am Schrifttum des Landes interessierten Kreise, insbesondere die Sinologen, schenkten vor allem den Geschichtswerken und deren Kommentaren, die sämtlich in Chinesisch abgefaßt und geschrieben waren, ihr Augenmerk. Ohne Kenntnis der überdies sehr schwierigen Landessprache war es ihnen auch nicht möglich, dem einheimischen Schrifttum auch nur einigermaßen zu folgen.

Mögen die kommenden Jahre diese Lücke in der Weltliteratur schließen! Das koreanische Schrifttum verdiente es, einen ebenbürtigen Platz neben dem japanischen einzunehmen!

Professor Dr. André Eckardt