Repeat! ich sterbe nicht noch mal! by El Maya - HTML preview

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Nachdem wir erfolgreich den Besuch bei Reiners Eltern überstanden haben, beschliessen wir nach Frankfurt in seine Klinik zu fahren. Reiner möchte einige Tests machen, um zu prüfen ob er wirklich gesund ist, auch wenn seine Mutter das indirekt bestätigt hat. „Er hatte ausser Masern und Windpocken nie etwas…“ Das war der Originalsatz. Aber es ist verständlich, dass er es selbst wissen will. Reiner kennt diese Frankfurter Klinik, denn ein Kollege aus Ebene 93´ hat dort gearbeitet. Die beiden hatten sich öfters getroffen. Ab und an auch in der Frankfurter Klinik. Wir müssen zwar ein wenig suchen, aber durch das Vorwissen von Reiner finden wir zügig die Labore und sein Arztzimmer. Und die Tests geben der Vermutung Recht. Reiner sackt regelrecht auf dem Stuhl zusammen als das Ergebnis auf dem Computer erscheint. „Mensch, Mäuschen das war die beste Idee du haben konntest“ sagt er. Obwohl ich ganz genau weiss, das hätte auch alles anders ausgehen können.

18. Juni 2012 – Version 2.0

Wir kochen uns gerade was Leckeres und versuchen unser Leben zu feiern und Marie zu vergessen. Marie ist ja nicht tot im direkten Sinne. Das sage ich mir und Reiner auch immer wieder. In einigen Dimensionen lebt sie ja. Die Vorstellung stimmt mich versöhnlich ist aber natürlich kein richtiger Trost. Für mich und für Reiner war sie wahrscheinlich das Schönste was wir je gemeinsam hatten. Wir haben ja so viel Glück gehabt mit allem. Ich bin damals in Ebene 93 ´geblieben, weil ich Reiner nicht noch einmal verlieren wollte. Und das ist mir gelungen. So sehr Marie mir auch fehlt und ihr Verlust mir Schmerzen bereitet – am Ende ging es um Reiner. Und damit muss ich mich nun zufrieden geben. Finanziell stehen wir nicht ganz so stark da, das ist richtig. Ich werde in der Boutique mitarbeiten müssen damit wir das alles stemmen können. Aber wir sind ja noch nicht uralt und können auch daran noch ein wenig was ändern. Reiner und ich schmieden Pläne. „Wie wäre es wenn du dich in Freiburg bewirbst? Da warst du doch schon mal in der Klinik. Und ich könnte meine Boutique nach Freiburg verlegen“ erkläre ich. Reiner scheint nicht abgetan von dem Vorschlag und schenkt sich ein Glas Sekt ein als wir Geräusche hören. „Was ist das?“ frage ich.

„Wer kann das sein?“ Reiner steht auf und nimmt den schweren Kerzenständer als Waffe mit. Er schleicht sich in den Flur. Ich tapse vorsichtig hinter ihm und raune ihm zu: „Das kann doch nicht sein, dass hier jemand anderes wohnt. Wir haben doch die Papiere gesehen und alles…“

Reiner macht mir ein Zeichen, dass ich den Mund halten soll. „Es kommt aus der Küche“ flüstert Reiner mir zu. Dort klopft doch tatsächlich jemand von draussen an das Küchenfenster. „Ich gehe hin“ bestimmt Reiner und geht langsam auf das Fenster zu. Ich habe richtige Angst. Was passiert jetzt? Es ist zwar dunkel, doch durch die Strassenbeleuchtung und den Bewegungsmelder ist der Vorgarten erleuchtet. Er schiebt die Gardine zu Seite und schreit auf. „Tomtom, es ist Tomtom“ ruft er mir zu. Er zeigt Tomtom mit einer Handbewegung dass er zur Eingangstüre gehen soll. Unsere Anspannung fällt schlagartig ab. „Warum klingelt der denn nicht einfach?“ fragt Reiner und macht ein unverständliches Gesicht. Wir öffnen ihm und sind zuerst unsicher was wir sagen sollen.

„Hallo Tomtom, na wie geht’s?“ beginne ich harmlos. Ich weiss ja nicht, ob er informiert ist oder welche Version von Tomtom gerade vor mir steht. Er sieht etwas zerknittert aus, ungewaschen und muffelt auch wenig als er es direkt herausplatzt: „Ich war im Wagen, in eurem Wagen, im Kofferraum. Ich bin mitgereist.“ Er atmet schnell und ist sehr nervös. Reiner und ich stehen mit offenem Mund da. Reiner packt schnell den Kerzenständer wieder weg. Ich fasse mich als Erster. „Komm erst mal rein und setz dich. Dann erzähle mal genauer“ sage ich. Wir führen Tomtom ins Wohnzimmer. Ich gebe ihm ein Handtuch. Er ist etwas durchnässt als ob er von dem Sommerregen schon einiges abbekommen hätte. „Hey, du warst in unserem Auto? Du bist aus 93´mit uns gereist? Warum hast du das denn gemacht? Ich verstehe das nicht“ sage ich zu ihm. Ich koche einen Tee und biete Tomtom eine Tasse an. Doch dieser fängt an einer ganz anderen Stelle der Geschichte an. „Ich habe das mitgekriegt mit Marie, euer Schreien, das Heulen, alles. Aber ich wollte mich nicht bemerkbar machen damit der Prozess nicht gestört wird und dass auf keinen Fall der Wagen angehalten wird. Tut mir echt leid um sie Mann“ sagt er und klopft Reiner mitfühlend auf die Schulter. „Und wie geht es dir denn Reiner? Du siehst richtig gut aus.“ Reiner bestätigt, dass er sich wirklich super fühlt und nach dem Bluttest keinerlei Malariazellen in sich trägt. Tomtom freut sich sichtlich. Dann erzählen wir Tomtom was wir alles über uns herausgefunden haben. Er staunt nicht schlecht.

„Doch jetzt erzähle mal wo du die Tage warst und warum du so abgewetzt jetzt hier aufkreuzt. Wir dachten du bist nach Hause gefahren. Warum bist du mitgefahren auf diesen Zeitreisetrip? Welchen Grund gab es denn für dich? Es ging dir doch gut…“ fragt Reiner. Tomtom erklärt uns, dass er eigentlich zufrieden mit dem Leben war aber in der Liebe nur Pech hatte. Er sah diese Reise als Chance an das zu ändern. „Vielleicht habe ich ja in dieser Ebene bessere Erfahrungen in Beziehungssachen gemacht. Wäre doch denkbar, so einen kleinen Hinweis habe ich schon aufgeschnappt dahingehend. Aber bisher konnte ich noch nicht alles überprüfen. Es war dunkel und spät und hatte ja auch kein Auto dabei, kein Handy, keine Papiere, nichts um nach zu Hause fahren. Ich bin aus euren Wagen in der Garage ausgestiegen und habe mich erst mal auf die Suche nach meinem Leben gemacht. Gott sei Dank hatte ich noch fünfzig Euro in der Hostentasche. Ich wollte nicht direkt bei euch klingeln. Das mit Marie… ihr wisst schon. Ich wollte euch in Ruhe lassen. Ich musste mich erst durchfragen um an Infos zu kommen. Ihr wohnt ja nun auch nicht mehr in Freiburg. Und so musste ich nach Hause zu meinen Eltern um überhaupt näheres zu erfahren“ klärt uns Tomtom auf. „Meinst du denn Tomtom, dass in dieser Ebene für dich eine bessere Lebensvariante wartet?“ frage ich zögerlich. Er zuckt mit den Schultern. „Wir werden sehen. Zu verlieren habe ich ja nicht viel oder?“ meint er flapsig und zündet sich eine Zigarette an. Dann berichtet er weiter. Er erzählt uns, dass er in Wiesbaden wohnt und dort eine Internetagentur hat. „Ach was, hätte ich nicht gedacht, eine Internetagentur, wie einfallsreich…“ albere ich. „Und ich bin wohl verheiratet – ich weiss nur nicht mit wem. Ich kann ja schlecht meine Mutter fragen wie meine Frau heisst. Aber das kriege natürlich raus wenn ich erst einmal in meinem Haus oder meiner Wohnung gewesen bin. Das habe ich noch nicht gemacht. Ich wollte erst nach euch schauen was hier los ist“ meint er.

Mein Nervenkostüm ist schon strapaziert, aber irgendwie sind es freudige Anstrengungen. Es ist schön Tomtom wieder zu treffen. Die Männer drücken sich kräftig und freuen sich über ihr Wiedersehen. Wir erzählen die Details von unseren Erkenntnissen. Tomtom schaut nachdenklich aus. „Ich denke, dass dieser Zeitsprung von Anja jetzt zu dem System gehört. Also die Ebene 93´ jetzt sozusagen die Basis inklusive dem Zeit- und Dimensionssprung und bildet für alle anderen die Parallelwelten“ stellt er fest. Ich weiss was Tomtom meint und darüber habe ich auch schon nachgedacht. Doch dazu passt die Boutique in Lörrach nicht. Die Trennung von Reiner nicht und die Nichtexistenz von Marie auch nicht. „Habt ihr was rausgefunden dahingehend, was wir früher so gemacht haben? Ich

meine Internet und so?“ fragt Tomtom. Ich nicke ihm zu. „Ich habe in meinen alten Sachen hier im Haus rumgewühlt und ein paar Sachen gefunden. Es gab ein paar Börsensachen, aber nur kleine Sachen und ich habe recht früh damit aufhört. Praktisch mit der Trennung von Reiner. So wurden auch keine grossen Summen erwirtschaftet dahingehend. Ich habe viele Jahre auch noch im Büro gearbeitet, das zeigen meine Versicherungsbescheide“ erkläre ich. „Tja, komisch irgendwie, dass nach 1998 nichts mehr stattgefunden hat …. oder wie seht ihr das?“ fragt Tomtom nochmal in die Runde. „Das ist doch Jacke wie Hose“ meint Reiner. „Wir sind hier, es geht allen offenkundig gut und mit Maries Verlust… das werden wir auch noch lernen damit umzugehen.“ DochTomtom sieht das anders. „Nein, ist nicht so ganz Jacke wie Hose.“

Er geht aber nicht näher darauf ein was er damit meint. Ich spüre, dass Tomtom und ich vielleicht ähnliche Gedanken haben, aber uns nicht trauen etwas zu sagen. Dieser lenkt direkt ab und fragt: „Was von Tante Hedy gehört?“ Gutes Stichwort, denke ich. „Die Frau werden wir uns die Tage auf jeden Fall mal zur Brust nehmen. Wenn jemand etwas darüber weiss dann sie ganz sicher.“ Viele Überraschungen warten sicher noch auf uns. Reiner und ich fühlen uns etwas stabiler in der neuen Welt, jetzt wo Tomtom wieder da ist. Und wir freuen uns auch darüber dass er wieder da ist, selbst wenn ich an seiner Stelle das Risiko vielleicht nicht eingegangen wäre. Reiner wirft den CD-Player an mit Technomusik aus den 90ern. Wir tanzen, lachen, fühlen uns wie ein dickes Freundschafts-Team was sogar Zeitsprünge übersteht und wünschen uns dass es so bleibt. Dabei versuchen wir nicht an Marie zu denken. Fürs Erste jedoch bleibt Tomtom die Nacht über bei uns. Gemeinsam werden wir den Dingen gewiss etwas einfacher auf die Schliche kommen.

19. Juni 2012 - Version2.0

Tomtom macht sich auf Weg nach Hause zu seinem Haus. Es wird spannend für ihn sein das eigene Heim und seine Frau zu sehen. Hoffentlich ist sie nett, gebe ich ihm auf den Weg. Reiner und ich werden zu meinen Eltern fahren und einen Überraschungsbesuch abhalten. Die werden sich zwar wundern, dass ich ohne besonderen Grund vorbeikomme. Aber es gibt ja einen Grund, den sie nur noch nicht kennen. Schliesslich müssen wir ihnen mitteilen, dass wir wieder zusammen sind. Es ist seltsam wieder diese Strecke zu fahren und es ist, als hätten wir beide ein wenig Sorge, dass etwas passiert, obwohl es Unsinn ist. Der 21. Dezember ist heute nicht und dann kann auch nichts passieren. Wie immer steht Mutter freudig im Türrahmen und ist – wie alle bisher – extrem überrascht, dass ich auf einmal Reiner im Gepäck habe. Vor vier Tagen war ich noch solo und jetzt bin ich wieder dick mit meinem Ex zusammen. Aber sie freut sich; sie mochte Reiner immer sehr. Im Wohnzimmer sitzt Vater sitzt wieder vor irgendwelchen Nachrichten. Aber er horcht auf, als er mitbekommt, dass Reiner und ich wieder ein Pärchen sind. Ihm gefällt das scheinbar. Mutter erzählt mir, dass Julia wohl nicht kommt; ihr Mann sei nicht nach Hause gekommen und sie mache sich Sorgen. Doch meine Sinne sind sehr schnell abgelenkt, denn im Wohnzimmer winkt mir hinter dem Tisch Guido entgegen, der ganz lebendig zu sein scheint. Ich bekomme erst einmal einen richtigen Schreck und bin regelrecht erstarrt. Guido winkt nochmal. Dieses Mal mit beiden Armen weit schwenkend, so als wäre ich extrem kurzsichtig. „Die Variablen“ flüstere ich Reiner zu. „Da siehst du. Es gab sehr wohl noch eine andere Möglichkeit. Da lebt er.“ Reiner schluckt und kann wohl selbst es kaum fassen. „Das gibt es doch nicht. Der ist doch gestorben…wir waren doch auf seiner Beerdigung…“ raunt er zurück. Ich zucke fast unmerklich mit meinen Schultern.

Ich sehe Reiner an, dass die Situation ihn überfordert. Er ist ganz blass geworden. Doch so froh ich im ersten Moment über Guidos Existenz war, der nächste überschattet es sofort als er zu mir kommen will. Er sitzt im Rollstuhl und ist offensichtlich gelähmt. Er scheint sich mit seinem Schicksal arrangiert zu haben und rangiert das Gefährt geschickt. Doch glücklich sein sieht meiner Meinung nach anders aus. Reiner und ich schauen uns irritiert an. Im selben Moment kommt Silvi aus der Küche mit Kuchen in der Hand. „Ach, da seid ihr ja schon“ zischt sie uns zu, als ob es sträflich wäre ein paar Minuten zu früh zu kommen. Reiner und ich schauen uns an und verstehen das nicht. Reiner macht eine beschwichtigende Geste und raunt mir zu: „Wir werden noch früh genug alles erfahren. Keep cool.“ Mein Kopf dreht sich. Von wegen „Keep cool“, denke ich. Das gibt es doch alles nicht. Das ist doch keine ähnliche Ebene in der wir gelandet sind. Es ist zu viel! Zu vieles ist anders! Wir setzen uns an den Tisch und dann sehe ich die Geste. Silvi streicht Guido die Hand als sie ihm Kuchen auf den Teller legen will. Sie sitzt auch neben ihm. Die beiden schauen sich vertraut an und dann…. klingelt es endlich in meinem Gehirn. „Die sind zusammen…“ murmele ich Reiner zu. Dem fällt die Kuchengabel erst mal aus der Hand und er starrt Guido und Silvi unverhohlen an. „Guck nicht so direkt da hin, unauffällig Mensch!“ mahne ich. Sofort kommt mir die Flirtgeschichte mit Silvi und Guido aus Ebene 93´ in den Sinn. Nach dem missglückten Anmachversuch von Guido habe ich zugesehen, dass die beiden nicht mehr aufeinander treffen, damit keine alten Emotionen hochkochen. Nun sitzen sie hier und sind ein Paar. Guido ruft zu Reiner hinüber: „Habe ich was am Kinn oder bin ich unrasiert?“ Alle lachen.

Silvi grinst nur seltsam als ob sie sich über unser Erstaunen lustig macht. Dennoch hat ihr Blick einen seltsamen Ausdruck. Fast so als wolle sie etwas in unseren Augen suchen oder lesen wollen. Reiner bleibt die Antwort schuldig und zuckt nur mit den Schultern. Dennoch fängt er sich schnell und macht einen Witz, so dass das Anstarren flugs in Vergessenheit gerät. Fast wäre das Ganze zum Lachen. Doch das mit Silvi und Guido ist und bleibt erstaunlich. „Na, habt ihr zwei euch wieder gefunden oder was?“ ruft Guido über den Tisch hinweg. Sein Ton hat etwas Spöttisches an sich. Vielleicht ist es einfach nur Neid. „Ja, die alten Schuhe passen immer noch am Besten“ sage ich frech und wieder lachen alle. Reiner hält sich zurück. „Ich werf mich weg mit den beiden. Sicher werde ich die ganze Nacht nicht schlafen können deshalb. Aber jetzt muss ich erst zur Mutter in die Küche und nach Hedy fragen“ flüstere ich zu  Reiner. „Heeedy?“ fragt Mutter langgezogen während sie an dem zweiten Kuchen herum schnippelt. „Was willst du denn von der?“ Ich sehe schon, ich bin wieder in einer Version gelandet, in der sich die beiden Frauen nicht viel zu sagen haben und sich schon gar nicht mögen. Deshalb mache ich es kurz und entlocke ihr einfach die Telefonnummer von Hedy um auf der Terrasse sie anrufen zu können. Man könnte meinen sie hätte auf meinen Anruf gewartet. Dennoch verhält sie sich neutral. Ich kann nicht genau sagen ob sie was weiss. Doch sie freut sich auf unseren Besuch am späteren Abend. Dazu haben Reiner und ich uns einfach mal kurzerhand selbst eingeladen. Beim Abendessen dann steht endlich Julia im Raum und hinter ihr, nicht zu fassen: mal wieder dieser Dirk! Mein Ex aus Ebene 12´- 1.0. Er taucht wohl überall auf und ist scheinbar auch in jedem Leben der Bad Boy zu sein. „Aus der Ausnüchterung habe ich ihn geholt“ höre ich Julia leise zu Mutter sagen, damit es niemand mitbekommt.

Doch ich habe es gehört und kann mich mal wieder nicht bremsen. Ich raune ihr zu: „Mensch, trenn dich von dem, der taugt nix.“ Dirk schaut mich frech an und grinst. So richtig ausgenüchtert scheint er immer noch nicht zu sein und Julia setzt ihn auf einen Küchenstuhl wie ein kleines Kind, was etwas angestellt hat. „Na darauf kannst du Gift nehmen das ich das tue. Jetzt ist Schluss mit diesen Affen“, sagt Julia ganz unverfroren als wäre Dirk gar nicht anwesend. Vermutlich meint sie alle ihre Männer in ihrem Leben. Dann sagt sie etwas leiser zu mir: „Irgendwie fühle ich, dass der Richtige bald kommt. Aber der da ist das bestimmt nicht“ sagt sie und lächelt mich an. Ich weiss ja nur zugut wen sie sich da geangelt hat und bestätige: „Ja, das wird, da bin ich ganz sicher, vertraue der Sache und säge den da schnell ab.“ Auch wenn es heute recht viel Input gab, werden wir noch zu Tante Hedy wo wir Tomtom treffen wollen. Wir schicken ihm eine SMS, dass wir uns dort treffen. Als wir auf den Bauernhof in St. Johann ankommen, wartet Tomtom bereits im Wagen auf uns. „Und? Wie ist sie deine Frau? Wer ist es?“ überschütten wir ihn. Er grinst frech.“Ihr werdet es nicht glauben… Bingo! Volltreffer! ... es ist… die Jenny!“ jubelt er und macht mehrere Drehungen um seine eigene Achse, fuchtelt mit Händen und macht alberne Grimassen. Es soll wohl ein kleiner Freudentanz sein. Das Mädel aus unserem Internetcafe! Ich bin erstaunt. Zu Zeiten des Internetcafes hat Jenny ab und an mal ausgeholfen und ist dabei auch öfter auf Tomtom gestossen. Nur hat es nicht gereicht, dass sie zusammen finden.

„Ich habe mir schon immer gedacht, dass ihr gut zusammen passt“ sage ich. Reiner nickt und meint das wäre eine ganz Süsse. „Du kannst dich daran doch gar nicht mehr erinnern“ ulke ich. Dann sehen wir Licht im Flur von Tante Hedys Haus die uns wohl schon gehört hat. „Da ist ja mein Dreiergespann“ ruft sie. Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie viel weiss. Wieder sitzen wir in ihrem Wohnzimmer, bekommen Jasmintee und Plätzchen. „Hedy, wir wollen mit dir über eine Zeit so zwischen 1993 und 1998 reden. Vor allem im Winter 93/94. Da müssten wir uns malgetroffen haben …“ beginne ich. Hedy lächelt milde und sagt: „Du und Reiner,ihr wart hier und hattet mich zu einem Projekt von Reiner befragt. Zu Zeitreisen, Karma und solchen Sachen. Ja, und dann noch der Maya-Kalender und über den Tag 21.12.2012.“ Ich sage ihr, dass Reiner und ich keine Erinnerung mehr dran haben und bitte sie mir mehr zu erzählen. Hedy staunt nicht schlecht, dass bei uns allen die Erinnerung fehlt, aber dann lenkt sie ein. „Nun, ihr hattet eine fiktive Geschichte, bei der jemand angeblich eine Zeitreise gemacht hat am 21.12.2012 zurück in das Jahr 1993 aber in einer anderen Dimension gelandet ist. Ihr wolltet meine Ratschläge wissen, wie es am besten gelingt, dass die Person wieder zurück in ihre eigene Dimension kommt. Aber das funktioniert nur am 21.12.2012 und an keinem anderen Datum. Nun, ich habe euch erzählt, dass es einen Lebensplan gibt und das Karma und so was alles. Mehr gibt es nicht zu erzählen“ meint Hedy.

Wir schauen ratlos uns an. Reiner raunt mir zu: „Du hast dich in dieser Lebensversion anders entschieden. Du erinnerst dich? Ich wollte in Ebene 93´nicht dass Hedy die ganze Geschichte erfährt. Und du hast es im Alleingang dann doch erzählt. In diesem Leben aber nicht. Hier hast du nichts weiter erzählt.“ Hmm, denke ich mir. Das ist eine Variante. Aber es gibt noch viele andere Möglichkeiten, warum es so ist. Doch meine Gedanken behalte ich vorerst für mich. Tomtom nickt mir zu. Auch Reiner senkt den Kopf. Sie geben mir beide ihr Einverständnis die Geschichte zu erzählen. „Pass auf Tante Hedy, ich erzähle dir jetzt etwas ganz abgefahrenes, ja?“ fange ich langsam an. Mit hochgezogenen Augenbrauen scheint Hedy gespannt auf meine Informationen zu sein. In den folgenden Stunden erzählen wir ihr alles, haarklein. Wir lassen nichts aus. Hin und wieder giesst Hedy Tee nach, aber sie unterbricht uns nicht.

„Um Himmels Willen. Das habt ihr alles erlebt? Ist ja schrecklich. Vor allem das mit Marie“ ruft sie aus. Scheinbar zweifelt sie nicht an unserer Geschichte.

„Wisst ihr, ich habe seit längeren öfter eine Vision, in der ihr drei eine Rolle spielt. Ich konnte die Vision bis heute nicht richtig deuten, aber ich wusste, dass ihr zu mir kommen werdet und Hilfe braucht. Ich zweifle nicht an eurer Geschichte“ sagt sie ruhig und gelassen. Wir alle sind recht überrascht aber doch froh darüber, dass wir nicht immer wieder den Wahrheitsgehalt unserer Geschichte beteuern müssen. „Vermutlich ist was übergeschwappt aus den Dimensionen. Deshalb hast du Visionen“ meint Tomtom. Hedy nickt. „Alles hat irgendwo eine Auswirkung. Und alles findet im Jetzt statt. Es gibt eigentlich keine Zeit und keinen Raum. Es ist denkbar, dass eure … Basisversion – hiess das so? – sich auf diese Ebene nun auch bemerkbar macht.“ Dennoch fällt mir auf, dass Hedy in dieser Ebene sehr cool rüberkommt. Dann mischt sich Tomtom ein. „Wir sind nicht sicher ob wir in der alten Ebene 12´- 1.0 von Anja gelandet sind. Und ausserdem ist unklar, ob diese Version wirklich eine ähnliche Variante ist, denn es sind viele Dinge anders. Vielleicht hat da jemand ein bisschen an den Versionen rumgefummelt…“ orakelt er.

„Aber Kinder, ihr wisst doch zu wenig über das ganze System um es überhaupt zu begreifen. Das sind alles nur Vermutungen die ihr anstellt“ wirft Hedy ein. „Ja, es kann einfach eine weitere Version sein“ antwortet Reiner. „Findest du nicht dass das bisschen viel ist? Dass die Abweichungen doch sehr gross sind…denke an Silvi und Guido. Vor allem Guido, der lebt! Wir haben mit Händen und Füssen versucht den Unfall zu verhindern und es hat nichts gebracht. Und hier lebt er. Dafür ist Marie komplett weg. Ich finde das sind jede Menge Anomalien“ meine ich. Fakt ist, dass es auch hier wohl einen Zeitsprung von mir gab, ich aber nach fünf Jahren aufgehört habe mein Wissen zu verwenden in jeder Beziehung. Ich habe sogar Reiner aufgegeben und ich war nie schwanger von ihm. Warum auch immer.

Doch nur Tomtom scheint meinen Ausführungen nicht ablehnend gegenüber zu stehen, auch wenn er nichts dazu sagt. Ich versuche Hedy über Silvi auszufragen. Das ist doch eine sehr grosse Abweichung, dass sie nun mit meinem Bruder zusammen ist, der auch noch lebt. Dabei erfahre ich, dass Silvi meinen Bruder im Jahre 2011 kennengelernt hat, direkt ein paar Monate nach seinem Unfall. Sie hat bereits 1997 relativ rasch mehrere Boutiquen eröffnet, ähnliche wie die meinen nur viel grösser und mit mehreren Filialen. Sie muss scheinbar richtig gut da stehen materiell betrachtet. Da staune ich nicht schlecht über diesen Zufall, wo ich sie doch in der Ebene 93´als Studentin kenne. Später war sie Geschäftsführerin in meinem Laden. Ich äussere meinen Gedanken und Tomtom entgegnet: „Du weisst doch, es gibt keine Zufälle im Universum.“

Und es wird noch mysteriöser, als Hedy erzählt, Silvi hätte sich so rührend um Guido nach dem Unfall gekümmert. „Und … es gibt so ein Gerücht.. aber pssst“ macht Hedy und hält den Zeigefinger vor ihrem Mund. „Spuck aus, was ist, erzähl!“ rufe ich. „Ist nur ein Gerücht… da wo Guido verunglückt ist, an der Stelle, da stand einen Tag vorher ein Traktor der defekt war. Und am dem nächsten Tag war der Traktor weg. Guido ist dort verunglückt und ist in die Wiese gerast. Wäre der Traktor da noch gestanden – dann wäre er tot gewesen. Er wäre frontal auf diesen drauf gefahren. Der Bauer, dem die Wiese gehört, hat den Traktor nicht weggefahren, aber er meint gesehen zu haben wie eine Frau um das Ding herumgeschlichen ist. Ist auch nie wieder aufgetaucht der Traktor. Die Einheimischen munkeln, dass Silvi das gewesen soll. Das ist doch unheimlich oder?“ erzählt Hedy und schaut uns verschwörerisch an.

Wir blicken uns an und glaube, dass wir gerade alle dasselbe denken. Und ich kann mich natürlich an diesen Traktor erinnern. Das Ding war ja schon in zwei Lebensversionen Tatbestand. Nur auf die Idee sind wir damals nicht gekommen, diesen einfach wegzufahren. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Aber was sollen wir ihr ankreiden? Ich bin froh dass Guido lebt. Möglicherweise habe ich Silvi eingeweiht über meinen Zeit- und Dimensionssprung. Tante Hedy ist noch verstört von unserer Geschichte, dem Unfall mit Guido, sein Tod in Ebene 93´und die ganze Tragik, die wir erlebt haben. „Die Silvi hätte sich Guido nie genommen, so wie er war, also ohne Unfall. Sie wollte nie so einen Frauenhelden. Im Rollstuhl aber ist er handzahm. Ich weiss nicht was ich davon halten soll. Wir hatten auf Ebene 93´einen unschönen Zwischenfall mit den beiden. Wenn sich Silvi nun rächen will?“ spreche ich plötzlich meinen Gedanken aus. „Rächen? Wie will die sich denn rächen, wenn das hier in Ebene 12´- 2.0 alles nicht passiert ist. Hier gab es keine Silvesterparty mit uns allen; keinen Guido, den wir eingeladen haben. Ganz einfach deshalb nicht weil du und Reiner nicht mehr zusammen gewesen seid. Diesen Zwischenfall von den beiden gibt es doch nur auf Ebene 93´… es sei denn…“ murmelt Tomtom.

Wir sind alle eine Sekunde lang still. „Das kann sein! Gebe es doch zu, dass du das auch denkst, Tomtom!“ rufe ich und gehe zu ihm. Der schaut aus dem Fenster und sagt nichts. Ich rüttele an ihm. Er hat meine Andeutung verstanden. „Tomtom, du meinst doch auch dass die Silvi von hier die Geschichte von 93´ kennt?“ frage ich zaghaft. Reiner wird aufmerksam. „Anja, was meinst du damit, dass die Silvi von hier die Geschichte von 93´ kennt? Wie soll sie die Geschichte kennen? Wir haben ihr ja nichts erzählt und sind doch erst ein paar Tage in der Ebene hier.“ Tomtom