(XXII) Spacejump Rackets
An Bord des Space-Nulling Testschiffes SN-C1 geht es relativ entspannt zu.
Nachdem Henley seinem neuen Freund Achille etwas ausführlicher seine Mission erklärt hat ist jetzt eher Staunen angesagt.
SN-C1 ist ein außergewöhnliches Erlebnis, selbst für einen zu Westerburg. Die Reisegeschwindigkeit Impuls-Plus ist um ein mehrfaches höher als bei Henleys Rocktar, obwohl es langsamere Mühlen als Wespley gibt.
Unglaublich aber wahr: Da hinten kommt schon der blaue Trivy, Hauptplanet eines Zwei-Sterne Systems, Verwaltungssitz des Königreichs der Tausend, in das Blickfeld. Genauer gesagt: Er erscheint auf den Hauptschirm des Cockpits.
"Jungs, wo soll ich euch eigentlich hinbringen?" fragt Achille seine beiden neuen Freunde. Danach nuschelt er noch sowas wie "wird eh lustig…" Was meint er bloß damit?
Ende der Ansprache! Er wird von ‚Galactic‘ unterbrochen. Kenner wissen was gemeint ist: Svinos Comm dudelt eine eingehende SMS an.
Dieser ist erstaunt, macht seinen Rundmund und kratzt sich am Ohr: "Gewöhnlich seltsam" murmelt er.
Henley dreht sich zu Ihm um: "Jana, schau da Henley. Absender Kauderwelschzahlen alias: Svennedy??? Ist wer das?"
Neugierig blinzelt er die SMS an. Er reißt die Augen auf: "OH, Patschala geflüchtet auf der? Helfen Sie Hilfe von uns!"
Henley springt rüber, schaut seinem besten Freund über die Schulter. Er fängt an zu strahlen:
"Da Svino schau mal. Diese Zeile hier… Das ist unsere Patchara. Kann nur Sie wissen!" Svinenysh platzt vor Glück. Sein altgedienter klobiger Ruba Comm… kann er nun Leben retten?
"Klick mal auf Standort" meint Henley aufgeregt. Sofort macht sich der junge Ruba an die Arbeit. Doch die Euphorie ist schnell verflogen. Statt Koordinaten spuckt der Comm nur weitere verschlüsselte Zahlenkolonnen aus.
"Oh nein" meint Henley: "Wie sollen wir diesen Kauderwelsch bloß entschlüsseln?" Svinenysh ist verzweifelt, fuchtelt hilflos mit beiden Händen in der Luft herum. Schnell sinkt die Laune auf den Tiefpunkt. Der bisher beste Hinweis zur Rettung Patchara Petch-a-boons verpufft an Data Security.
Völlig entspannt hingegen lümmelt derweil Achille Corichi in seinem Analogsitz rum. Fast schon mitleidig sieht er den armen Comm-Besitzer an. Dann brabbelt er beiläufig: "Gib mir das mal her."
Gesagt getan, Svino gibt Ihm das Gerät. Achille beginnt zu blinzeln:
"Wegen diesen verfluchten Inkompatibilitäten, gerade bei den neusten Prototypen, hab ich mir ein kleines PI geschrieben. Da wollen wir mal…"
Henley und Svinenysh beäugen sich ungläubig. Dieser Physiker steckt voller Überraschungen.
"Initiiere Wireless Verbindung… Da bist du ja. Sende Layer 1 Override. Lächerlich diese Firmware. Alle im Kern gleich. Kein Problem für meinen Disassembler. So ich bin drin."
Henley ist fasziniert. ‚Gegen diesen Typ ist selbst Mikkel Silva ein Weisenknabe‘ denkt er sich.
"Dann saug ich mir mal die Nachricht komplett in Ihrer Gänze, alles, jeden Bit. Mehr als nur das was angezeigt wird."
Achilles Augen flackern: "Codeübersetzung läuft. Rein in die Matrix und on-Screen!"
Auf dem Hauptschirm erscheint ein zweiter 3D-Layer. Neben der Außenwelt wird nun noch ein Zickzack-Kurs durch eine Berglandschaft angezeigt. Ein Punkt hüpft durch die Gegend, ein Koordinatenpaar ist an ihn geheftet.
Achille dreht sich zu seinem gebannten Publikum um: "Das ist der Absender eurer Nachricht. Ich bring euch hin. Dann wird’s fidel, immer abwarten, gleich wisst Ihr Bescheid."
Svinenysh wird es nun zu viel er plappert los: "Verzeihung mein lieber Herr, was aber ist nun so lächerlich?"
"Naja, ihr müsst springen! Glaubt Ihr tatsächlich mit einem Space-Nulling-Schiff kann man einfach so aufsetzten? Der ist auf Langstrecke ausgelegt. Landung fällt ins Wasser."
Svinenysh fällt die Kinnlade runter. Er ärgert sich. Dieses tolle Schiff muss doch Landen können. Dann passiert etwas so ungeheuerliches, das selbst für einen vom Kaliber Dr. Achille Korichi neu ist.
"Kann das Wespley, bääh" Svinenysh streckt Ihm die Zunge raus. Achille selbst ist so verdutzt, das er keine Antwort parat hat. Stattdessen schmunzelt er nur, zieht die Augenbrauen nach oben und schüttelt leicht den Kopf.
Henley schaltet sich ein: "Jetzt nochmal langsam zum Mitschreiben. Wie gehen wir da runter? Gibt’s hier sowas wie einen Pod?"
Achille verneint. "Wir nähern uns den Zielkoordinaten. Kommt mit zur Luftschleuse. Jetzt wird’s lustig." Im Aufstehen gibt er Svino seinen Comm zurück. Alle Verschlüsselung ist abgeschaltet.
Seine Zungen-Aktion hat der junge Physiker längst vergessen. Im Gegenteil: Sowas hat noch keiner gebracht. Sehr amüsant.
Henley hat eine Vermutung: "Ich weiß wie! Wir gehen mit deinem komischen Manturb runter. Richtig?"
Achille schwenkt die Finger: "Naja so ähnlich. Der Manturb ist nur für Kurzstrecken. Will man einen großen Planeten durch die Atmosphäre erreichen so braucht man stärkere Geschütze."
Kurz darauf ist die Luftschleuse schon erreicht. Achille wendet sich an seine beiden Freunde: "Tada, hier in diesem Schrank sind sie verborgen. Eure SJ-Racks."
"Da fällt mir ein: Haben wir die überhaupt schon mal gebraucht? Egal! Dann ist eben jetzt die Feuertaufe."
Henley schluckt. Svinenysh ist voller Tatendrang. Erkennt wie immer keine Gefahr. Er hüpft vor Freude auf und ab.
"So, ich transferier zuerst die bewegten Zielkoordinaten in den Rack. Die Software macht dann das meiste. Eure Hauptaufgabe wird wohl sein den Kreislauf stabil zu halten."
"Kurz vor der Landung stellt sich der Rack auf und bremst bis zum letzten Tropfen Sprit den Fall. Dann knallt er den Schirm raus. Alles klar soweit?"
Henley nickt obwohl er nur die Hälfte verstanden hat. Bei Svino dürfte es noch weniger sein, aber diesem ist’s egal. Der ist schon unterwegs.
"OK Jungs. Das Ziel ist geostationär erreicht. Helme auf und viel Glück!" Achille öffnet die Schleuse, Zwei Helden in Ihren Spacejump Rackets treten ein.
Von drinnen winkt der Physiker ein letztes Mal. Dann, viel zu schnell öffnet sich die Außentür. Strahlend grün, geschätzte 300km weiter unten, liegt der Trivy über Ihren Köpfen.
Wuschhh! Die Raketen der Rackets starten. Beide Passagiere schreien Ihre Helme voll. Im Helmdisplay werden die Zielkoordinaten, Entfernung und das ganze restliche Bla angezeigt.
Nach dem ersten Schock fängt‘s bald an Spaß zu machen. Mit vielfacher Schallgeschwindigkeit rasen beide auf den Trivy zu. Dieser wird zusehends größer, gewinnt laufend an Macht.
Leise Geräusche an der Außenhaut der Rackets deuten darauf hin dass sie die äußere Atmosphäre bereits erreicht haben.
Diffraktive Magnetfelder in Kombination mit Nano-Aramidfasern schirmen die Insassen dabei bestens ab. Im Inneren des Anzugs bleibt die Temperatur konstant.
Zum Glück steuert die Software den Sprung, ansonsten hätte Svinenysh wahrscheinlich Vollgas gegeben, halsbrecherisch und draufgängerisch wie er ist. So aber keine besonderen Vorkommnisse.
Etwa 5000 Meter über Null beginnt der Bremsvorgang, das Heißt die Rackets stellen Sich auf. Die Passagiere hängen wie an normalen Raketenanzügen, der Antrieb gibt nochmal Gas, Rasch gehen die Spritreserven zur Neige.
Dann, etwa in einem Kilometer Höhe, knallt es den Fallschirm raus. Henley und Svinenysh schreien wie am Spieß! Ab jetzt ist der Fall schwieriger zu steuern. Die Landung wird also ein wenig unpräzise.
Blöder Wind! Sie entfernen Sich etwas von den Null-Koordinaten. Svinenysh ist auch schon hundert Meter weg. Egal. Wahrscheinlich hat Sie Patchara unten bereits gesehen. Jetzt ist es wichtiger eine saubere Landung hinzubekommen.
Für Henleys Geschmack hat‘s hier immer noch zu viele Bäume. Jetzt gilt es eine freie Fläche zur Landung zu erwischen.
Da sieht es gut aus. Henley zieht am Schirm und landet gekonnt im Hochtal. Als erstes löst er den Schirm vom Rücken. Dieser segelt neben Ihm zu Boden.
Jetzt reißt er sich zuerst den Helm vom Kopf und zieht danach den SJ-Rack aus.
Wo ist Svinenysh? Henley sieht sich um. Oh nein! Da hinten, etwa 150m entfernt hängt er. In einem Baum. Hilflos strampelt er mit den Füßen und rudert planlos mit seinen Händen in der Gegend herum.
Henley sprintet rüber. Möglichst leise, wer weiß wer hier sonst noch alles ist? Er winkt Svinenysh zu und klettert auf die Tanne. Geschickt löst er den verhedderten Schirm am Rücken. Svinenysh plumpst 5 Meter zu Boden aber Henley weiß das ist kein Problem. Geschickt rollt sich der junge Ruba unten ab.
Er nimmt ebenfalls den Helm ab und befreit sich aus seinem Anzug. Henley gesellt sich zu Ihm und zückt seinen Comm.
Erwartungsgemäß hat Achille inzwischen den Navi auf die Zielkoordinaten Petch-a-boon programmiert. Sie befindet sich etwa 500 Meter weiter oben im Tal. Sie rennt bergan. Mit Wahnsinnstempo! Denkt sie Henley ist ein Angreifer? Wird sie verfolgt?
Keine Zeit darüber nachzudenken. Henley nickt Svinenysh zu und die beiden sprinten los.
Die Rettungsaktion der beiden Freunde geht somit in die entscheidende Phase.