Unter der Regierung des dritten Königs von Korea lebte ein Edelmann von hohem Range, welcher aus der berühmten Familie Hong stammte und den Titel eines Ye Cho Pansa führte. Er hatte aus der Ehe mit seiner rechtmässigen Gattin zwei Söhne und einen Sohn aus der Verbindung mit einer Sklavin. Letzterer, welcher von Geburt an viel von sich reden machte, wird der Held folgender Geschichte sein.
Als Hong Pansa nur erst zwei Söhne besass, träumte ihm eines nachts, dass ein Drache von so ungeheurer Grösse in sein Zimmer käme, dass er selbst keinen Platz mehr darin hatte.
Der Träumer erwachte und begriff sofort, dass ihm etwas Gutes bevorstände. Da er hoffte, es würde ihm ein dritter Sohn geboren werden, hatte er nichts Eiligeres zu thun als seiner Gemahlin den Traum mitzuteilen. Doch diese wollte ihn nicht sehen, da sie es ihm sehr übelgenommen, dass er sich eine Konkubine aus der Klasse der Tänzerinnen genommen hatte. Der grosse Mann war darüber sehr traurig und zog sich unverrichteter Sache in seine Gemächer zurück, wo er allein über seinen Traum und die ihm möglicherweise bevorstehenden Ereignisse nachdachte.
Bald darauf wurde ihm von einer seiner Konkubinen ein Sohn von so tadelloser Schönheit geboren, dass seine erste, rechtmässige Gemahlin sehr neidisch, er selbst aber höchst unglücklich darüber ward, denn er wäre begreiflicherweise hoch erfreut gewesen, wenn dieser Sohn eine standesgemässe Geburt gehabt hätte und dadurch befähigt gewesen wäre die Beamtenlaufbahn einzuschlagen. So wurde der schöne Knabe einfach Kil Tong oder Hong Kil Tong genannt. Je grösser er wurde, desto mehr entwickelte sich seine Schönheit und sein Verstand. Er lernte sehr leicht und seine Umgebung bewunderte seinen Scharfsinn und seine Geisteskräfte ebenso wie das Ebenmass seines Körpers und seine schönen Gesichtszüge. Als er heranwuchs ärgerte er sich sehr darüber, dass ihm sein Platz bei der Dienerschaft angewiesen wurde und er nicht die Erlaubnis hatte seine Eltern bei dem Namen zu nennen. Die anderen Söhne seines Vaters lachten ihn aus und verspotteten ihn, so dass sein Leben ihm sehr unglücklich erschien und eines Tages warf er während des Schulunterrichts voll Missmut seinen Tisch um und erklärte, er wolle Soldat werden. In der nächsten hellen Mondscheinnacht sah ihn Hong Pansa im Hofe Waffenübungen machen und fragte ihn, höchst verwundert darüber, was er damit bezwecke. Kil Tong antwortete ihm unumwunden, dass ihm die steten Ungerechtigkeiten, deren er in seinem Hause ausgesetzt sei, zuwider wären. Er wolle sich daher auf diese Weise für seinen späteren Beruf vorbereiten, damit alle Menschen dann Ehrfurcht und Achtung vor ihm haben sollten. „Denn,“ sagte er, „der Himmel hat alles für den Gebrauch der Menschen erschaffen, diese müssen es nur verstehen, richtig damit umzugehen und der Himmel unterstützt diejenigen, welche sich selbst zu helfen wissen.“
„Welch ein bewunderungswürdiger Knabe,“ sagte Hong Pansa zu sich selbst, „wie sehr bedauere ich es, dass er nicht mein anerkanntes Kind ist und was für Ehre würde ich mit ihm einlegen. Wie die Sache aber jetzt liegt, befürchte ich noch viel Unangenehmes mit ihm zu erleben.“ Laut rief er Kil zu, es sei ihm besser schlafen zu gehen. Kil antwortete ihm, dass, wenn er sich auch zum Schlafen niederlege, ihm alle Ungerechtigkeiten, die ihm tagsüber widerfahren wären, in den Sinn kämen und er so lange darüber nachdächte, bis ihn die Tränen den Schlaf verscheuchten und er wieder aufstände. Da seufzte sein Vater und liess ihn stillschweigend gewähren.
Hong Pansa’s rechtmässige Gattin und eine der Konkubinen, jene ehemalige Tänzerin, welche die Ursache der Zwietracht zwischen den Eheleuten gewesen war, einigten sich jedoch in einem Punkte, dem grossen Aerger über die Zuneigung, welche der Hausherr zu seinem Sohne Kil gefasst hatte. Beide hassten den schönen Knaben und beschlossen ihn zu beseitigen, oder doch wenigstens unschädlich zu machen. Sie riefen also eine mootang oder Zauberin herbei, der sie sagten, ihr Glück und ihre Zufriedenheit sei durch das Kind einer Rivalin gestört und ihre Herzensruhe könne nur zurückkehren, wenn jener Knabe aus dem Hause verschwände. „Nichts ist leichter als das,“ beruhigte sie die mootang. „Am Ostthor wohnt eine kluge, alte Frau, ruft sie herbei und befehlt ihr, sie solle den Vater gegen den Sohn beeinflussen, was ihr ein Leichtes sein wird und das Uebrige wird sich von selbst finden.“ Das alte Weib wurde gerufen und kam gerade zu der Zeit an, als Hong Pansa sich in den Frauengemächern befand und dort mit grossem Entzücken von seinem Kil Tong erzählte. Die Alte wurde gemeldet und verbeugte sich tief vor dem Hausherrn und seinen Frauen. Hong Pansa fragte sie, was sie wolle und erhielt zur Antwort, sie habe so viel von dem wunderbaren Kil Tong gehört, dass sie sich persönlich von seinen Tugenden überzeugen und ihm seine Zukunft deuten wolle. Hong Pansa liess seinen Sohn rufen und sobald das alte Weib ihn erblickte, machte es ihm eine tiefe Verbeugung und sagte zu seinem Vater: „Schicke alle fremden Leute aus dem Zimmer.“ Nachdem dies geschehen, fuhr sie in feierlicher Weise fort: „Dieser Knabe wird ein grosser Mann werden. Wenn nicht selbst König, wird er noch grösser wie ein König sein und einst seine Familie töten, eingedenk der Ungerechtigkeiten, die er in seiner Jugend erdulden musste.“
Als die Alte zu Ende war befahl ihr Hong Pansa mit niemand von ihrer Weissagung zu reden und tiefstes Schweigen zu bewahren. Kil Tong ward sofort eingesperrt und scharf bewacht. Er war nun über dies neue Missgeschick, welches ihn betroffen, sehr betrübt, ertrug dasselbe aber mit der Zeit leichter, da der Vater ihm Bücher in seinem Gewahrsam zukommen liess. Er benutzte die Gelegenheit aus chinesischen Werken die Sternkunde zu erlernen und beschloss, später nach einem entfernten Distrikt zu entfliehen, um dort zu zeigen, was er verstände. In der Zwischenzeit war es ihm aber nicht erlaubt seine Mutter zu sehen, die er sehr liebte und sein unbarmherziger Vater war viel zu furchtsam ihn zu besuchen; so bereitete er allein alles zu seiner Flucht vor.
Hong Pansa’s Gattin und die Tänzerin sprachen aber stets von dem Unglück, welches Kil über seine Familie bringen könne und redeten dem Vater zu, seinen Sohn doch lieber töten zu lassen, „denn,“ sagten sie, „der Knabe wird, wenn er erwachsen ist, viel Unheil anrichten und der König wird dich, den Vater, dafür verantwortlich machen.“
Der ewigen Quälereien überdrüssig und selbst das Schlimmste von Kil Tong befürchtend, beschloss der feige Hong Pansa Mörder zu dingen, welche den Knaben töten sollten. Sobald er den Befehl zu dieser schlechten That gegeben hatte, ward er von einer schweren Krankheit befallen, die er für eine Strafe des Himmels hielt und deshalb seinen Befehl widerrief.
Als keine Arznei dem kranken Manne helfen wollte, rief man wieder die mootang herbei. Diese liess ihre Zaubertänze aufführen und ihre Trommeln schlagen, aber vergebens, der Hausherr blieb so krank wie vorher. Da sagte endlich eine der Konkubinen: „An Hong Pansas Krankheit ist nur Kil schuld; wenn dieser tot ist, wird jener wieder gesunden.“ Wieder wurden die Mörder herbeigerufen und erschienen auch bald mit ihren Schwertern bewaffnet und von dem alten Weibe vom Ostthor begleitet. Während nun diese alle zusammen den Plan zur Ermordung entwarfen, sass der unglückliche Kil im Gewahrsam und dachte über die Ungerechtigkeit nach, die den Vätern gesetzlich erlaubte, sich Konkubinen zu halten, dagegen den Kindern, welche ihnen diese schenkten, die Rechte verwehrte, welche die der ersten Gattin besassen. Da schreckte ihn das Krächzen einer Krähe aus seinem Brüten auf und er bemerkte, dass auf dem, seinem Fenster gegenüber stehenden Baume ein solcher Unglücksvogel sass, der dreimal hintereinander sein heiseres Geschrei ertönen liess. „Das bedeutet mir Unheil“ sagte Kil zu sich selbst und in demselben Augenblicke öffneten die von seinen Feinden gedungenen Mörder die Thür seines Gefängnisses und fielen über ihn her; — wer beschreibt aber ihr Erstaunen, als sich plötzlich das Gemach in ein düsteres Felsenthal verwandelte, der gefangene Knabe verschwunden war und die Bösewichter sahen, dass sie statt des Knaben, jenes alte Weib vom Ostthor erschlagen und sich selbst untereinander verwundet hatten. Ein mächtiger Sturm erhob sich, der grosse Felsblöcke umherschleuderte, als wenn es Kieselsteinchen wären. Entfliehen konnten sie nicht und wollten sich schon selbst den Tod geben, als sie plötzlich Musik erschallen hörten und einen Knaben erblickten, der, auf einem Esel reitend, sich ihnen näherte. Er befahl ihnen, ihm ihre Waffen auszuliefern und an seiner Stimme erkannten sie in ihm Kil Tong.
Sie flehten jämmerlich um ihr Leben, und der schöne Jüngling versprach ihnen, sie nicht zu töten, wenn sie ihm geloben wollten, nie wieder einen Menschen umbringen zu wollen. Das thaten sie bereitwillig und Kil Tong warnte sie davor, wortbrüchig zu werden, „denn“ sagte er, „ich würde es sofort erfahren und dann würde mich nichts hindern euch sogleich zu töten.“ Darauf verliess er die Männer, wandte seinen Esel der Vaterstadt zu und besuchte dort seinen Vater, der, zu Tode erschrocken, ihn für den Geist seines gemordeten Sohnes hielt; Kil Tong gab ihm eine wunderthätige Arznei, nach deren Genuss er sogleich gesund ward, nahm darauf Abschied von seiner Mutter und begab sich auf Reisen.
Der Vater war sehr froh, dass sein Sohn den Händen der Mörder entgangen war. Seine frühere Zuneigung zu der Tänzerin, die er zu seiner Konkubine erhoben hatte, verwandelte sich in Hass und er schwor, dass dieselbe nie wieder vor sein Angesicht kommen solle. Diese jedoch, so wie seine rechtmässige Gemahlin hielten ihr Vorhaben nur für aufgeschoben und hofften, dass sich bald eine Gelegenheit bieten würde, bei der sie sich rächen könnten und dann sollte Kil Tong ihnen nicht entschlüpfen.
Nachdem Kil Tong die Thore seiner Vaterstadt hinter sich hatte, schlug er seinen Weg in der Richtung nach Süden ein und begann die dortigen hohen Gebirge zu erklimmen. Dort hausten viele Tiger, von denen er einige erlegen wollte, doch diese schienen sich vor ihm zu fürchten, und ihm aus dem Wege zu gehen, so dass er ungefährdet bis zur höchsten Spitze vordrang und hier Rast machte. Er freute sich darüber, dass er fern von den Menschen und ihren ungerechten Gesetzen, dafür aber mit Kräften ausgerüstet war, welche andern Sterblichen fehlten.
Er liess seine Blicke umherschweifen und glaubte in dem Nebel ein grosses Steinthor zu erkennen, welches in einen Felsen gehauen war. Er ging näher und sah, dass er sich nicht getäuscht hatte — ein mächtiges Steinthor, dessen eine Seite unverschlossen war, stand vor ihm; er öffnete es ganz und sah sich vor einer grossen, rings von hohen Gebirgen eingeschlossenen Ebene. Auf derselben tummelten sich viele Pferde, ungefähr zweihundert Stück und eine grosse Schar bewaffneter Männer war mit denselben beschäftigt. Als diese den Jüngling erblickten, stürtzten sie sich, augenscheinlich nicht in der besten Absicht, auf ihn und fragten ihn nach seinem Namen und seinem Vorhaben, nachdem sie sich seiner Person bemächtigt hatten. „Ich bin sehr erstaunt hier Menschen anzutreffen,“ antwortete Kil, „ich heisse Hong Kil Tong, bin der natürliche Sohn Hong Pansas und da ich mir weder die Ungerechtigkeiten der Erwachsenen, noch die Spöttereien der Kinder länger gefallen lassen wollte, gedachte ich den Menschen für immer Lebewohl zu sagen und mich in diese einsame Gebirgsgegend, die ich unbewohnt glaubte, zurückzuziehen. Wer aber seid ihr, die ihr hier so allein lebt? vielleicht führt uns gleiches Leid zusammen?“
„Man nennt uns Diebe,“ erwiderte derjenige, der ihm der Anführer der Bande zu sein schien, „aber“ fuhr dieser fort, „wir nehmen nur den Beamten, welche das Volk durch ungerechte Erpressungen quälen, das Blutgeld wieder ab. Wir sind stets bereit, den Armen und Unterdrückten zu helfen, aber niemand darf unser Lager lebend verlassen, ohne einer der unsrigen geworden zu sein. Um dies jedoch zu werden, muss er uns erst beweisen, dass er Mut und Kraft besitzt. Bist du nun im Stande diese Proben glücklich zu bestehen, sollst du in unsere Mitte aufgenommen werden, wenn nicht, musst du sterben.
Kil Tong nahm diesen Vorschlag mit grosser Freude an. Sie gaben ihm verschiedene Aufgaben, mit denen er seine Kraft beweisen sollte, aber er zog es vor diese durch seine eigene Wahl zu zeigen. Auf einem aus dem Felsen hervorragenden Vorsprung hatten sich einige der Räuber zum schlafen niedergelegt. Auf diesen Felsen ging Kil Tong zu, brach das Stück Gestein mit den schlafenden Männern darauf los und warf es zu aller Erstaunen hoch in die Lüfte; am meisten erstaunt waren aber die Schläfer, welche auf so unsanfte Weise aus ihren Träumen erweckt wurden. Selbstverständlich nahm man ihn in die Genossenschaft auf und bereitete ein Festmahl zu seinen Ehren. Man machte einen schriftlichen Kontrakt, dem ein Siegel angehängt wurde, welches man aus dem Blute eines jeden der Räuber und auch aus dem Kil Tongs herstellte, dann wurde ihm der Ehrenplatz angewiesen und alle anderen bedienten ihn.
Kil Tong war nun sehr begierig seinen neuen Kameraden auch Proben seines Mutes zu zeigen. Und dazu bot sich sehr bald eine Gelegenheit dar. Seine Genossen beklagten sich, dass es ihnen trotz aller verschiedenen Versuche nicht gelungen war, einen in der Nähe stehenden Buddhistentempel zu berauben. Diese Tempel sind gewöhnlich nichts weiter als eine Art Vergnügungsort der vornehmen Beamten, wohin diese sich zu Zeiten begaben, um zügellosen Schlemmereien zu fröhnen.
Sie erlaubten den Priestern das Volk mit unaufhörlichen Erpressungen zu quälen, bis jene dadurch sehr reich geworden. Alle Versuche der Räuber ihnen diese unehrlich erworbenen Reichtümer wieder abzunehmen, scheiterten an der grossen Wachsamkeit der Priester und an der sehr guten Befestigung des Tempels. Kil Tong nahm sich daher vor, dieses Vorhaben siegreich zu Ende zu führen oder dabei sein Leben zu lassen.
Eines Tages legte er rote Gewänder an, wie sie jung verheiratete Männer zu tragen pflegen, bestieg einen Esel und machte sich mit einem als Diener verkleideten Räuber auf den Weg nach dem Tempel. An Ort und Stelle angelangt, begehrte er den Oberpriester zu sehen und sagte zu ihm, er sei der Sohn Hong Pansa’s. Sein Vater und auch er selbst habe so viel von dem berühmten Buddha-Tempel und der Weisheit seiner Mönche erfahren, dass er beschlossen, seine Erziehung bei den Priestern vollenden zu lassen und mit diesen Worten überreichte er einen angeblich von seinem Vater geschriebenen Brief, den er jedoch gefälscht hatte. Ferner bestellte er, dass sein Vater noch heute auf hundert Pferden zweihundert Säcke Reis schicken würde und zwar vor Eintritt der Dämmerung, damit die Leute nicht nötig hätten, bei Nacht das Gebirge zu passieren, wo es so unsicher sein sollte. Ein jedes der Pferde sei von einem bis an die Zähne bewaffneten Diener begleitet. Die habgierigen Priester kamen gar nicht auf den Gedanken, dass der Brief gefälscht sein könne und sie damit in eine Falle gingen, sondern freuten sich sehr über diese reiche Gabe.
Sie setzten sich zur Tafel und räumten ihrem neuen Schüler den Ehrenplatz daran ein. Die Gerichte wurden in solcher Menge aufgetragen und so viel Weinkrüge aufgestellt, dass die sich gegenüber sitzenden Personen einander nicht sehen konnten.
Kaum hatte man sich zum Mahle niedergelassen, als der Pförtner den Zug mit den Reissäcken meldete. Ein Diener wurde daher beauftragt, den Reis in Empfang zu nehmen und sich um die Pferde zu kümmern, während die Mönche sich nicht bei der Mahlzeit stören liessen. Plötzlich schrie Kil Tong laut wie vor Schmerz auf und fuhr mit der Hand an die Wange, auf diese Weise die ganze Aufmerksamkeit der essenden Priester auf sich lenkend. Zum grossen Bedauern der neben ihm sitzenden Mönche holte er einen Kieselstein aus dem Munde hervor, den er selbst vorher hineingesteckt hatte und rief wütend: „Was meint ihr eigentlich damit, mir Reis mit Kieselsteinen vorzusetzen? Ist das die Art und Weise, wie ihr die Söhne von Edelleuten bewirtet? Bin ich deswegen zu euch gekommen, ihr Schufte?“
Ganz niedergeschlagen und beschämt beugten die Priester ihre kahlen Häupter. Auf ein von Kil gegebenes Zeichen trat ein Teil der als Diener verkleideten Räuber, welche die Pferde begleitet hatten, in den Speisesaal und banden die Priester, ehe diese überhaupt etwas von ihrer Ankunft bemerkt hatten.
Die anderen Räuber, welche statt Reis in den Säcken gesteckt hatten, fesselten unterdessen alle übrigen Bewohner des Tempels und beluden die Pferde mit allem, was nur des Mitnehmens wert war.
Ein alter Priester jedoch entschlüpfte den Räubern und eilte zur nächsten Kaserne, um Soldaten herbeizuholen. In kürzester Zeit erschienen diese auch und Kil ging ihnen, als Priester verkleidet, entgegen, indem er sagte, er wolle sie einen verborgenen Gang entlang führen, von wo aus sie die Räuber hinterrücks überfallen könnten, ohne sich selbst einer Gefahr auszusetzen. Anstatt aber die Soldaten auf die Fährte der Räuber zu führen, leitete er sie nach der entgegengesetzten Richtung und liess sie dort warten, während seine Genossen, denen er auch dann nachfolgte, sich und die geraubten Schätze längst in Sicherheit gebracht hatten. Die Priester begriffen es nun, dass sie Kil Tong angeführt hatte und ihr ganzer Tempel ausgeplündert war.
Die Räuber waren so sehr von diesem Erfolge befriedigt, der ein Beweis von dem Mute und der List war, mit welchen Kil Tong zu handeln pflegte, dass sie ihn zu ihrem Hauptmann erwählten und er nicht zögerte, einen neuen Streifzug zu unternehmen.
Der Gouverneur einer benachbarten Provinz war eben so sehr seines Hochmutes als der Erpressungen halber verhasst, mit denen er die Bewohner derselben quälte und der sich dadurch unermessliche Reichtümer aufgehäuft hatte. Diesen wollte er bestrafen und hauptsächlich auch demütigen, indem er annahm, dass alle Leute sich ebenso darüber freuen würden, wie über die Bestrafung der Priester aus dem Buddha-Tempel. Er gab seinen Mannen den Befehl, sich alle einzeln nach der Stadt zu begeben, in welcher der böse Gouverneur wohnte, und hiess sie dazu einen Markttag wählen, um es weniger auffällig erscheinen zu lassen, dass eine so grosse Anzahl Fremder in die Stadt käme. Auf ein gegebenes Zeichen sollten einige der Räuber etliche der ausserhalb des Stadtthores gelegenen Häuser in Brand stecken, die anderen aber nach dem Hause des Gouverneurs gehen. Dieser Befehl ward genau ausgeführt. Der Gouverneur liess sich auf einem Tragstuhle zu der Brändstätte tragen, wohin auch eine grosse Menge Volkes strömte. Die Räuber hatten daher leichte Arbeit. Ein Teil fesselte die im Gouvernementsgebäude befindlichen Diener, während der andere Teil sich aller Wertsachen und Waffen bemächtigte. Kil Tong schrieb dann auf die Wand eines der Zimmer: „Der schlechte Gouverneur, der Bedrücker der Armen, ist durch mich, Kil Tong, von seinen, dem Volke gestohlenen Reichtümern befreit worden.“
Den Räubern gelang es, ihre Bergfeste glücklich zu erreichen, und Kil Tongs Name ward im ganzen Land bekannt. Grosse Belohnungen wurden auf seinen Kopf gesetzt, doch niemand hatte den Mut, einen so tapferen, und tollkühnen Mann zu suchen. Endlich aber erbot sich ein Beamter, den Räuber ohne irgend fremden Beistand zu fangen und ihn dem Könige auszuliefern. Der König bewunderte den Mut des Mannes und liess ihn ziehen. Dieser Beamte wurde der Pochang genannt und war weit und breit bekannt, denn er hatte die Oberaufsicht der Gefängnisse zu besorgen.
Der Pochang machte sich alsbald in der Verkleidung eines Reisenden, nur von einem einzigen Diener begleitet, auf den Weg. Er ritt einen Esel, und kam nach langer, beschwerlicher Reise gerade zu der Zeit vor einem Wirtshause an, als ein anderer Reisender, ebenfalls auf einem Esel reitend, dort auch Unterkunft verlangte. Dieser zweite Reiter war kein anderer als Kil Tong, welcher von der Absicht des Pochang gehört hatte, und es versuchte, sich ihm auf diese Weise zu nähern. Er fing sogleich eine Unterhaltung an, indem er sagte: „Das ist hier eine gefährliche Gegend! Ich wurde so eben von Kil Tong verfolgt und konnte ihm nur mit grosser Mühe entkommen.“ „Kil Tong sagst du?“ erwiderte ihm der Pochang, „Wie würde ich mich doch freuen, wenn er mir nachgejagt wäre, denn ich möchte gar zu gern den Mann zu sehen bekommen, vor dem sich alle Welt fürchtet.“
„Das Vergnügen kann dir leicht werden und du wirst befriedigt sein, wenn du ihn einmal gesehen hast,“ sagte Kil Tong. „Du wirst den Wunsch nicht zum zweiten Male hegen.“ „Wie so das?“ meinte der Pochang, „ist er denn so schrecklich, dass man vom blossen Ansehen schon Angst bekommt, oder ist er so hässlich?“ „Nicht im geringsten,“ war die Antwort. „Er sieht eben so aus wie andere Sterbliche, er beträgt sich nur anders als diese.“
„Das ist es ja eben,“ entgegnete der Pochang, „die Leute ängstigen sich vor ihm, wenn sie ihn nur sehen. Bringe mich zu ihm, so wird die Sache ganz anders werden, versichere ich dir.“
„Wenn du ihn denn durchaus sehen willst,“ erwiderte der verkleidete Kil Tong, „so gehe nur ins Gebirge; ich bin überzeugt, du wirst dort seine Bekanntschaft machen.“ „Willst du mich wohl führen?“ fragte der Pochang. „Nein, ich danke bestens,“ erhielt er zur Antwort, „ich habe ihn einmal gesehen und es gelüstet mich nicht ein zweites Mal. Aber ich will dir einen Platz sagen, wo du ihn sicher treffen kannst.“ „Auch das genügt mir, eilen wir nur damit, denn sonst entflieht mir der Räuber. Finde ich ihn wirklich an dem von dir angegebenen Orte, so sollst du fürstlich belohnt werden, und ich werde dich ferner vor dem Diebe schützen.“
Nach vielem Zureden liess sich Kil Tong doch bewegen den Führer zu spielen und den Pochang zu dem Platze zu geleiten, wo er den Räuber treffen sollte. Nachdem sie ihr Nachtmahl beendigt, machten sie sich auf den Weg. Als die Nacht immer dunkler wurde, schien der Führer sehr unruhig zu werden und versuchte es, den Pochang von seinem Vorhaben abzubringen, was aber vergebens war. Endlich gelangten sie an das Steinthor, welches offen stand, sich aber sogleich schloss, als sie es überschritten hatten. Der Führer war verschwunden und der Pochang befand sich allein inmitten der Räuber, die von allen Seiten, wie aus dem Erdboden hervorgeschossen, auf ihn zu eilten. Der Mut entsank dem Pochang, so dass er mit leichter Mühe an Händen und Füssen gefesselt in eine Halle gebracht wurde, in welcher eine Art Thron stand, auf dem er zu seinem Schrecken den Mann sitzen sah, welcher ihm als Führer gedient hatte. Nun sah der prahlerische Beamte ein, dass er in eine Falle geraten war, fiel vor Kil Tong auf das Knie und flehte um sein Leben.
Kil Tong lachte ihn aus und sagte ihm nur, er möchte bei der nächsten Gelegenheit nicht so grossmäulig sein, dieses Mal wollte er ihm kein Leid thun, sondern einen Becher Wein mit ihm trinken. Man brachte Wein und alle tranken. In den für den Pochang bestimmten Becher war aber ein Schlaftrunk gemischt; noch ehe er ihn geleert, sank er betäubt zu Boden. Dann wurde er von den Räubern in einen Sack gesteckt und auf einen hohen Berg geschleppt, von dem man die Hauptstadt und den Palast des Königs sehen konnte. Als der Pochang am nächsten Morgen erwachte und sich hoch auf dem Gebirge in einem Sacke steckend fühlte, ward er von einer so grossen Scham befallen, dass er sich von der Bergspitze herabstürzte. Sein, bis zur Unkenntlichkeit entstellter Körper wurde von Vorübergehenden gefunden. Als der König von dem Tode seines Pochang hörte, erzürnte er sich sehr über die Frechheit der Räuber, um so mehr, als aus allen acht Provinzen Nachrichten von zahllosen Räubereien kamen, von denen man vermutete, dass Kil Tong seine Hand mit im Spiele habe.
Da erliess der König Befehle an die acht Gouverneure der acht Provinzen, den Räuber Kil Tong zu fangen und nach der Hauptstadt zu bringen.
Diesem Befehle ward so gut folge geleistet, dass eines schönen Tages acht gefangene Kil Tong in der Haupstadt abgeliefert wurden. Unterdessen hatte sich der König nach Kil Tongs Familienverhältnissen erkundigt und die Folge davon war, dass Hong Pansa an den Hof befohlen wurde. Der König fragte ihn sehr zornig, was er denn eigentlich damit bezwecke, einen solchen Sohn grossgezogen zu haben? Hong Pansa wurde vor Schreck ohnmächtig und wäre sicherlich gestorben, wenn man ihm nicht eine belebende Arznei eingeflösst hätte. Er hatte seinen ältesten Sohn mitgebracht und dieser erklärte, dass Kil Tong nur der Sohn einer Sklavin seines Vaters sei, von Jugend auf unverbesserlich und längst seiner Zuchtrute entlaufen wäre.
Der König wollte nun wissen, wer von diesen acht eingelieferten Leuten der echte Kil sei und da der Alte aussagte, sein Sohn habe am rechten Schenkel eine Narbe, so liess er sie untersuchen. Da stellte es sich heraus, dass ein jeder von ihnen eine Narbe am rechten Schenkel hatte, worauf der König befahl, sie alle acht hinzurichten. Die Soldaten wollten dem Befehle Folge leisten und die Männer ergreifen, aber, siehe da — sie hatten sich in Strohpuppen verwandelt. —
Bald darauf fand man an den Mauern des Palastes Plakate, welche an den König gerichtet waren und ihm mitteilten, dass Kil Tong alle Feindseligkeiten einstellen wolle, wenn der König ihm den Rang eines Pansa verleihen und den Flecken seiner Geburt von ihm nehmen würde. Natürlich wollte der König nicht auf ein so hohes Verlangen eingehen, denn er mochte keinen Mann zum Beamten ernennen, der früher Räuber gewesen. Seine Minister jedoch rieten ihm, auf Kil Tongs Vorschlag anscheinend einzugehen, und wenn dieser dann bei Hofe erscheinen würde, um sich zu bedanken, sich seiner zu entledigen, indem er ihn ermorden liesse.
Es wurde daher an solchen Orten, von wo aus Kil sie leicht erkennen konnte, Bekanntmachungen angeschlagen, die seine Ernennung zum Pansa enthielten und zugleich seinem zweiten Wunsche Rechnung trugen. Kil erfuhr von diesen Bekanntmachungen und zeigte sich also bald vor dem Stadtthore, um sich von da aus zum Könige zu begeben, obwohl er sehr genau wusste, was man gegen ihn im Schilde führte. Eine Menge Volkes begleitete ihn. Als er bereits die Thore des Palastes durchschritten hatte und vom Könige bemerkt worden war, liess sich plötzlich eine überirdische Musik vernehmen, und eine Wolke senkte sich hernieder, die ihn ganz verhüllte und ihn seinen Feinden entführte.
Kurze Zeit darauf lustwandelte der König, nur von wenigen Dienern begleitet, in seinem Garten. Es war in einer hellen, linden Mondnacht, so dass man alle Gegenstände nah und fern wohl zu erkennen vermochte. Da hörte der König plötzlich die leisen Töne einer Flöte, und gewahrte einen Mann, auf einem Storche reitend, der sich ihm näherte. Er glaubte, dass ein Gott ihn mit seinem Besuche beehren wolle und schickte sogleich zu seinem Oberkämmerer, damit dieser die notwendigen Begrüssungen mache. Ehe dieser aber damit angefangen, sagte der Mann auf dem Storche: „Fürchte dich nicht, o König, ich bin nur Hong Pansa (so lautete Kil Tongs neuer Titel), der dir seine Verehrung und den Dank für die Ernennung darbringen will und möchte von dir selbst die Bestätigung meines Titels hören.“
Der König that wie Kil wünschte, denn er sah ein, er könne ihm nichts anhaben und sagte dann zu ihm:
Ich habe alles gethan, was du begehrtest, was willst du noch von mir?“
„Ich will auswandern,“ antwortete Kil Tong demütig, „und mich anderswo in Frieden niederlassen, gieb mir dazu 3000 Sack Reis und lasse mich in Gnaden ziehen.“
„Wie kannst du denn eine so grosse Menge Reis fortschaffen?“ meinte der König.
„Das lasse nur meine Sorge sein,“ antwortete der neue Hong Pansa. „Gieb nur den Befehl, dass man mir den Reis ausliefere, ich will ihn schon bei Tagesanbruch fortschaffen.“ Der König erliess den Befehl und mit nächstem Morgengrauen erschienen einige Schiffe vor den Speichern, welche so schnell die 3000 Sack Reis verluden und dann verschwanden, dass die Leute kaum etwas davon merkten.
Kil Tong segelte gen Westen und fand bald eine unbewohnte Insel, auf welcher er sich niederliess. Seinen Leuten lehrte er den Boden zu bearbeiten und brachte seinen ganzen, bisher in Versteck gehaltenen Reichtum auf diese Insel, wo er mit ihnen in Ruhe und Zufriedenheit lebte, bis er einen Ausflug zu einer benachbarten Insel unternahm.
Auf dieser gedieh eine sehr giftige Pflanze, mit deren Saft man die Spitzen der Pfeile benetzte und dieses Gift wollte sich Kil verschaffen. Daselbst angelangt sah er überall Proklamationen angeschlagen, in welchen bekannt gemacht wurde, dass die halbwilden Gebirgsbewohner die einzige wunderschöne Tochter eines reichen, vornehmen Mannes geraubt und mit sich in die Berge geschleppt hätten und dass der unglückliche Vater demjenigen eine hohe Belohnung zusichere, der ihm die Tochter wiederbrächte.
Kil Tong klomm Tag und Nacht, bis er die höchste Spitze des Gebirges erreicht hatte, auf welcher die Pfeilgiftpflanze wuchs und machte Anstalten, sich zur Nachtruhe einzurichten, um für den nächsten Tag frische Kräfte zu sammeln, als er einen Lichtschimmer gewahrte. Diesem folgte er bis er ein Haus bemerkte, aus dem das Licht hervordrang. Ersteres war unter einem Felsenvorsprung erbaut und schien sehr schwer zu erreichen. Er ging näher und näher bis er hineinblicken konnte und eine grosse Anzahl schmutziger, notdürftig bekleideter Männer mit langem, schwarzen Haar bemerkte, welche rauchten und tranken und recht guter Dinge zu sein schienen.
Der Aelteste unter ihnen, welcher ihr Anführer sein musste, quälte ein junges Mädchen, indem er ihm den Schleier zu entreissen suchte, mit welchem es das Gesicht verhüllt hatte. Kil Tong konnte diese Bosheit nicht ruhig mit ansehen, ergriff seinen Bogen, um den Alten einen vergifteten Pfeil ins Herz zu senden. Leider war die Entfernung zu gross, denn statt den Bösewicht zu töten, verwundete er ihn nur am Arm. Die Männer waren höchst bestürzt darüber, denn sie konnten Kil Tong nicht sehen, und in der Verwirrung, die über sie kam, gelang es dem jungen Mädchen zu entfliehen. Kil Tong suchte sich einen entlegenen Platz aus und legte sich nieder, um zu schlafen. Ganz früh am Morgen des nächsten Tages fanden ihn die wilden Männer dort noch schlafend und machten ihn zu ihrem Gefangenen. Sie fragten ihn, wer er sei und was er auf dieser Insel wolle. Da antwortete er ihnen, dass er ein Arzt sei und hierher käme, um eine Medizinpflanze zu suchen, die nur hier zu finden sein solle. Diese Antwort gefiel den Männern sehr gut, und sie erzählten Kil Tong, dass ihr Anführer von einem Pfeile verwundet worden sei, der aus den Wolken gefallen wäre und fragten ihn, ob er ihn wohl heilen könne. Kil Tong versprach, es zu versuchen; man führte ihn an das Lager des Verwundeten und er sagte ihnen, in drei Tagen wolle er ihn gesund machen. Schnell nahm er etwas von dem Safte der Giftpflanze und tröpfelte es in die Wunde des Alten, der sogl