In der Provinz Chullado, im südlichen Korea, lebten vor vielen, vielen Jahren zwei Brüder, von denen der eine sehr reich, der andere sehr arm war. Der Unterschied in ihren Vermögensverhältnissen entstand dadurch, dass der ältere Bruder beim Tode des Vaters alle Besitztümer an sich riss, statt brüderlich mit dem jüngeren zu teilen, der dadurch in das grösste Elend geriet. Nahl Bo, der ältere, hatte neben seiner rechtmässigen Gattin noch viele Sklavinnen und Konkubinen, aber keine Kinder, während Hyung Bo, der jüngere, nur eine einzige Frau, aber zahlreiche Kinder besass. Während Nahl Bo sich mit seinen Frauen und diese wieder untereinander oft heftig zankten, lebte Hyung Bo mit seinem Weibe in Frieden und Eintracht, indem beide Eheleute bestrebt waren, einander das schwere Dasein zu erleichtern. Der ältere Bruder besass einen schönen, grossen Garten mit vielen, im Winter heizbaren Häusern darin und der jüngere hatte nur eine kleine, mit einem Strohdache versehene Hütte, die so schlecht erhalten und so baufällig war, dass nach dem Regen grosse Wasserlachen auf dem Fussboden standen. Das einzige Zimmer, welches die Hütte enthielt, war so klein, dass Hyung nicht selten im Schlafe, wenn er sich ausstreckte, die dünne Lehmwand mit den Füssen einstiess. Er konnte den Fussboden seiner elenden Hütte auch nicht heizen, wodurch sich das Gewürm auf demselben vermehrte, so dass Hyung öfters diesem Ungeziefer das Zimmer überliess und im Freien mit den Seinigen übernachtete. Begreiflicherweise hatte er kein Geld erspart, denn er war froh genug, wenn er täglich für sich und seine Familie den Lebensunterhalt verdiente. So lange es die Witterung erlaubte arbeitete er als Tagelöhner auf dem Felde und seine Frau verdiente etwas dazu durch Nähen, konnten sie aber beide keine andere Beschäftigung finden, so flochten sie Strohschuhe, die sie auf den benachbarten Dörfern verkauften. In der Zeit, wo sie sich durch ihrer Hände Arbeit ernähren konnten, ging alles ganz gut, sie waren glücklich und zufrieden, aber als einstmals für beide keine Arbeit zu finden war und sie auch kein Geld hatten, um sich das Material zum Flechten der Schuhe zu kaufen, waren die armen Eltern sehr traurig, denn sie wussten nicht wie sie den Hunger ihrer nach Brot schreienden Kinder stillen sollten. Kein Körnchen Reis war in der Hütte zu finden, so dass auch eine alte Ratte, welche ihr Logis in Hyungs Wohnung aufgeschlagen hatte und nachts herumstöberte, ohne das Geringste zu finden, was sich verzehren liess, dem Verzweifeln nahe war. Durch Durst und Hunger ganz wütend geworden stiess das hungrige Tier ein solches Klagegeschrei aus, dass die Nachbarn davon aus dem Schlafe erwachten. Die Ratte behauptete, ihre Beine seien durch das nutzlose Herumlaufen kürzer geworden.
In dieser grossen Not schickte Hyungs Frau den ältesten Sohn zu dem reichen Bruder ihres Mannes und liess ihn bitten, ihr etwas Reis zu borgen, den sie ehrlich wiedergeben würde, sobald sie wieder Geld verdiene.
Der Knabe entschloss sich nur zögernd den Auftrag seiner Mutter auszurichten, denn sein Oheim nahm nicht Notiz von ihm, wenn er ihm auf der Strasse begegnete und erwiederte nie seinen Gruss, sodass er fürchtete, man würde ihn durchprügeln, wenn er das Haus desselben beträte. Aber dem Befehle der Mutter musste gehorcht werden und so machte er sich schweren Herzens auf den Weg zu seinem Oheim. Vor dessen Gehöft angekommen, sah er auf dem Felde wohlgenährte, wertvolle Kühe; die Schweineställe waren gefüllt und ganze Hühnervölker trieben ihr Wesen im Hofe. Aber der Oheim hielt auch viele grosse Hunde, die wütend bellten, als sie ihn erblickten und auf ihn zustürzten und ihm die Kleider vom Leibe rissen. Der Knabe hatte grosse Angst und wollte schon wieder davonlaufen, als ihm die grosse Not zu Hause einfiel. Er rief die Hunde freundlich an, einer von ihnen kam wedelnd auf ihn zu und leckte seine Hände, als schäme er sich des Betragens der Übrigen. Eine Magd wollte ihn fortjagen; als er aber sagte, er sei der Neffe ihres Herrn und müsse seinen Oheim sprechen, liess sie ihn lächelnd den innern Raum betreten, wo er dann seines Vaters Bruder mit gekreuzten Beinen auf einer Veranda sitzend und seine Pfeife rauchend sah.
Der Oheim fragte ihn brummend: „Wer bist du?“ „Ich bin dein Neffe,“ antwortete der Knabe. „Wir haben seit drei Tagen nichts gegessen und sind dem Hungertode nahe. Mein Vater ist ausgegangen, um Arbeit zu suchen und ich bitte dich, uns etwas Reis zu leihen, den wir dir ehrlich wiedergeben wollen.“
Der Onkel sah ihn mit einem bösen Blicke von der Seite an, so dass das Kind sich schon nach einem Schlupfwinkel umsah, denn es erwartete nichts Gutes.
Endlich erhob der Oheim seine Stimme und sagte zornig: „Mein Reis ist gut verpackt, ich habe Befehl gegeben die Speicher nicht zu öffnen. Mein Mehl ist versiegelt, ich kann die Säcke nicht öffnen. Wenn ich dir kalte Lebensmittel gäbe, würden dich die Hunde anfallen und sie dir entreissen. Gäbe ich dir Treber aus der Weinpresse könnten dich die Schweine angrunzen; Kleie kann ich dir auch nicht geben, denn dann würden meine Kühe dich mit den Hörnern stossen. Schere dich zum Henker und lasse dich hier nie wieder sehen.“ Mit diesen Worten stand er auf, ergriff den Knaben und warf ihn zum Thor hinaus.
Weinend ging das Kind heim. Seine Mutter erwartete seine Rückkehr mit Sehnsucht, denn sie tröstete die weinenden Kleinen damit, dass sie ihnen sagte, der älteste Bruder würde ihnen vom Oheim etwas zu essen bringen, Als sie die Thränen in den Augen ihres Sohnes bemerkte, fragte sie ihn besorgt: „Hat der Oheim dich geschlagen?“ „Nein,“ antwortete das Kind, „er war gar nicht zu Hause, er ist in Geschäften verreist,“ denn er wollte seiner Mutter nicht die volle Wahrheit sagen, um sie nicht noch mehr zu betrüben, auch schämte er sich wegen des schlechten Betragens seines Oheims.
Dann bleibt uns nichts übrig als zu sterben, dachte die Mutter. Doch in demselben Moment fiel ihr ein, dass sie noch ein Paar Strohschuhe hatte. Diese ging sie hin zu verpfänden und kaufte für den Erlös Reis. Nachdem die Kinder sich gesättigt hatten, gingen sie, zum erstenmale nach langer Zeit, fröhlich schlafen; die arme Mutter aber gedachte mit der alten Sorge des nächsten Tages. Am Abend spät kehrte Hyung zurück. Er hatte auf dem Berge Reisig gesammelt und verkauft und löste nun mit dem gewonnenen Gelde die Strohschuhe wieder ein und kaufte für den Rest Lebensmittel. Das Glück schien sich wieder zu nähern, denn am nächsten Tage fand die Mutter Beschäftigung mit Näharbeit und der Vater konnte einem Reisenden das Gepäck tragen, wofür er reichliche Bezahlung und eine gute Mahlzeit erhielt. Dann bekam er von einem Geschäftsmanne den Auftrag einen wichtigen Brief zu besorgen, an dessen schneller Beförderung viel gelegen war und wofür er sehr gut bezahlt wurde.
Als er von seinem Botengang zurückkam hörte er, dass ein sehr reicher Mann vom Polizeihauptmann fälschlich angeklagt und ins Gefängnis geworfen worden sei und dort nun öffentlich durchgeprügelt werden sollte, wenn er dem Beamten nicht eine grosse Summe Geldes zahlte. Diesen Mann besuchte Hyung und bot ihm an, sich für ihn durchprügeln zu lassen, wenn er ihm 3000 Cash als Schmerzensgeld auszahlen liesse. Der Gefangene war sehr erfreut über dies Anerbieten, auch dass er so billig davon kam und Hyung ward öffentlich statt seiner geprügelt.
Leider wurde die Unterschiebung entdeckt, Hyung bekam sein ausbedungenes Geld nicht, der reiche Mann aber dafür die Prügel noch nachträglich und darüber war er so erbost, dass er ihm nicht einmal das kleinste Geschenk aus Mitleid gab. Das Ehepaar war sehr betrübt über dies neue Missgeschick, tröstete sich aber mit den Worten: „Wenn wir recht thun, wird uns schliesslich der Lohn des Himmels nicht ausbleiben,“ wodurch sie immer wieder neuen Mut fassten.
Der Frühling zog bald nach dieser Begebenheit ins Land und mit ihm kamen die Schwalben, welche sich Nester am Dachfirst der Hütte bauten. „Es ist mir leid um die armen Vogel,“ sagte Hyung zu seinem Weibe, „dass sie sich gerade an unserm Dache anbauen, denn unsere Hütte ist so schlecht, dass sie uns nächstens über dem Kopf zusammenstürzen wird.“
Die Schwalben hatten bald ihre Nester voll Junge. Hyung freute sich mit seinen Kindern über die Tierchen und fütterte sie von dem Wenigen, was sie selbst hatten, so dass Alte und Junge bald ganz zahm wurden und zutraulich vor der Hütte umherhüpften.
Eines Tages sass Hyung vor seiner Thür, als eine grosse Schlange so schnell herzu kroch, dass sie mehrere von den jungen Schwälblein erhaschte, ehe er aufstehen und sie daran verhindern konnte. Eine kleine Schwalbe fiel vor Schreck aus dem Neste und blieb von aussen daran hängen, so dass sie der immer näher kommenden Schlange als Beute preisgegeben war. Da verscheuchte Hyung die greuliche Amphibie und errettete die Schwalbe, welche beide Beine gebrochen hatte; er verband ihr mit Hilfe seiner Frau die gebrochenen Gliedmassen und verpflegte sie so lange, bis sie wieder ganz gesund war. Als das Tierchen wieder Gebrauch von seinen Gliedern machen konnte, flog es davon und vereinigte sich freudig mit seinen Genossen.
Der Herbst hatte bereits seine Herrschaft angetreten, als Hyung mit seiner ganzen Familie vor der Thür seiner Hütte sass — es war am neunten Tage des neunten Monats. — Da fiel ihnen auf, dass sich die kleine Schwalbe mit den verkrüppelten Gliedmassen auf eine Waschleine gesetzt hatte und ihnen zuzuzwitschern schien. „Ich glaube,“ sagte Hyung, „der kleine Vogel bedankt sich bei uns und will Abschied von uns nehmen, bevor er nach dem Süden fliegt.“
Er mochte recht haben, denn sie sahen das Vögelchen auf lange Zeit nicht mehr wieder. Die kleine Schwalbe war nämlich mit vielen andern Vögeln ins Vogelland gezogen, um dem König der Vögel ihre Ehrfurcht zu bezeigen.
Als dieser die kleine krummbeinige Schwalbe erblickte, fragte er sie nach der Ursache ihrer Verunstaltung und erfuhr nun, wie sie beinahe von einer Schlange gefressen worden wäre, aus Furcht aus dem Nest gefallen und mit gebrochenen Beinchen von aussen daran gehangen habe, bis sie von einem sehr armen aber sehr gutem Manne gerettet und verpflegt worden sei.
Der Vogelkönig war über die Gutherzigkeit des armen Mannes gegen einen seiner Untertanen sehr erfreut und gab der Schwalbe ein Samenkorn, auf welchem goldene Schriftzeichen standen. Dieses Korn, welches zu einer Kürbisart gehörte, sollte sie im Frühjahr ihrem Wohlthäter mitbringen.
Nach dem Herbst war der Winter ins Land gezogen und ihm folgte soeben der Frühling. Wäre es möglich, so könnte man annehmen, dass Hyung in der Zeit, in der wir nichts von ihm hörten, noch ärmer geworden sei, so jämmerlich und erbärmlich war sein Aussehen als er an einem sonnigen Frühjahrsmorgen fröhliches Vogelgezwitscher vernahm. Wer beschreibt sein Erstaunen als er, sich nach dem Sänger umschauend, seinen kleinen Pflegling vom vorigen Jahre erkannte. Das Vögelchen schien ordentlich froh darüber zu sein, dass es die Aufmerksamkeit Hyungs auf sich gelenkt hatte und von ihm augenscheinlich wieder erkannt wurde. Es sang ihm von des Königs und seiner eigenen Dankbarkeit und von dem mitgebrachten Geschenke, liess das Samenkorn mit der goldenen Inschrift zu Boden fallen und flog dann fort.
Hyung nahm das Korn auf und las die goldenen Schriftzeichen mit grösster Verwunderung. Auf der einen Seite war der Name der Kürbisart verzeichnet, auf der andern standen die Worte: „Begrabe mich in weicher Erde und begiesse mich fleissig.“ Hyung that dies und hatte die Freude schon am vierten Tage zu bemerken, dass das Körnchen zu keimen anfing. Sobald der Stempel sich gebildet hätte, wuchs die Pflanze erstaunlich schnell und hatte bald das ganze Dach überrankt, so dass Hyung befürchtete, die baufällige Hütte könne das Gewicht nicht tragen, und würde zusammenbrechen. Bald kamen goldgelbe Blüten hervor, die mit ihrem Duft die Luft erfüllten und nach ihnen zeigten sich vier kleine Kürbisse, die sich in kürzester Zeit zu ganz erstaunlicher Grösse entwickelten. Hyung hatte grosse Eile die Früchte abzuschneiden, aber seine Frau riet dazu, man solle sie lieber bis zum Eintreten des Frostes auf dem Stengel lassen; wenn sie völlig ausgereift wären, könne man das Fleisch essen und die Schalen zu Trinkgefässen Verarbeiten und würde dadurch doppelten Gewinn aus dem Geschenke ziehen. Hyung wartete also bis zum neunten Monate mit dem Abschneiden und bemerkte, dass jetzt von der Pflanze nichts mehr übrig war als die vier Früchte an ihren Stengeln. In grösser Aufregung und voll Neugier holte er Säge und Axt herbei, um den grössten Kürbis zu zerteilen. Nach stundenlanger Arbeit war dies geschehen, der Kürbis fiel in zwei Hälften auseinander. Beinahe wäre Hyung aber jetzt in Ohnmacht gefallen, denn er erblickte zwei reizende Kinderchen im Innern der Frucht, welche einen kleinen, reich mit Edelsteinen verzierten Tisch trugen, der aus Opal gearbeitet war. Auf dem Tische standen einige Flaschen Wein und kostbare Trinkbecher. Hyung rief seine Frau herbei, damit auch sie das Wunder betrachten solle und diese war ebenfalls vor Schreck ganz sprachlos. Die Eheleute erholten sich bald von ihrem freudigen Schreck, als das eine der Kinder mit lieblicher Stimme sagte: „Der König der Vögel sendet euch dies Geschenk aus Dankbarkeit dafür, dass ihr einem seiner Untertanen in der Not und Krankheit so gut gepflegt habt. Die kleine Schwalbe hat von der ihr erwiesenen Wohlthat berichtet.“ Ehe Hyung und seine Frau antworten konnten, nahm das Kind eine der Flaschen, die aus Silber gefertigt war, stellte sie vor Hyung hin und sagte: „Der Inhalt dieser Flasche macht Tote wieder lebendig.“ Dann ergriff es eine zweite und sagte: „Dieser giebt Blinden das Augenlicht wieder.“ Darauf nahm es eine dritte, goldene und überreichte sie ihm mit den Worten: „Sie enthält Tabak, nach dessen Gebrauch den Stummen die Stimme wiedergegeben wird“ und endlich ergriff es die zweite goldene und sagte: „Die Tropfen, welche diese Flasche enthält, schützen vor Tod und Alter.“ Dann verneigten sich die Kinderchen und liessen das Ehepaar stumm vor Staunen allein. Hyung und seine Frau blickten sich einander an und dann wieder auf die Früchte, um sich zu vergewissern, dass sie nicht träumten. Endlich sagte der Mann: „Jetzt kann ich mich der herrlichen Flaschen nicht freuen, denn ich bin so hungrig, dass ich fürchte umzufallen, wenn ich nicht bald etwas zu essen bekomme. Wir wollen die zweite Frucht öffnen und sie essen.“ Mit vieler Mühe gelang es ihnen, den andern Kürbis zu zerteilen, aber siehe da, er enthielt kein Fleisch, sondern die prachtvollsten Hausgeräte in solcher Menge, dass sie dieselben gar nicht alle in ihrer Hütte unterbringen konnten, sondern den ganzen Raum vor derselben mit allerlei Sachen, schönen Seidenstoffen, Kattun und Wolle belegten, so dass sie nicht im Stande waren, alle Schätze zu übersehen. Die Neugier, zu wissen, was die andern Früchte enthielten, liess Hyung seinen Hunger vergessen; er öffnete den dritten Kürbis und ihm entstiegen eine Menge Zimmerleute mit reichlichem Material versehen, welche in kaum zehn Minuten ein prachtvolles Gebäude aufführten, dazu Häuser für die Dienerschaft, Ställe und Speicher und dann das Ganze mit einer hohen Mauer umgaben. Als alles fertig war, erschien ein unabsehbarer Zug von Ochsen und Pferden, alle mit Reis und Lebensmitteln beladen; andere führten viele männliche und weibliche Diener, die Geld, Kleider und sonstige landesübliche Dinge als Tribut aus der Provinz brachten, in welcher das Gebäude stand.
Das Ehepaar glaubte ins Feenland versetzt zu sein, und vergnügte sich damit, den Dienern ihre Befehle zu erteilen, da selbige doch nun einmal da waren. Hyung ordnete an, dass das Geld in den sahrang, die Kleider und Stoffe in der tarak, der Reis und die andern Lebensmittel in den Speichern verwahrt würden und seine Frau wünschte ein Bad bereitet zu haben — beide waren erstaunt darüber, dass ihre Befehle sofort ausgeführt wurden und vergassen, dass noch ein Kürbis vorhanden war, welcher des Oeffnens harrte. Erst die Dienerschaft erinnerte daran und erhielt den Befehl ihn zu öffnen. Aus dieser letzten Frucht stieg ein so wunderschönes Mädchen, dass Hyung ganz berauscht von seiner Schönheit war, denn Aehnliches hatte er noch nie erblickt. Seine Frau war weniger erfreut, als sie das schöne Wesen erblickte und fragte in ziemlich barschem Tone, wer es sei und was es wolle, denn sie fürchtete eine Rivalin vor sich zu haben. „Ich wurde von dem König der Vögel hierher gesandt, um die Konkubine dieses Mannes zu sein,“ antwortete das schöne Mädchen mit sanfter Stimme. Die Frau Hyungs erwiderte ihr, dann solle sie nur dahin zurückgehen, von wo sie herkäme, ihr Mann brauche keine zweite Frau. Ihrem Manne machte sie aber bittere Vorwürfe, dass er die vierte Frucht habe öffnen lassen und sagte, dieses Mädchen sei die Strafe dafür, dass er mit dem nicht zufrieden gewesen sei, was die drei anderen Kürbisse für sie enthalten hatten.
Doch damit kam sie schön an! Hyung wurde sehr zornig zu seiner Frau und sagte ihr, sie solle sich wegen ihres eifersüchtigen Betragens schämen und lieber bedenken, dass alles Geschenke des Himmels seien und dass sie ohne dieselben Bettler geblieben wären. Dann schickte er sie in die Frauengemächer und drohte ihr, dass er sie in ein alleinstehendes Haus einschliessen würde, wenn sie sich noch einmal so unfreundlich beträge. Das schöne Mädchen führte er in die für dasselbe hergerichteten Gemächer.
Sobald Nahl Bo von diesen Begebenheiten gehört hatte, machte er sich auf den Weg, um seinen Bruder zu besuchen. Er fand das Gerücht von der Pracht seiner Gebäude und seinem Reichtum nicht übertrieben, beschuldigte ihn der Zauberei und wünschte ganz genau zu erfahren, woher ihm die schönen Sachen gekommen wären. Nachdem Hyung seinem Bruder getreulich von Anfang bis Ende alles erzählt hatte, was mit diesem Wunder zusammenhing, war dieser sehr ungehalten, statt sich über das Glück seines Bruders zu freuen. Es schalt ihn einen Dieb, weil er alle schönen Geschenke für sich behalte und nicht mit ihm teilte. Darüber ärgerte sich Hyung zwar sehr, aber, gutherzig, wie er von Natur war, vergab er ihm seine frühere Hartherzigkeit und die bösen Worte, die er soeben gesprochen hatte und beschenkte ihn reichlich aus seinem Ueberfluss. Er hätte ihm wohl noch mehr gegeben, wenn Nahl Bo nicht das schöne Mädchen erspäht hätte und dieses sogleich auch geschenkt haben wollte. Dagegen sträubte sich aber Hyung ganz energisch und die Brüder trennten sich im Unfrieden. Nahl Bo beschloss, sich an Hyung Bo zu rächen, in dem er sich des ihm anvertrauten Geheimnisses bediene, um sich dann noch weit grössere Schätze, wie sein Bruder besässe, zu verschaffen. Sobald er in sein Haus heimgekehrt war, gab er seinen Dienern Befehl, nach allen Vögeln mit Steinen zu werfen und mit Stöcken zu schlagen und half ihnen selbst bei dieser Grausamkeit. Nachdem eine Menge kleiner Vögel getötet waren, gelang es ihm endlich einen lebendig zu fangen. Diesem brach er die Beine und heilte sie ihm später wieder zusammen. Als das Tierchen wieder kräftig genug war, flog es mit seinen krummen Gliedmassen von dannen. Auch dieses Vögelchen wurde vom König der Vögel nach der Ursache seiner missgestalteten Beine gefragt und erzählte von den Grausamkeiten, die der böse Nahl Bo begangen hatte. Der König wusste sogleich, was der Zweck dieser Unthaten gewesen und übergab diesem Vogel ebenfalls ein Samenkorn, welches er im nächsten Frühling dem bösen Nahl Bo bringen solle.
Als das Frühjahr gekommen war, sass Nahl Bo vor der Thür seines Hauses und hörte über sich Vogelgesang, der ihm nicht unbekannt zu sein schien. Er sah sich um und erkannte den von ihm verkrüppelten Vogel, der auf einem Baum in der Nähe sass und ein Samenkorn im Schnabel trug. Vor Freude über diesen Anblick liess er seine lange Pfeife zur Erde fallen, rannte selbst zu dem Baume, auf welchem der Vogel sass und wehrte jedermann ihn zu begleiten. Er war so eilig, dass er vergass die Schuhe anzuziehen und seine neuen Strümpfe arg beschmutzte, indem er über den feuchten Erdboden lief. Der Vogel liess das Samenkorn fallen, als Nahl Bo bis dicht zu ihm herangekommen war und schwang sich dann in die Luft. Der habgierige Nahl Bo nahm das Körnchen auf, pflanzte es eigenhändig ein und verfuhr dabei ganz so wie die Schriftzeichen darauf andeuteten. Die Pflanzen, welche sich daraus entwickelten, wuchsen noch viel schneller als im vorigen Jahre diejenigen von Hyung Bo. Sie waren so stark und mächtig, dass sie alsbald das ganze Haus, die Ställe und Speicher überwucherten, so dass Nahl Bo Angst bekam, seine Gebäude würden dem Gewichte unterliegen. Auch hatten sich nicht vier, sondern zwölf Kürbisse entwickelt, die so gross waren, dass man sie auf dem Dache befestigen musste, weil sie sonst herunter gerollt wären. Der überglückliche Besitzer musste Leute annehmen, um die Früchte des Nachts zu bewachen, denn seitdem der Ursprung von Hyungs Reichtum bekannt geworden war, wollte jedermann einen solchen Kürbis haben und Nahl Bo fürchtete bestohlen zu werden.
Diese Leute kosteten ihn eine grosse Summe Geld und die schweren Früchte thaten dem Dache und dem Gemäuer viel Schaden; die Ranken krochen unter die Ziegel, nach Sand suchend, und hoben viele Steine aus dem Gefüge. Von den Mauern fiel der Kalk ab, denn sie gaben der Wucht der Pflanze nach und bekamen Risse. Durch den vom Dache abfallenden Kalk wurden die Zimmerdecken, welche von Papier waren, beschädigt und der Regen tropfte in das Innere der Räume. Dies Alles konnte Nahl Bo aber nicht die Vorfreude verringern, mit der er an die Schätze dachte, welche die ausgereiften Kürbisse enthalten würden. Endlich war der Tag herangekommen, an welchem die reifen Früchte von vielen Arbeitern von den Dächern an Tauen herabgelassen werden konnten. Nachdem Nahl Bo alle Kürbisse in seinem innersten Hofe aufgestapelt hatte, schickte er alle Arbeiter fort, behielt nur den Zimmermann und seinen Gesellen bei sich, die ihm beim Oeffnen der Früchte helfen sollten, und verschloss die Thore seines Hauses.
In Erwartung der schönen Sachen, die er nun bald besitzen würde, fühlte sich Nahl Bo so grossmütig und zufrieden, dass er dem Zimmermanne die verlangten tausend Cash für seine Arbeit bewilligte, obwohl er mit fünfzig Cash reichlich bezahlt gewesen wäre.
Die Zimmerleute machten sich daran, den ersten Kürbis zu zersägen. Bald war die Arbeit geschehen, er lag in zwei Hälften da. Vor den erstaunten Augen der Anwesenden entstieg ihm eine Seiltänzerbande, ganz ebenso wie diejenigen, welche auf den öffentlichen Plätzen in Koreo ihre Vorstellungen zu geben pflegen. Auf eine solche Ueberraschung war Nahl Bo freilich nicht vorbereitet, er machte aber gute Miene zum bösen Spiel und sah zu, wie die Seiltänzer ihre Vorstellung gaben, so gut es eben in dem beschränkten Raume anging. Er und seine Familie, die sich auch dazu gefunden hatte, glaubten sie wären nur erschienen, um die unermesslichen Reichtümer anzuzeigen, welche die anderen Kürbisse enthielten und hatten mit der einen Vorstellung genug, der sie beigewohnt. Nahl Bo sagte ihnen daher, als sie sich gerade zu einer neuen Vorstellung zurecht machten, sie könnten gehen, er wolle nichts mehr sehen. Aber die Seiltänzer wollten nicht eher gehen, als bis sie für ihre Kunstleistung fünftausend Cash erhalten hätten und schworen hoch und teuer, sie würden auf Nahl Bos Kosten so lange bei ihm bleiben, bis sie ihr Geld hätten. Nahl Bo gab nur mit grösstem Widerwillen nach und beschuldigte den Zimmermann, der sehr hässlich war, ein blatternnarbiges Gesicht und einen Mund hatte, den eine Hasenscharte verunzierte, dass sich das Gold im Kürbis gewiss verwandelt habe, weil er es mit seiner Hässlichkeit verhext habe, denn er glaube sicher, dass Gold darin gewesen wäre.
Die zweite Frucht brachte kein besseres Resultat zum Vorschein. Eine Schar buddhistischer Priester entstieg ihm, welche für den Bau eines neuen Tempels sammelte und dem Geber viele Kinder als Segen des Himmels versprach, wenn er viel Geld für den Bau hergäbe. Nur um die Mönche so bald als möglich los zu werden, beeilte sich Nahl Bo ihnen fünftausend Cash auszuzahlen, verlangte aber, dass sie sofort sein Haus verliessen, denn er wartete nur auf ihr Fortgehen, um die dritte Frucht zu öffnen, in welcher er sicher Gold vermutete, welches er nicht der Habgier der Bettelmönche preisgeben wollte.
Nun kam der dritte Kürbis an die Reihe. Mit seinem Inhalt war es aber sehr traurig bestellt; es war ein Leichenzug, der langsam aus der Mitte hervorstieg. Die Leidtragenden weinten und heulten in ohrenzerreissender Weise und baten um Geld, den Leichnam, den sie mit sich führten, beerdigen zu können. Nahl Bo befahl ihnen, sich fortzupacken, er kenne sie nicht und wolle nichts geben. Sie antworteten aber, dass sie ohne ein Geldgeschenk nicht gehen würden und so wusste er sich nicht anders zu helfen, als ihnen auch fünftausend Cash auszuzahlen, worauf die Sargträger den Sarg aufnahmen und zum Thore hinauszogen. Nun erschien Nahls Frau im innern Hofe und überhäufte den Zimmermann ihrerseits mit Vorwürfen und Schimpfreden, indem sie sagte, alle diese Auslagen habe man seiner Hässlichkeit wegen zu zahlen. Darüber ärgerte sich der Mann so sehr, dass er sein Geld begehrte und sich weigerte, die anderen Kürbisse zu öffnen. Nahl Bo sah ein, dass es jetzt zu spät war einen anderen Zimmermann zu holen und einigte sich mit dem Mann mit der Hasenscharte, indem er ihn für die drei geöffneten Früchte bezahlte und ihm auf die anderen einen Vorschuss gab, denn er sah mit fieberhafter Angst auf die Oeffnung vom vierten Kürbis. Gold enthielt auch er nicht, sondern eine Schar singender gee sang tanzte aus ihm heraus. Jeder Provinz des Königreichs gehörte eine Tänzerin an und eine jede führte den Tanz auf, der in ihrer Heimat Sitte war und eine jede sang ein Lied. Die eine sang von yang wang, dem Gotte der Winde, eine andere von sung jee, dem Gelde, welches man bei der Geburt eines Kindes auf den Dachstuhl des Hauses legt, eine dritte sang das Lied vom Kuckuck. Auch von dem Baume sangen sie, der so alt war, dass er ganz hohl und verdorrt war, der aber doch in jedem neuen Frühling wieder frische Blüten hervorbringt. Den Gesang vom Lachen und den Gesang von der Trauer stimmten sie an, woran sie eine Warnung knüpften, nicht die Reisopfer zu vergessen, welche man den Verstorbenen darzubringen hat. Der letzte Gesang handelte von den zwölf Monaten des Jahres, von den dreissig Tagen des Monats und von den vierundzwanzig Stunden des Tages, die den Tag und die Nacht bilden; von der Geburt des neuen und von dem Tode des alten Jahres, welches alles Leid der Menschheit mit sich nimmt und die Menschen mahnt, dem neuen Jahre mit reinen Gewändern entgegen zu gehen und es mit Festmählern zu feiern, damit es sich ihnen glücklich und günstig erweise. Als die gee sang ihre Gesänge beendigt hatten, verlangten auch sie ihre Bezahlung, welche Nahl Bo wohl oder übel leisten musste, wodurch er wieder um fünftausend Cash ärmer ward.
Nun versuchte es Nahls Frau ihn vom Oeffnen der übrigen Früchte abzubringen, wovon er aber nichts hören wollte, um so mehr, als der Zimmermann versprach die nächsten Früchte für fünfhundert Cash aufzumachen, denn er amüsierte sich königlich bei all den schönen Aufführungen. Nahl Bo befahl ihm also den fünften Kürbis zu öffnen. Als die Frucht beinahe offen war, glaubten die Umherstehenden darin eine gelbe Masse zu erblicken, die sie für Gold hielten. Man spornte den Zimmermann zu grösster Eile an — aber o Schrecken! Statt des ersehnten Goldes kam ein alter Mann zum Vorschein, der einen als Mädchen verkleideten Knaben bei der Hand führte. Diesen setzte er auf seine Schulter und tanzte mit ihm, indem er ihn sehr kunstvoll balancierte und dazu sang. Sein Lied handelte von einem schlechten Könige, der seine Unterthanen durch sein verschwenderisches Leben sehr ärgerte und wie jener sich ein grosses Haus erbaut habe, dessen Fussböden aus Quecksilber und dessen Wände aus den köstlichsten Edelsteinen gemacht waren. Tausende von Lampen liessen das Haus nachts wie bei Tageslicht hell erscheinen; die besten Weine und die leckersten Speisen wurden aufgetragen, Musikbanden spielten Tag und Nacht und der König verbrachte seine Zeit mit den schönsten Tänzerinnen. Dieses Leben ging so lange bis seine Feinde davon hörten, den König plötzlich überfielen und der Pracht ein Ende machten.
Auch hier musste Nahl Bo wieder fünftausend Cash zahlen, denn der Akrobat weigerte sich seine Schaustellungen aufzugeben, bevor er sein Geld habe. Trotz allen Abratens liess Nahl Bo doch die sechste Frucht öffnen. Aus ihr heraus sprang ein Spassmacher, welcher sofort das Geld für seine lange Reise verlangte. Diesen bezahlte Nahl Bo sofort, indem er meinte, mit ihm einen klugen Streich ausführen zu können. Er nahm den Narren beiseite und fragte ihn, welche der Früchte Gold enthielte? Der Narr beroch und betastete die Kürbisse, hämmerte an ihnen herum und meinte dann, ein jeder von ihnen enthielte Gold.
Man schritt also zum Oeffnen der nächsten Frucht, der siebenten. Dabei wäre Nahl Bo beinahe ohnmächtig niedergefallen, denn er sah eine Anzahl Polizeidiener, von einem höheren Beamten gefolgt, aus dem Innern hervorsteigen. Der halbtote Nahl Bo wollte sich durch schnelle Flucht vor den Männern des Gesetzes retten, denn er ahnte wohl, dass diese Leute eine Unmenge Geldes von ihm erpressen würden. Als die Beamten das aber bemerkten, ergriffen sie ihn und prügelten ihn tüchtig durch und der Führer rief seinen Sekretär herbei, der ein grosses Schriftstück verlesen musste, in welchem stand, dass Nahl Bo der Leibeigene jenes Beamten sei und ihm einen hohen Tribut zu zahlen habe. Nahl Bo erklärte, keinen Cash im Hause zu haben und musste daher den Polizeibeamten, welche sich anders nicht zufrieden geben wollten, Schuldverschreibungen auf sein ganzes bewegliches und unbewegliches Besitztum ausstellen und erst als sie diese auf ihre Richtigkeit geprüft hatten, entfernten sie sich.
Nun standen die Sachen aber so schlimm für Nahl Bo, dass er weinte und sagte: „Noch mehr Unannehmlichkeit kann mir nicht geschehen; ich lasse jetzt alle noch übrigen Kürbisse öffnen, mag kommen, was will.“
Aus der zunächst geöffneten Frucht stieg eine Schar moo tang (Wahrsagerinnen), welche sich anheischig machten böse Geister zu bannen, Krankheiten zu vertreiben und Sterbenskranke gesund zu machen. Sobald sie alle versammelt waren entrollten sie ihre Banner, schlugen Wirbel auf ihren Trommeln und verlangten Reis und Kleidungsstücke, um damit den Geistern Brandopfer zu bringen.
„Schert euch fort von hier,“ schrie sie der wütend gewordene Nahl Bo an. „Ich brauche eures Gleichen nicht, denn ich bin weder krank, noch habe ich böse Geister in meinem Hause! Sucht euch einen anderen pah sok ye (einen acht Monat alten Mann, so viel als Narr) der eurem Unsinn Glauben schenkt.“ Der Befehl war leichter gegeben als ausgeführt. Die Weiber waren ebensowenig zu bewegen das Haus zu verlassen wie ihre männlichen Vorgänger und es blieb Nahl Bo nichts anderes übrig, als ihnen auch fünf