Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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33.  Die Frau und der Beutel




In alter Zeit lebten in einem Bauernhaus ein Mann und eine Frau, und sie hatten nur einen einzigen Sohn, der unter ihrer Obhut aufwuchs. Eigentlich war die Familie wohlhabend, doch je älter man wurde, um so quälender wurde der Gedanke, daß man schnell nach einer Schwiegertochter Ausschau halten müsse.

Der Sohn war sechs Jahre alt geworden. Man suchte ein Mädchen, das schon zwanzig Jahre alt war, verheiratete die beiden und gab ihnen ein neues Zuhause. Der Schwiegervater sagte zur Schwiegertochter: »Du bist ein vernünftiges Mädchen, doch dein Mann macht mir noch Sorgen. Aber es gibt für die Menschen Mittel und Wege, schnell groß zu werden. Auch wenn du vielleicht viel Schweres mitmachen mußt, ertrage es!«

Die Braut kümmerte sich um ihren kleinen Bräutigam, sie begann gewissenhaft den Haushalt zu versorgen. Doch die üblen Kerle des ganzen Dorfes fingen an, ihr schöne Augen zu machen. Bis eines Tages der Bräutigam einmal aus dem Haus ging und die Braut das Haus allein bewachen mußte. Die schlechten Kerle bekamen gleich mit, daß jetzt eine gute Gelegenheit gekommen war. Die beste Gelegenheit sogar, meinten sie. Sie drangen in das Haus ein, und mit aller Kraft bedrängten sie das Mädchen. Sosehr sie auch schimpfte, es war das einfach etwas, was ihre Kraft überstieg. Gerade da kam der Bräutigam zurück. »Was sind das für Kerle? Kerle, die meine Frau berühren!« schrie er nur laut, und da machten sich die üblen Burschen freiwillig davon.

»Ich war allein, und da sind sie hereingekommen. Zwar habe ich geschimpft, was ich konnte, doch sie haben mich überwältigt. Bitte, bitte, sprich nicht darüber!« Sie hielt ihren kleinen Mann fest und bat ihn voller Tränen.

»Also, mach mir nur einen hübschen Beutel, also, dann werde ich den Mund halten«, das waren die Worte des kleinen Bräutigams. »Wirklich? Einen ganzen Anzug mach ich dir und ein hübsches Zopfband noch dazu, wenn du nur den Mund hältst, bitte!« Die Frau fing an diesem Tag noch an, einen Beutel zu nähen. Stoff für einen Anzug zu suchen, das war eine ganz schön schwere Angelegenheit. Den Stoff suchte sie, er wurde gefärbt, und von Tag zu Tag wurde es später. Ihr Mann, der konnte nicht abwarten und schimpfte, er rannte zu seinem Vater und erzählte ihm die Geschichte. »Was? Was? Wann ist das geschehen, hm?« Der Vater wurde bleich vor Zorn. »Also, wie ist das? Wann war es, wenn ihr das wißt, was macht ihr dann?« Der Sohn tat so, als ob ihn das alles nicht im geringsten aufregte.

Aber der Vater war nicht zu beruhigen, und so ließ er gleich die Schwiegertochter herbeirufen. »Du, du bist meine Schwiegertochter nicht! Sofort raus mit dir, raus!« Bei diesem Geschrei des Schwiegervaters konnte die Schwiegertochter nur hilflos dastehen.

Wenn es heißt, man soll gehen, dann geht man. Die Schwiegertochter fing an, Vorbereitungen für ihren Aufbruch zu treffen. Doch dann arbeitete sie an dem Beutel weiter. Ihr Mann, der das sah, freute sich, er sprang herum. »Wirklich, das wird ein hübscher Beutel!« Da sagte die Frau: »Du hast gesagt, du willst dem Vater nichts erzählen, da habe ich versprochen, dir nicht nur dies, sondern auch noch ein hübsches Kleid und ein Band zu machen. So war das, aber jetzt ist alles verdorben. Ich muß fort, aber den Beutel wenigstens will ich dir geben, bevor ich gehe. Bitte, vergiß nicht, an mich zu denken.« Bei diesen Worten seiner Frau, die sie herauspreßte, sprang er mit einem Ruck auf. »Wer hat gesagt, daß du gehen sollst? Wir können trotz allem miteinander leben!« — »Wenn der Vater es aber so will, da ist doch wohl nichts zu machen?« — »Soll das heißen, daß du mit dem Vater zusammenlebst? Du lebst doch mit mir, nicht wahr? Bis ich sage, daß du gehen sollst, heißt das, daß du einfach hierbleibst!«

Die Frau hatte den Beutel nun ganz fertig, machte ihn an seinem Gürtel fest, dann ging der Sohn, seinen Vater zu suchen. »Seht mal den hübschen Beutel!« Der Vater wußte wohl, daß der Beutel etwas war, was durch die Geschicklichkeit seiner Schwiegertochter entstanden war. »Dieses liederliche Weibsstück! Kannst du den Beutel nicht gleich wegwerfen?« — »Wegwerfen? Er ist doch hübsch!«

Der Vater, immer noch voller Zorn, rannte schnurstracks zur Schwiegertochter. »So leichtfertig gehst du mit deinem Mann um, einem kleinen Kerl. Raus, sofort raus!«

Der Sohn stellte sich in den Weg. »Das geht nicht, bleib!« — »Du Kerl du! Du meinst also, du bist ein Mann? Dann soll das wohl heißen, es macht dir nichts aus, daß deine Frau mit einem anderen zu tun hatte?« — »Und wenn! Meine Frau ist in Ordnung, oder? Mutter hatte auch mit anderen Männern zu tun, und doch habt ihr gut miteinander gelebt!«

Der Vater wußte nun nicht mehr, was er sagen sollte. Weil nämlich das, was der Sohn da gesagt hatte, nicht der Wahrheit entsprach. Und weil er dachte, daß sein Sohn dann auch bei der anderen Geschichte gelogen haben könnte, schmolz sein Zorn dahin.

Nachdem das alles sich zugetragen hatte, versah die Schwiegertochter ihre Pflichten im Haus gut, und der Hausstand blühte auf. Auch der Sohn wuchs heran und wurde ein großartiger Gelehrter.