Krebse auf meinem Bauch, unter meinem Rücken, an allen Seiten. Ich liege in einem Meer von Krustentieren. Sie klettern über mein Gesicht, meine Genitalien, selbst in meinem Mund meine ich, sie auszumachen. Vergeblich versuche ich, mich zu befreien. Ihr Gewicht drückt mich zu Boden, ihre schiere Masse immobilisiert mich. Die Scheren fangen an, zu klappern. Eine scharfe, geöffnete Klinge berührt mich. Tausende folgen ihr. Werden sie …?
Das erste Blut, es tropft von meiner Brustwarze. Ein Krebs hat mich verletzt. Dutzende, Hunderte folgen seinem Beispiel. Sie malträtieren mich, schneiden mich auf. Tausende Schnipsel meiner Haut fallen zu Boden, kleben in meinem vergossenen Blut fest.
Keine Schmerzen. Ich beobachte die Tiere. Ihre Stielaugen erwidern meinen Blick. Interessiert, nicht bösartig. Sie wollen mich nicht vertilgen. In Wirklichkeit helfen sie mir, indem sie mich zerschneiden. Ein Heer von Chirurgen, die mich operieren. Sie filetieren meine Haut, legen meine Muskeln frei, jedes Glied meiner Finger und Zehen entfernen sie einzeln von meinem Körper. Meine Wunden bluten stark. Bald bin ich tranchiert, hat der letzte Tropfen meines Blutes meine Haut verlassen. Unter den alten, abgeschnittenen Gebeinen treten die Konturen meines neuen Körpers hervor. Es ist vollbracht!
Grell blendete mich die Sonne. Ein Blick auf die Uhr: 10.30. Das Bett neben mir jungfräulich. Unberührt oder bereits wieder gemacht? Gleichgültig. Die Luft war frisch, verlockend und ein wenig feucht. Meine Zunge strich über meine Lippen.
Heute war ein besonderer Samstag, nicht dafür geschaffen, in überfüllten Supermärkten vor der Kasse zu stehen. Stattdessen würde ich wandern. Ein Blick auf die Straße: Meine Frau hatte den Wagen nicht mitgenommen. Schnell zog ich mir leichte Wanderkleidung an. Die Wettervorhersage deutete auf warmes, beinahe heißes Wetter hin. Samstagmittag sollten die Regenschauer für dieses Wochenende beendet sein. Ich packte meinen Rucksack und nahm Kleidung zum Wechseln, einen Schlafsack und eine Isoliermatte mit. Zum Essen hatte ich Dauerwurst und abgepacktes Brot zu Hause. Dem fügte ich mehrere Fischdosen hinzu, Zitronensaft, etwas Bitterschokolade und meine Feldflasche. Nachdem ich Wanderkarte, Kompass und Feldstecher herausgesucht hatte, war ich marschfertig.
Ich liebte die Berge. Diesmal hatte ich einen einsamen Flecken ausgesucht, den ich seit Jahren besuchen wollte. Mein heutiger Weg würde vorwiegend über Wiesen, Almen und Hochwälder führen, hochalpine Touren ohne Begleitung waren zu gefährlich. Nach zwei Stunden Fahrt am Ausgangspunkt meiner Wanderung angekommen, parkte ich mein Auto an einer einsamen Stelle abseits der Straße. Energiegeladen zog ich mir Wandersocken an, schulterte den Rucksack schwungvoll und machte mich auf den Weg. Die Gegend quoll über vor gut ausgeschilderten Wanderwegen, war mangels sonstiger touristischer Infrastruktur jedoch menschenleer. Genau deshalb hatte ich sie ausgesucht. Hier konnte ich stundenlang gehen, ohne einer Seele zu begegnen.
Ich war spät aufgestanden und schritt deswegen zügig aus. Unterhalb der Baumgrenze war der Weg schattig. Die Sonne brannte nicht zu heiß und die Wälder waren in eine feuchte Kühle gehüllt. Lichtungen und Almen boten eine wärmende Abwechslung. Gegen vier Uhr pausierte ich und setzte mich nahe einem Waldstück auf eine Almwiese. Ich richtete mir eine Brotzeit und aß mit gutem Appetit. Nach dem Essen sonnte ich mich und hielt mit meinem Feldstecher Ausschau nach Wild. Bei Wanderungen trug ich meist gedeckte, grün-braune Kleidung, um von meiner Umgebung wenig abzustechen und keine Tiere zu vertreiben. Solange ich mich nicht bewegte, war ich aus größerer Entfernung optisch nicht wahrzunehmen, verschmolz mit der Natur. Heute hatte ich wenig Glück. Für Rotwild war es zu früh am Tag, nur einen gelegentlichen Falken oder Milan konnte ich ausnehmen.
Bevor ich aufstand und weiterging, erblickte ich ein Liebespärchen auf der anderen Seite des Tales. Wie balzende Rehe liefen sie aus dem Wald auf die darunter liegende Wiese. Die Doppel-X rannte voraus, der Mann folgte ihr und erreichte sie nach sechzig Metern. Die Distanz zu mir betrug rund 500 Meter Luftlinie plus zweimal 200 Höhenmeter. Beide fielen zu Boden, er umarmte sie stürmisch. Ihre Gesichter ließen sich aus der Entfernung nicht erkennen. Der Mann fing an, die Frau zu entkleiden. Sie trug Jeans und ein gelbes T-Shirt. Er legte den rosigen Rumpf frei wie ein Handwerker das Innere einer Maschine. Sein auf ihr liegender Körper verdeckte ihre Genitalien, seine behaarten Gesäßbacken waren ebenso überlebensgroß wie sein erigierter Penis. Der Liebesakt war heftig, geradezu gewalttätig. Ohne jedes Vorspiel drang er in sie ein. Eine seiner Hände hielt ihre, die zweite lag auf ihrem Kopf, mit dem Ellbogen ihren anderen Arm fixierend. Lange Zeit werkte er mit konstanter Geschwindigkeit, bis sich die Taktzahl zunehmend erhöhte. Seine Bewegungen wurden ausladender, er schwang seinen Körper wie einen Vorschlaghammer, seinen Kopf auf ihrem. Der Wind wehte von mir weg und führte ihre Geräusche mit sich. Kurz schwächte er ab und ich vermeinte, beide schreien zu hören. Die Geschwindigkeit seines Beckens erreichte beängstigende Dimensionen, ein Metronom im 1/128 Takt. Er hob seinen Kopf und öffnete den Mund. Ich bildete mir ein, ein Heulen zu vernehmen und etwas Eckiges über den Ohren erkennen zu können. Abrupt hielt er inne und verharrte regungslos. Sie bewegte sich ebenfalls nicht. Schließlich stand er auf, hantierte an seiner Hose und eilte in den Wald. Die Frau blieb entkleidet liegen. Jetzt sah ich deutlich ihren rasierten Schambereich, die üppigen Brüste, sogar die roten Striemen auf ihrem Körper. Kurz darauf stand ich auf, schulterte meinen Rucksack und ging weiter.
Als die Dämmerung einsetzte, war der Himmel teilweise mit Kumuluswolken bedeckt. Auf meiner Karte überprüfte ich, wo die nächste Hütte stand. Eine Stunde Weg. In Anbetracht der stabilen Wetterlage könnte ich auf einen Wetterschutz verzichten. Es war fast Vollmond und auf meiner Route befanden sich keine gefährlichen Abhänge. Spontan marschierte ich in die Nacht hinein, um kurzfristig einen Schlafplatz unter freiem Himmel zu suchen.
Zwei Stunden nach Sonnenuntergang, ich hatte die Schutzhütte lange hinter mir gelassen, befand ich mich auf einem in der Dunkelheit schwer erkennbaren Pfad, der über Almen führte. In 200 Metern begann ein Wald, vermutlich morastig, kein guter Schlafplatz. Sobald ich die Wiese auf Kuhfladen überprüft hatte, breitete ich Isoliermatte und Schlafsack aus und begann, mein Abendmahl zuzubereiten. Meine Campingneonleuchte geizte mit dem kalten Licht.
Ich erschrak, als ich hinter mir vom Waldrand her Schritte vernahm. Von der Lampe geblendet, wandte ich mich ab und blickte in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Sobald meine Augen sich an die Dunkelheit angepasst hatten, erblickte ich schemenhaft eine Gestalt, die sich mir näherte. Es handelte sich um eine fünfzigjährige Frau. Ihr braunes Haar war kurz und unregelmäßig geschnitten. Sie musste das ohne Spiegel selbst gemacht haben, kein Friseur konnte so schlecht sein. Ihr Gesicht war herb und wettergegerbt, strahlte jedoch eine gewisse Vitalität aus. Sie war in einen dünnen, weinroten, billig wirkenden Anorak gekleidet, den sie geschlossen hatte, da es frisch geworden war und trug weder Rucksack noch sonstiges Gepäck. Ihre flachen Schuhe waren verschlissen, für Wanderungen entschieden zu leicht. Unser Atem kondensierte.
Sie setzte sich zu mir auf die Isoliermatte, ohne ein Wort zu sagen. Mit ihren Händen zeigte sie auf die Wurst und das Brot. Kurz zögerte ich, dann gab ich ihr davon ab. Wer war sie? Mit Heißhunger vertilgte sie die Portion. Von zu Hause hatte ich viel zu viele Lebensmittel mitgenommen. Während der Wanderung hatte ich mich über den schweren Rucksack geärgert, jetzt war ich froh. Sie bedankte sich wortlos für das Essen. Ihre Gestik wurde immer jugendlicher, ich zweifelte an meiner ursprünglichen Altersschätzung. Andererseits hatte ihr Gesicht etwas Zeitloses, sie hätte 70 sein können.
Als sie das Essen beendet hatte, zeigte sie mir mit Händen und Füssen, dass ihr kalt sei und ob sie sich zu mir legen könnte, um sich aufzuwärmen. Das war mir absolut nicht recht. Zuerst mit Worten, dann mit Gesten, erklärte ich ihr, dass eine Wegstunde entfernt eine Schutzhütte stünde, in der sie warm übernachten könne. Entweder verstand sie mich nicht oder sie wollte meinem Rat nicht folgen, jedenfalls wollte sie bei mir schlafen.
War die Frau geistig normal? Oder war sie die Gebirgsvariante einer Obdachlosen? Hartnäckig lehnte ich ab. Schließlich lächelte sie und presste sich liegend an mich. Wenn ich aufstünde, würde sie mir folgen, das war offensichtlich. Zudem war ich müde und wollte nicht weiter umherirren. Verärgert ergab ich mich in mein Schicksal. Ihr Kopf war meinem zugewandt. Ihr Atem ging heiß und kräftig. Sie hatte nicht den Mundgeruch, den ich befürchtet hatte. Überhaupt ging von ihrem Körper ein frisches, wiesenhaft-blumiges Parfum aus, wie bei einem jungen Mädchen. Die zu erwartende ungewaschene Note fehlte völlig. Ich schloss meine Augen, nahm ihren warmen Körper eng an den meinen geschmiegt wahr und schlief ein.
Im Morgengrauen wurde mein Schlaf leichter, als die Wärme, die ihr Leib gespendet hatte, sich veränderte. Statt an meiner ganzen rechten Seite verspürte ich sie nur mehr an der Lende, der Rest meines Körpers wurde immer kälter. Im Halbschlaf wälzte ich mich herum. Hitze umfing meinen Penis, Zähne umschlossen ihn. Die Fremde hatte meine Männlichkeit in den Mund genommen und werkte aus Leibeskräften an ihr. Von einer Mischung aus Lust und Panik befallen, öffnete ich meine Augen, um die Situation zu überprüfen.
Die Alte und im fahlen Tageslicht schaute sie wirklich alt aus, trug ihren Anorak weiterhin hochgeschlossen. Die braunen Schuhe waren zerrissen, der Rock verwaschen und voller Flecken. Sie entfernte den Schlafsack vollständig von meinem Körper und schaute mich ausdruckslos an, während sie mein erigiertes Glied in die Hände nahm und massierte. Mit dem Hinterteil näherte sie sich meinem Gesicht. Sie hob den Rock hoch und ich sah ihren nackten, ausgemergelten Unterleib. Ekel schüttelte mich. Gleichzeitig vergrößerte sich mein Geschlecht in meiner inneren Wahrnehmung und füllte mein Inneres vollständig aus. Ich lag da, die Augen geschlossen und konzentrierte mich auf meine sich unaufhörlich erweiternde Männlichkeit. Mit Gewalt versuchte ich, nicht an den gichtigen Körper auf mir zu denken. Ich brauchte keine Entscheidung zu treffen, war Treibgut in diesem Meer aus Ekel und Lust. Mein Körper handelte für mich. Meine Physis steuerte mich, während mein Bewusstsein hilflos die Übelkeit unterdrückte.
Im Hintergrund meines illuminierten Denkvermögens regten sich Zweifel an der Realität der Situation und an der geistigen Gesundheit der Alten, falls sie existierte. Angestrengt verbannte ich die Häresien in eine weit entfernte Ecke meines Selbst, verbarrikadierte mich hinter einer Mauer aus Endorphinen. Nachdem wir lautstark unserer Befriedigung Ausdruck verliehen hatten, brach der Schutzwall ein, hatten die biochemischen Substanzen ihre festigende Wirkung verloren. Ihr vorhin frühlingshafter Geruch war einem ungewaschenen Gestank gewichen und ich musste mich von ihr wegdrehen. Den Konvulsionen der Kopulation folgten die der Nausea. Der Schlaf erlöste mich von dem Zwiespalt aus Lust und Abscheu.