Lauras Unschuld by Hugo C - HTML preview

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HONIGFALLE

Dr. Friedrich Stuck war im Grunde seines Wesens ein häuslicher Mensch. Im Gegensatz zur Villa von John Swansea war sein Domizil bescheiden gehalten. Er hatte es gekauft, als er noch nicht im Vorstand von LS Technologies saß und ihm dementsprechend geringere Finanzmittel zur Verfügung gestanden hatten. Da seine Kinder seit Langem aus dem Haus waren, hatte er niemals eine Übersiedlung in Erwägung gezogen.

Seine Frau Renate hatte er auf der Universität kennengelernt und sie kurz nach seiner Promotion geheiratet. Sie war neuerdings eine bemühte Hobbymalerin und Mitglied in einer Vielzahl von karitativen Vereinen. Die bei ihren Schwangerschaften hinzugekommenen Pfunde waren an ihrem biederen Körper kleben geblieben und hatten seitdem die üblichen Zinsen rentiert. Momente der Zärtlichkeit zwischen den beiden existierten, waren jedoch selten. Erstaunlicherweise hatte dies nicht dazu geführt, dass er ihr untreu geworden wäre, zumindest nicht häufig und wenn, absolut diskret. Als seine Frau für etliche Tage zu einer Freundin fuhr, durchfuhr ihn der Impuls, eine sturmfreie Bude zu haben. Sofort schimpfte er sich für diesen Unsinn und konzentrierte sich stattdessen auf die abendliche Logensitzung.

Bei der Rückkehr stellte er fest, dass die Laterne vor seinem Haus ausgefallen war. Er fluchte, seit etlichen Jahren hatte seine Nachtsicht erheblich abgenommen. Beim Reversieren vor seiner Garageneinfahrt stellte er fest, dass der Hinterreifen über einen Stein oder eine Erhöhung fuhr, die da nicht ein dürfte. Gleichzeitig hörte er einen Schrei, gefolgt von einem dumpfen Aufprall, der seinen Kofferraum erdröhnen ließ und einem Aufschlag auf dem Betonboden.

Sofort stoppte er das Fahrzeug, arretierte die Handbremse und stieg aus. Er konnte von seiner Position neben der Fahrertüre nichts wahrnehmen und schritt in Richtung Kofferraum. Er hörte ein Stöhnen und sah zuckende Gliedmaßen unter dem Auto. Sich bückend, erblickte er auf dem Boden einen Kopf mit dunklen schwarzen Haaren. Der Körper war von dunkler Sportkleidung bedeckt, die Beine befanden sich unter dem Fahrzeug. Er hatte einen Menschen überfahren!

"Um Himmels willen, ich habe Sie überhaupt nicht gesehen. Können Sie mich verstehen?”

Statt einer Antwort war lediglich undeutliches Gemurmel vernehmbar.

"Ihre Beine sind noch unter dem Fahrzeug. Können Sie die bewegen, oder sind sie von dem Auto eingeklemmt? Ich möchte den Wagen nicht unnötig bewegen, um Sie nicht zu gefährden.”

Die am Boden liegende Person schien abzuwinken. Er kniete sich auf den Boden und schaute unter das Auto. In der Dunkelheit war nichts zu erkennen. Er fluchte, stand auf und ging zur offenen Garage. Bewaffnet mit einer Taschenlampe kehrte er zurück. Zu seiner großen Erleichterung erkannte er, dass er nicht die Passantin überfahren hatte, sondern deren Aluminiumtrinkflasche. Anscheinend handelte es sich bei ihr um eine Joggerin, die er in der Dunkelheit übersehen hatte. Gott sei Dank sah er nirgends Blutspuren. Sollte sie bei dem Unfall keine inneren Verletzungen erlitten haben, war sie, und damit er selbst, glimpflich davon gekommen.

Jetzt bedachte er die Auswirkungen, die der Unfall auf ihn haben könnte. Die Geschichte war ohne ernsthafte Verletzungen und Alkohol für die Presse nicht besonders interessant. Vermutlich musste er nur ein paar kleinere Gefallen abrufen, um eine Erwähnung zu verhindern.

Sollte sie ernsthaft verletzt worden sein, und das hieße lebensgefährlich oder mit bleibenden Schäden, wäre die Situation problematischer. Eine Titelgeschichte in der Lokalzeitung wäre die wahrscheinliche Konsequenz. Der einzige Ansatzpunkt wäre vorgelagert bei der Polizei und den Spitälern zu suchen, um eine Publikation im Keim zu ersticken.

"Kann ich Ihnen helfen, aufzustehen?”

Sie brummelte undeutliche Worte. Er glaubte zu verstehen "Es geht”.

"Kommen Sie, reichen Sie mir Ihre Hand. Jetzt ziehen Sie langsam Ihre Beine unter dem Auto hervor. Geben Sie Acht, der Auspuff ist heiß.”

Endlich wandte sie ihm ihr Gesicht zu und schaute ihm in die Augen. Zu seiner Überraschung stellte er fest, dass es sich bei der Passantin um Krista Hofmann handelte. Ihr Blick war klar, die Worte undeutlich, wenngleich mittlerweile verständlich.

"Ich bin hier gelaufen … habe meine Trinkflasche hervorgeholt … war am Rücken ... da war nichts … plötzlich ein fester Stoß … ich bin hingefallen … das Auto über mir … ich am Boden …”

Bei ihrem ersten Treffen war ihm nicht entgangen, dass Krista Hofmann die attraktivste Frau war, die er seit Langem gesehen hatte. Keine klassische Schönheit, umgab sie eine Aura der Sinnlichkeit, das Versprechen unbekannter Genüsse. Ihre Körpersprache ihm gegenüber war zudem schwer misszuverstehen. Er hatte es sich aus arbeitsrechtlichen Gründen zum Prinzip gemacht, keinerlei Affären mit ihm unterstellten Frauen zu haben. Dennoch wollte sie ihm nicht aus dem Kopf gehen. Jetzt lag der Sukkubus vor ihm auf dem Boden. Er ergriff impulsiv ihre Schultern, als sie Anzeichen zeigte, ohnmächtig zu werden.

"Halten Sie die Augen offen, schlafen Sie nicht ein. So und jetzt stehen wir auf.”

Energisch nahm er ihren Arm und zog sie hoch. Sie ließ es willenlos geschehen. Er versuchte, ihren weichen, warmen Körper und ihren Duft nicht zu beachten.

"In dem Zustand kann ich Sie nicht weitergehen lassen. Am besten kommen Sie zu mir ins Haus, und wir rufen einen Arzt.”

Das war die ideale Lösung für ihn. Er würde seinen Freund Martin kontaktieren, dessen Diskretion er sich sicher sein konnte. Sie legte einen Arm um seine Schulter, den er mit der rechten Hand ergriff und festhielt. Mit der linken Hand hielt er stützend ihren Oberkörper fest. Er konnte nicht umhin, den weichen Druck ihrer an seine Seite gedrückten Brust wahrzunehmen. Im Haus angekommen, geleitete er sie in das Wohnzimmer. Er forderte sie auf, sich auf ein Sofa zu legen und schob zwei Polster unter ihre Beine. Danach brachte er ihr ein Glas Wasser und rief Martin Buchner an. Dieser fragte nach den Symptomen und erklärte, dass ein Krankenhausbesuch nicht zwingend erforderlich wäre. Er würde sich sofort auf den Weg machen und das Unfallopfer bei Friedrich untersuchen. Nach fünfzehn Minuten klingelte Martin an Friedrichs Tür.

"Na, du machst Sachen!"

"Ehrlich gesagt ist es mir ein Rätsel, wie mir das passieren konnte. Ich bin munter und nüchtern. Ich hatte mich umgedreht und sorgfältig nach allen Seiten geschaut, ob da sicherlich keine Fußgänger wären. ”

"Anscheinend nicht gut genug, das Alter spielt uns allen Streiche! Jetzt lass mich die Dame einmal anschauen. Du hast gesagt, sie heißt Frau Hofmann. Kennst du sie vielleicht?”

"Ja, sie ist eine Beraterin aus Frankfurt, die gerade bei mir arbeitet."

Dr. Buchner bat Dr. Stuck, sie alleine zu lassen, damit er die Kranke untersuchen könnte. Nach zehn Minuten kam der Arzt aus dem Zimmer und begab sich zu Stuck, der am Frühstückstisch in der Küche saß und vor sich hinbrütete.

"Friedrich, halb so wild. Die Dame hat einen Schock, organisch ist alles in Ordnung. Dank der Kleidung hat sie nicht einmal ernsthafte Abschürfungen, lediglich ein paar blaue Flecken an ihrem makellosen Körper. Du hast einen guten Geschmack, das muss ich dir lassen."

Dr. Stuck wurde rot wie ein ertappter Schuljunge.

"Gebrochen ist nichts. In Anbetracht der geringen äußeren Blessuren müsste es mit dem Teufel zugehen, wenn sie sich innere Verletzungen zugezogen haben sollte. Nicht nur als dein diskreter Freund, sondern auch als Steuerzahler möchte ich davon absehen, sie zu einer weiteren Untersuchung in ein Spital zu stecken.

Die nächsten Stunden muss sie unter Beobachtung stehen, falls sich ihr Zustand verschlechtert. Sollte sie über Übelkeit klagen, ohnmächtig oder apathisch werden, oder Blut im Stuhl oder Urin haben, brauchst du mich gar nicht anzurufen. In dem Fall gehört sie direkt in die Notaufnahme des Johanniter-Spitals.”

"Sie wohnt in einem Hotel. Ich weiß zwar nichts über ihr Privatleben, vermute aber, dass sie ein Einzelzimmer hat.”

"Da hast du recht, das geht nicht. In dem Fall wirst du dich opfern müssen und deine begehrenswerte Beraterin hier übernachten lassen. Wenn Renate davon hören sollte, kann ich sie beruhigen, dass die junge Schönheit auf ärztliche Anordnung während deiner Strohwitwerschaft bei dir schlafen musste. So viel Glück möchte ich auch einmal haben!”

Nachdem Martin sich mit einem Augenzwinkern verabschiedet hatte, richtete Dr. Stuck seinem Gast ein Bett her. Außerdem strich er ihr ein paar Brote, falls sie nach dem Schrecken Hunger bekäme. Dr. Buchner hatte ihr ein leichtes Beruhigungsmittel verabreicht, und Dr. Stuck brachte sie zu dem Schlafzimmer, dass einstmals sein Sohn bewohnt hatte. Er zeigte ihr das Badezimmer und entschuldigte sich, dass er keine passende Nachtkleidung für sie hätte, seine Frau hätte eine deutlich andere Konfektionsgröße.

Sie lächelte mittlerweile und bedankte sich, meinte aber, sie könne notfalls in ihrer Unterkleidung schlafen. Wenn er so nett wäre, ihr am nächsten Morgen ein Taxi zu rufen, damit sie sich im Hotel frisch machen und umziehen könnte.

"Interpretieren sie mich bitte nicht falsch. Der Arzt hat gesagt, Sie müssten in den nächsten Stunden unter Beobachtung stehen. Wenn es Ihnen recht ist, lasse ich Ihre Schlafzimmertüre offen. Dann kann ich Sie hören, falls Sie Hilfe brauchen. Ich werde meinen Wecker stellen, damit ich regelmäßig zu Ihnen schauen kann, ob es Ihnen nicht schlechter geht. Missverstehen Sie nicht die Situation, wenn ich in der Nacht in Ihr Zimmer komme, das wäre mir sehr peinlich.”

Ein schelmisches Lächeln spielte um ihre Lippen:

"Das braucht Ihnen überhaupt nicht peinlich zu sein. Vielleicht mag ich es, wenn Sie um mich besorgt sind, wie ein Papa um seine kleine Tochter.”

Ihr Lächeln wurde maliziöser:

"Vielleicht mag ich es, weil ich nicht glaube, dass Sie als Papa zu mir kommen, sondern etwas anderes vorhaben.”

Sie zog sich mit schnellen Gesten vor ihm bis auf BH und Tanga aus, kuschelte sich ins Bett und schnurrte mit kindlicher Stimme:

"Gute Nacht, Papa!”

Verwirrt verließ er das Zimmer. Vor seinem geistigen Auge sah er die Schlagzeile "Topmanager vergewaltigt sein Unfallopfer!” Nein, es war besser, die schöne, junge Dame alleine zu lassen. Er legte sich in sein Bett, stellte den Wecker und schlief ein. Nach dem Klingeln begab er sich verschlafen zu dem Gästezimmer. Er hörte ihren gleichmäßigen Atem, ohne sie zu sehen. Deswegen schaltete er die Schreibtischlampe an und wendete den Lichtstrahl von ihrem Gesicht ab, um sie nicht aufzuwecken. Sie sah gesund aus, doch das Licht schien sie zu stören. Sie räkelte sich und bevor er die Lampe ausmachen konnte, hatte sie die Augen geöffnet.

"Sie sind ein ganz Lieber!” sprach es, lächelte und drehte sich um. Er begab sich zurück zu seinem Schlafzimmer, stellte den Wecker auf weitere zwei Stunden ein und legte sich hin.

Bevor er einschlief, spürte er eine zarte Berührung an seiner Seite, gefolgt von einem warmen Atem, dem ein sich anschmiegender Kopf folgte.

"Wenn Papa nicht schlimm sein mag, muss ich es anscheinend sein! Dafür darfst du mich bestrafen, weil ich ein böses Mädchen war.”

Mit diesen Worten zog sie sich aus und legte sich auf ihn. Als der Wecker zwei Stunden später läutete, hatten sie beide kein Auge geschlossen.