Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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9.  Aus Mitleid




In alten Zeiten waren die Vornehmen allgemein so vornehm, daß ihnen das Wort >Geld< niemals über die Lippen kam. In einem Dorf sagte man, Geld sei schmutzig, und es hat dort Vornehme gegeben, die, wenn sie Geld zählten, es nie mit der Hand berührten, sondern das Ende eines Bambusstocks umbogen und damit dann das Geld zählten.

Eines Tages nun, als ein Pächter Geld, das er schuldig geblieben war, zusammen mit den Wucherzinsen seinem Gläubiger brachte, zog der so einen Bambusstock mit umgebogenem Ende hervor und fing an, damit das Geld zu zählen. Der Pächter, der das mit ansah, fragte ganz vorsichtig: »Geehrter Herr! Warum zählt Ihr denn nicht mit der Hand, sondern macht es mit diesem Ding da?« — »Ruhig, ruhig! Was man Geld nennt, ist doch eigentlich etwas Schmutziges. Wo gibt es denn so was, daß ein Edler es mit der Hand anfassen und zählen kann?« sagte der überaus würdevoll. Der Pächter hörte sich an, wie sein Gläubiger, bekannt als einer, der scharf ist aufs Geld, so etwas sagte. Dann, noch völlig verblüfft, fragte er vertraulich: »Oh, geehrter Herr! Wenn das Geld so schmutzig ist, warum treibt Ihr es dann so hartherzig ein?«

Eine ganze Weile wohl mag der andere sprachlos gewesen sein, dann hob er die Stimme und schimpfte: »Du dummer, dreckiger Kerl! Wenn so schmutziges Geld bei euch bleibt, dann mach ich mir Sorgen, daß ihr bis zum Herzen schmutzig werdet! Weißt du denn nicht, daß ich nur aus Mitleid mit euch das Geld sicher aufbewahre?«