Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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11.  Die Schwiegertochter, die gut einen fahren lassen konnte




Früher, da lebte in irgendeinem Bezirk die jüngste Tochter eines Bauern. Ja, dieses Mädchen sah hübsch aus — doch sie furzte einfach zu gut. Als nun das Alter kam, in dem sie heiratsfähig wurde, ging sie als erste Schwiegertochter des Yi Ch’ambong, der im nächsten Dorf wohnte, in dessen Haus.

Drei Jahre lang umsorgte sie ihre Schwiegereltern gut, und weil auch ihr Mann gut für seine Eltern sorgte, war man in der Nachbarschaft des Lobes voll, auch Yi Ch’ambong war recht zufrieden. 

Doch eines Tages, als Yi Ch’ambong die Gesichtsfarbe seiner ersten Schwiegertochter betrachtete, da fragte er: »He, Schwiegertochter! Wieso siehst du so schlecht aus? Wenn dir irgend was nicht paßt, wenn irgend was für dich unangenehm ist, ganz gleich, sag es nur. Wenn du irgendwo Schmerzen hast, dann mußt du Medizin holen lassen und einnehmen!« Die Schwiegertochter antwortete: »Vater, es ist nichts dergleichen. Die Wahrheit ist — weil ich das Furzen einhalte, sehe ich so aus.« Da aber sagte der Schwiegervater: »Was soll das? Keinen fahren lassen können und deshalb so schlecht aussehen? Wegen eines Furzes mach dir da keine Sorgen, mach es so, laß es einfach streichen. Gut denn, was sollst du schlecht aussehen?«

Doch bevor der Schwiegervater hatte ausreden können, sagte sie: »Also, von jetzt an werde ich mich nicht mehr zu beherrschen versuchen. Vater, haltet Ihr die Tür zum großen Zimmer fest, Mutter, Ihr die Tür zum Vorraum, Schwägerin, Ihr die Tür zur Küche. Ja, und außerdem soll mein Mann die Tür zur Kammer festhalten und der Diener das Hoftor.

Und da stand sie nun im Vorraum und hatte kaum angefangen, die aufgestauten Winde loszulassen, da lief der Schwiegervater, der die Tür zum großen Zimmer festhielt, hin und her, da lief die Schwiegermutter, die die Tür zum Vorraum festhielt, hin und her, in der Küche lief die Schwägerin hin und her, der Ehemann im kleinen Zimmer lief hin und her, und der Diener lief, das Hoftor in der Hand, hin und her. Der Schwiegervater konnte es nicht mehr ertragen. »Schwiegertochter, hör auf zu furzen!« schrie er, alle anderen schrien mit ihm, dazu der Lärm des Hin- und Herlaufens — im Haus entstand ein großes Durcheinander.

Trotz alledem, die Schwiegertochter schrie: »Drei Jahre habe ich es zurückgehalten, alles muß raus!« und furzte weiter, sie konnte nicht einmal einen Augenblick aufhören damit. 

Weil man dachte, die Sache mit der Schwiegertochter könne nur noch schlimmer werden, entschloß man sich, sie in ihr Elternhaus zurückzuschicken. Die Schwiegertochter trug man in einer Sänfte voran, Yi Ch’ambong folgte hinterdrein. Als es Zeit wurde, machte man unter einem Birnbaum Rast. Da kamen gleich daneben starke Männer dazu, die Holz trugen, und rasteten auch. Die sprachen miteinander: »Die Birnen an diesem Baum, das sind heilsame Birnen, die alle Krankheiten kurieren können. Doch wie hoch ist der Baum — mit einem Stock kommt man nicht an die Birnen heran. Wollte ein Mensch hinaufklettern, wäre der Baum auch viel zu hoch; weil es nichts gibt, wo man sich mit den Händen festhalten kann, kommt man eben nicht hinauf. Wenn es nun Winter wird, verfaulen die Birnen und sind nichts mehr wert. Aber gerade jetzt liegt der König krank darnieder. Wenn er nur drei von diesen Birnen verspeisen könnte, müßte er sich erholen« — so erzählten sie.

Das hörte drinnen in der Sänfte die Schwiegertochter. Sie trat hinaus vor ihren Schwiegervater. »Vater, ich will versuchen, die Birnen herunterzuholen«, sagte sie ehrerbietig. Gleich brachen die starken Männer, die das Holz getragen hatten, in Lachen aus darüber, auf welche Weise denn wohl eine junge Frau die Birnen herunterholen wollte.

Die Schwiegertochter aber sagte: »Vater, macht nur ein wenig Platz da!« — und die Sänftenträger ließ sie die Sänfte wegtragen. Und dann hob sie ihren Rock hoch, beugte sich nieder und streckte ihren Hintern auf den Birnbaum zu, ließ einen fahren — und, kaum zu glauben, einem Sommerhagel gleich fielen die Birnen alle auf einmal herunter. Yi Ch’ambong klatschte in die Hände vor Freude. »Unter den Fürzen gibt es auch Glücksfürze! Glücksfürze!« jubelte er, sammelte die heilsamen Birnen auf und überbrachte sie dem Herrscher.

Auch die Schwiegertochter aß von den Birnen — und damit war die Sache mit der Furzerei in Ordnung gebracht. Und danach soll die ganze Familie gut und in Frieden gelebt haben.