Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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12.  Der Aussätzige




In alten Tagen bettelten drei Frauen um Baumwolle. Soviel waren sie herumgelaufen, daß der Tag zur Neige ging und sie nicht mehr nach Hause zurückkehren konnten. Sie liefen herum und suchten einen Ort, wo sie die Nacht verbringen könnten, als da irgendwo ein Licht aufblitzte. In diese Richtung gingen sie, weitersuchend, und tatsächlich war da ein Haus. Sie riefen den Hausherrn, baten ihn, übernachten zu dürfen, und der gab bereitwillig seine Zustimmung.

Als sie ins Haus hineinsahen, machten da ein paar Männer Unfug miteinander, aber weil es schon spät war, meinten sie, es sei unmöglich, noch einen anderen Ort zu finden; so gingen sie ins Zimmer hinein und setzten sich.

Als eine Weile vergangen war, kam jemand mit dem Abendtisch herein. Während zwei der Frauen das Essen gierig hinunterschlangen, sah sich die dritte erst mal in aller Ruhe die Suppe genau an — und da war ein Finger in der Suppe. Aber weil es den anderen seltsam vorgekommen wäre, hätte sie gar nichts gegessen, nahm sie trotzdem ein, zwei Löffel zu sich und stellte dann den Tisch zur Seite.

Weil sie den ganzen Tag herumgelaufen waren, sanken zwei der Frauen ermüdet zu Boden, fielen in Schlaf und schnarchten. Aber die eine, wer weiß warum, legte sich voller Ahnungen an ihren Platz, schlief aber nicht ein, sondern harrte der Dinge, die da kommen sollten.

Als es etwa Mitternacht geworden war, gab es draußen ein Geräusch, so, als ob Stoff in Fetzen gerissen würde, und sie sah durch eine Türritze hinaus — da kratzte jemand an der Fußsohle eines Menschen. Die Frau erschrak, sie bekam eine Gänsehaut vor Angst und versuchte, die anderen beiden aufzuwecken. Eine von den schlafenden Frauen wurde schnell wach, begriff aber nicht, was vorging, und so schrie sie: »Was weckst du mich denn?« Da blieb nichts anderes übrig, als zu erzählen, was geschehen war, und dann erschrak sie auch und meinte, man müsse sich davonmachen.

Die dritte Frau aber war nicht wachzubekommen geschweige denn zum Aufstehen zu bewegen, nichts war zu machen. Die zwei Frauen traten mit aller Kraft die Tür auf, und so schnell sie konnten flüchteten sie in die Berge.

Wenig später, sie waren kaum in den Wipfel eines Baumes geklettert, kamen ein paar Leute, und die liefen mit Fackeln im Wald hin und her, um die beiden Frauen zu suchen, doch als sie sie nicht finden konnten, gingen sie wieder weg.

Die Schlafmütze von den drei Frauen wußte von allem nichts, sie schlief nur. Eine Zeitlang war sie still, doch dann fing sie an zu lachen, lachte und lachte. Und dann hörte sie für immer auf zu lachen. Vielleicht war sie in das Haus eines Aussätzigen geraten, denn man sagt ja, daß Aussätzige andere Menschen zu Tode kitzeln ...