Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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19. Das Mädchen Tae und der Bambus




In alten Tagen lebte ein Ehepaar zusammen mit der einzigen hübschen Tochter, die den Namen Tae trug. Als das Mädchen elf Jahre alt wurde, erkrankte die Mutter und schied von dieser Welt.

Da es nun einmal so war, suchte der Vater noch einmal eine Mutter für die kleine Tae, doch die Stiefmutter konnte das Mädchen überhaupt nicht ausstehen. Der Gedanke daran, wie sie sich das Mädchen vom Halse schaffen könnte, ging ihr nicht aus dem Kopf.

Eines Tages nun, als der Vater der kleinen Tae für längere Zeit das Haus verlassen hatte, um in einer weit entfernten Gegend zu jagen, füllte die Stiefmutter Reiskuchen mit einem Gift und gab sie Tae zu essen. Da diese ein wohlerzogenes Mädchen war, nahm sie die Reiskuchen dankbar entgegen, aß sie — und starb auf der Stelle. Damit niemand den Leichnam sähe, begrub ihn die Stiefmutter auf dem Feld hinter dem Haus.

Nicht viel später wuchs dort, wo das Mädchen begraben lag, ein langer Stengel aus dem Boden, eines Tages kam er ganz plötzlich heraus. Jemand bat die Stiefmutter um diesen Stengel. Sie schnitt ihn mit der Sichel ab und gab ihn dem Mann. Der nahm ihn entgegen, steckte ihn in den Mund und blies hinein. Da kam eine Stimme heraus: »Vater! Mutter! Eure Tochter Tae ist von der neuen Mutter umgebracht worden. Dieser Stengel, das ist ein Knochen von mir.« Die Stiefmutter erzitterte, sie wollte den Mann verjagen, der aber lief in der ganzen Nachbarschaft herum und blies.

Da kam endlich der Vater, der lange Zeit weit entfernt gejagt hatte, nach Hause zurück. Er hörte diese Stimme, er forschte nach, was da Seltsames geschehen war, und als er die Wahrheit erfuhr, tötete er die Stiefmutter. Später ist da, wo das Mädchen begraben lag, immer dieser lange Stengel nachgewachsen, und man hat diesen Stengel nach dem Namen des Mädchens Tae genannt.