Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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23. Der Frosch-Geist




In alten Tagen lebte einmal ein junges Mädchen mit Namen Kúmae, Tochter aus vornehmer Familie. Eines Tages setzte sie sich, um sich ein wenig an der frischen Luft zu vergnügen, an den Rand eines Lotosteichs. Da fiel ihr ein Edelsteinring, den der Vater für sie gekauft hatte, ins Wasser. Nicht nur, daß sie selbst diesen Ring am liebsten hatte, mehr noch — der Vater selber hatte ihn für sie ausgesucht. Weil sie so etwas Kostbares verloren hatte — wie viele Tage würden nun das Mädchen nicht schmerzliche, verdrießliche Gedanken quälen! Ihre Lippen waren weiß, sie weinte.

Gerade da, zur rechten Zeit, sprang ein Frosch aus dem Wasser, schwamm hierhin, schwamm dorthin, im Kreise herum. Das Mädchen weinte, da sah sie den Frosch. »He, Frosch! Was macht dir denn soviel Spaß? Wenn du auch ein Herz hast, das Mitleid fühlt, dann hör mir bitte mal zu!« sagte sie zu ihm.

Als der Frosch sie so reden hörte, antwortete er schnell: »Was soll ich mir denn anhören?« Das Mädchen empfand es dankbar, daß der Frosch mit ihr sprach, und so sagte sie gleich: »Ja, es ist nichts anderes als — ich habe gerade eben einen Edelsteinring ins Wasser fallen lassen. Das Wasser ist tief, ich kann ihn nicht selbst wieder herausholen. Bitte, und wenn du ihn mir herausholst, so werde ich dir diese Freundlichkeit gleich vergelten«, so bat sie. Der Frosch sagte: »Es ist zwar nicht schwer für mich, den Edelsteinring heraufzuholen, aber ich kann das nicht machen, ohne daß ich etwas dafür bekomme.« Das Mädchen: »Nun gut, ich werde dir viele wohlschmeckende Speisen bringen, nur schnell, hol den Ring heraus!« Der Frosch antwortete: »Ich möchte keine Speisen. Wenn du mich mitnimmst in dein Haus, wenn du mir dort einen Tisch zum Essen gibst, wenn du mir dort ein Zimmer zum Schlafen gibst, werde ich dir jetzt gleich helfen.«

Das Mädchen dachte sich: >Es gibt so viele ganz lächerliche Sachen. Den Kerl werde ich schon irgendwie hereinlegen können< — sie sah den Frosch an und sagte: »Nun ja, wenn es nicht mehr ist, da soll es weiter keine Schwierigkeiten machen. Ich werde dir schon geben, was du willst, also schnell, bring den Ring herbei!« Und so gab sie dem Frosch ein festes Versprechen.

Der Frosch vertraute dem Mädchen, sprang gleich ins Wasser hinein — und eine Weile später brachte er den Edelsteinring und gab ihn dem Mädchen. Die nahm den Ring entgegen. Sie dachte: >Der Frosch wird mir kaum folgen können< — und sie ließ den Frosch, wo er war, und ging allein nach Hause zurück.

Der ehrliche Frosch wartete darauf, daß sie ihn mitnehme, und als er sah, daß sie einfach allein wegging, rief er ein paarmal: »Laß uns zusammen gehen! Laß uns zusammen gehen!« — aber sie drehte sich nicht einmal nach ihm um, und weil sie weiterlief, konnte er nicht mehr Schritt halten mit ihr, doch — ein Sprung und noch ein Sprung und noch einer — so versuchte er ihr nachzuhüpfen.

Das Mädchen kam nach Hause, schloß das Hoftor, ging ins Haus und setzte sich hin. Es vergingen nicht einmal ein paar Stunden, da rüttelte es am Hoftor, und eine Stimme war zu hören, die verlangte, man solle das Hoftor aufmachen. Als der Vater das Rütteln an der Hoftür hörte, sah er seine Tochter an. »Du, draußen ist jemand gekommen, geh raus und sieh nach!« — so schickte er sie nach draußen. Das Mädchen ging hinaus, machte das Tor auf, und da sah sie, daß der Frosch, den sie vor einer Weile getroffen hatte, ihr gefolgt war. Sie fürchtete sich, war zu Tode erschrocken. Schnell schlug sie das Tor wieder zu und rannte ins Haus zurück.

Der Vater sah, daß sie blaß geworden war, er hörte, wie weiter an dem Tor gerüttelt wurde, er dachte, seltsam ist das, sah seine Tochter an und fragte sie, was denn los sei. Das Mädchen erzählte dem Vater die ganze Geschichte der Wahrheit entsprechend. Daß ihr der Edelsteinring ins Wasser gefallen war, was sie dem Frosch versprochen hatte und daß der ihr jetzt gefolgt war, das erzählte sie alles.

Der Vater hörte sich das an, dann sagte er: »Der Frosch ist dein Wohltäter. Er mag ein noch so niedriges Geschöpf sein, du hast ihm ein Versprechen gegeben! Wie kannst du ihn da so schlecht behandeln? Das ist ein Fehler! Schnell, geh hinaus, mach ihm die Tür auf und bring ihn mit herein!« 

Das Mädchen, mochte es noch so sehr dagegen sein, konnte gar nichts machen .Auf das Wort des Vaters nicht zu hören, das ging einfach nicht. Also ging sie hinaus, machte das Tor auf — der Frosch freute sich und hüpfte hinter ihr drein. Einmal ins Haus gekommen, sprang der Frosch auch gleich ins Zimmer hinein.

Die Sonne war schon untergegangen, es wurde Zeit, zu Abend zu essen. Der Frosch sah das Mädchen an. »Du, Mädchen, laß uns zusammen abendessen«, verlangte er. Das Mädchen hörte es und bekam eine Gänsehaut bei diesem ihr widerwärtigen Gedanken und konnte gar nicht antworten. Doch als sie nach draußen lief, schalt der Vater sie: »Sofort, mach es so, wie du versprochen hast!«, rief einen Diener herbei und ließ ihn das Abendessen auftragen.

Der Vater hatte gesprochen, was sollte sie machen? Sie setzte den Frosch neben den Tisch und fing an zu essen. Der Frosch hatte noch etwas zu sagen: »Ich bin zu klein, kann so nicht essen, bitte, setz mich oben auf den Tisch«, es half nichts, sie setzte ihn oben auf den Tisch, er machte sein großes Maul auf und fraß und fraß.

Allmählich wurde es tiefe Nacht, da sah der Frosch das Mädchen wieder an. »Du, Mädchen! Willst du nicht schlafen gehen? Ich bin so müde, daß ich es nicht mehr aushalten kann. Schnell, Mädchen, laß uns zusammen in die Kammer gehen«, sagte er.

Das Mädchen versuchte ihn zu beschwichtigen. »Du, geh jetzt endlich dahin, wo du hingehörst! Das Versprechen heute — ich habe doch alles eingehalten, warum denn da noch mit mir im gleichen Zimmer schlafen? Ich werde dir viele wohlschmeckende Speisen geben, die nimm mit, aber, bitte, geh!« So versuchte sie ihn zu beschwichtigen. Doch der Frosch schüttelte nur den Kopf. »Sag so was nicht ein zweites Mal! Wenn ich mal was versprochen habe, ganz gleich, ob es etwas Gutes war oder etwas Schlechtes, es ist nie vorgekommen, daß ich es nicht eingehalten habe. Ich möchte lieber sterben, als auch nur eines von den Dingen, die wir verabredet haben, auszulassen«, sagte er mit glänzenden Augen. Die Gedanken des Mädchens waren voller Haß, doch sie wußte nicht, was sie machen sollte. Schließlich siegte ihre Angst, sie sprang schnell in ihr Zimmer, schloß die Tür, verriegelte sie, zog sich die Decke über den Kopf und legte sich hin. Der Frosch rief draußen vor der Tür ein paarmal, sie solle doch aufmachen, doch als dann immer noch keine Antwort kam, da zerriß er einfach das Papier der Tür und sprang ins Zimmer hinein.

Das Mädchen hielt die Decke fest an sich gepreßt, sie gab sich den Anschein, als ob sie tot sei. Der Frosch blieb ein Stück entfernt von ihr sitzen, blinzelte mit den Augen, und als die anderen Bewohner des Hauses schlafen gegangen waren und alles ruhig wurde, da hüpfte er zum Kopfende des Mädchens, zog die Decke, mit der sie sich zugedeckt hatte, weg. »Du, Mädchen! Sieh mich an! Ich bin kein Frosch, ich bin ein Geist, der vom Himmel heruntergekommen ist. Dich wollte ich mitnehmen zum Himmel hinauf, nur deshalb habe ich mich in einen Frosch verwandelt. Aber wenn du deine Versprechen nicht hältst, dann werde ich allein zurückgehen«, so sprach er, verwandelte sich in einen hübschen Geist, öffnete die Tür und verschwand nach draußen.

Jetzt bedauerte es das Mädchen, daß es sein Versprechen nicht gehalten hatte. Sie ging hinaus, ihn zu suchen, sie wollte den Geist zum Bleiben bewegen, ihn für ihre Fehler um Verzeihung bitten. Aber der Geist kam nicht zurück, er ist, so erzählt man, wieder zum Himmel hinaufgestiegen.