Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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38.  Sonnenfinsternis — Mondfinsternis




So wie es heute auf der Erde verschiedene Länder gibt, gab es auch im Himmel verschiedene Länder. Unter ihnen war ein Land, das war immer in Dunkelheit getaucht. Man nannte es deshalb das Dunkle Land. Im Dunklen Land schienen weder Sonne noch Mond, und weil man immer im Dunkeln leben mußte, gab es mehr Widerwärtigkeiten, als man aufzählen kann.

In der dunklen Mitte des Dunklen Landes lebten viele Hunde. Weil diese Hunde überaus wild waren, nannte man sie Feuerhunde. Den Herrscher des Dunklen Landes schmerzte es, daß sein Volk immer im Dunkeln leben mußte.

Er dachte darüber nach, ob es nicht einen Weg gebe, der Dunkelheit zu entkommen. Am Ende seiner Überlegungen beschloß er, eines von beiden, Sonne oder Mond, die es in der Menschenwelt gab, stehlen zu lassen. Der Herrscher des Dunklen Landes wählte unter den Feuerhunden den allerstärksten und allerschnellsten aus und gab ihm den Auftrag, die Sonne zu stehlen. Der Feuerhund spürte die Sonne auf, und bei der ersten besten Gelegenheit biß er schnell mit dem Maul fest zu.

Aber die Sonne war zu heiß, er konnte sie unmöglich im Maul festhalten und zurücklaufen, so spuckte er sie gleich wieder aus. Mehrmals versuchte er noch zuzubeißen, aber sie war zu heiß, er konnte es nicht ertragen und mußte sie wieder loslassen. Der Feuerhund berührte sie nur noch mit dem Maul, ließ sie aber gleich fallen, es war nichts zu machen. So kehrte er um und berichtete dem Herrscher, wie es ihm ergangen war.

Dem Herrscher des Dunklen Landes stieg der Zorn bis in die Haarspitzen, aber ändern konnte er es nicht. Also gab er den Befehl, diesmal den Mond zu stehlen; der ist ja nicht heiß, meinte er. Er glaubte, es sei eine leichte Sache, ihn zu stehlen, denn sein Licht war ja schwächer, also mußte er auch weniger heiß sein als die Sonne.

Wieder ließ er den Feuerhund kommen und befahl ihm, den Mond zu stehlen. Der Feuerhund spürte den Mond auf und biß schnell hinein. Aber der Mond war sehr, sehr kalt, es war dem Feuerhund so, als ob er in einen Eisblock gebissen hätte, die Zähne schmerzten ihn vor Kälte. Er konnte es nicht ertragen. Also spuckte er den Mond wieder aus. Mehrmals versuchte er sich festzubeißen, aber es war einfach zu kalt, immer wieder ließ er den Mond fallen.

Als der Herrscher des Dunklen Landes diese Nachricht hörte, wurde er richtig zornig. Hatte er doch zweimal befohlen, die Sonne oder den Mond zu stehlen, und beides war fehlgeschlagen.

So wie früher schon gab es keine Möglichkeit, dem Dunklen Land Licht zu bringen, und noch heute soll es wie in alten Tagen in Dunkelheit getaucht sein. Und noch heute beißt der Feuerhund in die Sonne und in den Mond. Und jedesmal, wenn der Feuerhund in die Sonne beißt, gibt es auf der Erde eine Sonnenfinsternis, und jedesmal, wenn der Feuerhund in den Mond beißt, eine Mondfinsternis.