Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

PLEASE NOTE: This is an HTML preview only and some elements such as links or page numbers may be incorrect.
Download the book in PDF, ePub, Kindle for a complete version.

40. Das Eselsei




Irgendwo auf dem Lande lebte ein Bauer, der war ein ehrlicher und tugendhafter Mensch, aber es gab nichts, worüber er richtig Bescheid wußte, und so war es nicht selten, daß er für andere Grund zum Lachen bot.

Eines Tages packte ihm seine Frau einen Ballen weißes Baumwolltuch ein und sagte: »Das nehmt mit und verkauft es auf dem Markt, und dann kauft für den Erlös irgendwas, wenn es nur nützlich ist, und bringt es mit nach Hause.« Der Bauer nahm das Baumwolltuch entgegen und verließ das Haus, seinen Mantel, der bis zum Schienbein reichte, hatte er, so zerknittert, wie er war, angezogen, seinen völlig verbeulten Roßhaarhut auf den Kopf gesetzt, die kurze Tabakspfeife mit Tabakskrümel ganz fest gestopft und am Feuer des Beckens angezündet — so machte er sich keuchend und schnaufend zum Markt auf.

Mit dem Baumwolltuch unter dem Arm lief er dort immer und immer wieder im Kreis herum, jeden einzelnen Laden guckte er sich an, dies nahm er in die Hand, jenes betastete er, und wenn der Ladenbesitzer schimpfte: »Was macht Ihr denn da?«, dann zog er sich mit rotem Kopf zurück. Als es dann Abend wurde, da war auch das Baumwolltuch, das er mitgebracht hatte, verkauft, und er sah sich nun um, was er denn zum Mitnehmen kaufen sollte; so kam er schließlich an einem Laden vorbei, wo Wassermelonen verkauft wurden.

Die sorgfältig aufgestapelten Wassermelonen fielen ihm ins Auge — das war etwas, was er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen hatte. »He, was ist denn das?« fragte der Bauer. Der Melonenhändler dachte sich: >Guck dir doch den dummen Kerl an! Sieht so aus, als ob er zum ersten Mal in seinem Leben Melonen zu sehen bekommt. Wollen wir doch mal versuchen, ob wir den hereinlegen können!< Und er antwortete ihm: »Das, das sind Eselseier.«

Der Bauer, der so was wirklich zum ersten Mal sah, fragte weiter: »Ja, und wie brütet man die aus?« Der Melonenverkäufer hatte seinen Spaß daran und schlug vor: »Wenn du das Ei am wärmsten Platz im Haus nur dreißig Tage mit einer Bettdecke zudeckst, dann wird es ganz von selbst ausgebrütet.« Der Bauer war ganz besessen von dem Gedanken, er könne so leicht einen Esel bekommen, und fragte: »Wieviel kostet denn da eins?« Der Melonenverkäufer antwortete: »Wenn du es gleich kaufen willst, gebe ich es dir billiger, statt für fünf Nyang für ein Nyang weniger. Willst du eins mitnehmen und ausbrüten? Das ist doch wirklich billiger, als einen Esel zu kaufen!«

Der Bauer glaubte dem Verkäufer aufs Wort, und unter den Eselseiern suchte er sich das beste aus, kaufte es und machte sich auf den Weg nach Hause.

Seine Frau hatte schon auf seine Rückkehr gewartet, und als er hereinkam und wirklich etwas mitgebracht hatte, nahm sie es voller Freude entgegen. »Was ist das?« fragte sie. Der Bauer erzählte ihr: »Das ist ein Eselsei. Wenn du das auf den wärmsten Platz im Haus legst und mit einer Bettdecke zudeckst, soll nach dreißig Tagen der Esel ausschlüpfen. Schnell, bring es zum besten Platz, deck es gut zu, ja, und heiz ein bißchen besser ein!« Die Frau folgte ihm aufs Wort, sie machte alles genauso, wie er ihr gesagt hatte.

Die dreißig Tage waren um, die Frau wollte wissen, wie die Sache geworden war, hob die Bettdecke hoch, um nachzusehen — die Wassermelone war verfault, ihr stinkiges Inneres war wie ein Schlag auf die Nase. Sie rief ihren Mann. »Von einem Esel kann gar keine Rede sein! Ich kann den Gestank nicht aushalten, schnell, wirf das weg!« drängte sie ihn.

Der Bauer konnte gar nichts anderes machen, als alles hinauszutragen, er brummte vor sich hin: »Wir haben es doch so gemacht, wie er gesagt hat. Wieso ist das Ei da verfault? Es ist wirklich zu schade ...« — und warf es auf dem Berg hinter dem Dorf, zack, ins Gebüsch.

Gerade zu dieser Zeit war das Wetter ziemlich heiß, und deshalb lief ein junger Esel vom Dorf auf der anderen Seite des Berges auf der Weide herum, riß Gras ab und fraß es, und um der Hitze zu entgehen, hatte er sich gerade in diesem Gebüsch hingelegt. Als die verfaulte Wassermelone angeflogen kam, schreckte er auf und rannte davon.

Der Bauer sah das. »Ei! Tatsächlich, es ist ein Esel geworden!«, und so, als ginge es um sein Leben, nahm er die Verfolgung auf. Der Esel, so gejagt, lief hin und her, und schließlich sprang er in ein Nachbarhaus hinein. Der Bauer sprang hinterdrein, aber als der Hausherr den Bauern sah, schalt er: »Was soll denn das, einfach so in anderer Leute Haus einzudringen!« Der Bauer fühlte sich beschämt. »Nein, nein! So ist es nicht, es ist nur, weil ... Jetzt ist das Eselsei ausgebrütet, der junge Esel sprang in Euer Haus, und da mußte ich doch hinterdreinspringen!« Die Leute im Haus bogen sich vor Lachen. »Ein Eselsei? Wo gibt’s denn das? Der Mensch ist verrückt!«, und sie jagten den Esel hinaus.

Der Bauer fing den Esel, nahm ihn mit nach Hause, gab vor seiner Frau mächtig an damit und band ihn fest. Als die Sonne unterging, da fand es der wirkliche Besitzer des Esels doch seltsam, daß der noch nicht zurückgekommen war, er suchte überall nach seinem Tier. Dabei kam er auch ins Dorf auf der anderen Seite des Berges und hörte dort die Stimme seines Esels! Er trat in das Haus ein — und fand dort tatsächlich seinen Esel angebunden. Er fragte den Bauern: »Wieso hast du denn meinen Esel mitgenommen und hier festgebunden?«

Der Bauer antwortete: »Was ist denn das für ein dummes Gerede? Ich bin vor dreißig Tagen auf den Markt gegangen, habe ein Eselsei gekauft — und der ist herausgeschlüpft! Wie kannst du denn einfach behaupten, daß der dein Esel ist?«

Dem richtigen Eselsbesitzer blieb die Luft weg, er dachte bei sich: >Der Kerl ist wohl verrückt, ein vernünftiger Mensch ist der kaum.< Weil er ihn für diesmal nicht von den Tatsachen überzeugen konnte, rief er am nächsten Tag viele Leute aus seinem Dorf zusammen und brachte sie mit. Die konnten die Umstände ganz klarmachen, und er hat seinen Esel mit knapper Not zurückbekommen.