Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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45.  Feueraufpasser




In alter Zeit lebte eine Witwe mit ihrem einzigen Sohn zusammen in völliger Armut. Dem Alter nach war der Sohn wirklich so weit, daß man ihn verheiraten mußte. Also suchte sie hier und da und dort Heiratsvermittler auf, aber sowie sie davon sprach, daß es um den Sohn einer Witwe ohne Geld ging, schenkte ihr niemand auch nur die geringste Aufmerksamkeit.

Die Mutter machte sich ernsthaft Sorgen. Der Sohn konnte das nicht mit ansehen, und so sprach er eines Tages zu ihr: »Mutter, mach mir bitte nur einen seidenen Mantel, ich will irgendwie mit eigener Kraft versuchen, ein Mädchen zu finden.«

Die Mutter erschrak, und gleich fragte sie: »Was sagst du da?« — »Kann ich denn nicht selbst ein Mädchen suchen?« — »Dummes Gerede!« meinte sie und schüttelte den Kopf. Aber der Sohn war starrköpfig, er blieb dabei. Für die Witwe überstieg es ihre Kräfte, ihn umzustimmen. »Mach es, wie du willst!«, und sie nähte ihm einen seidenen Mantel.

Und sogleich machte der Sohn sich auf, trieb sich hier und dort, kurz – überall — herum. Den seidenen Mantel hatte er sorgfältig in ein Einschlagtuch gepackt und trug statt dessen schäbige Kleider. Ohne sich weiter um ein Ziel zu kümmern, führten ihn seine Schritte in ein Gasthaus. Seinem Äußeren nach hätte das durchaus ein Haus sein können, in dem es eine Tochter gab. Er suchte den Hausherrn auf, und wegen seiner Notlage — er wußte ja wirklich nicht wohin — bat er ihn darum, wenigstens auf das Feuer aufpassen zu dürfen, wenn es gar nichts anderes zu tun gebe. Von da an nannte man ihn nur »Feueraufpasser«. In diesem Haus gab es drei Töchter. Eines Tages kämmte die älteste ihr Haar, als Feueraufpasser den Kopf hereinsteckte. »Mädchen, leiht mir doch bitte Euren Kamm ein wenig. Ich konnte mich so lange Zeit nicht mehr kämmen«, aber die älteste Tochter schnäuzte sich laut die Nase und sagte: »Ein Kerl wie du und kämmen, was soll denn das?« und schlug die Tür zu.

Er suchte die zweite Tochter. Da geschah genau das gleiche. Er suchte dann auch noch die dritte Tochter, und das Mädchen gab ihm, kaum zu glauben, seinen Kamm.

An diesem Tag ging die ganze Familie hinaus, um einen Ausflug an die frische Luft zu machen. Allein mußte er zu Hause zurückbleiben, und da zog Feueraufpasser seine alten Kleider aus und dafür seinen Mantel ganz sorgfältig an. Nun war sein Aussehen das eines jungen Herrn aus vornehmem Hause. Er hatte Spaß daran, in der Nähe seiner Herrschaft rund und rund im Kreis herumzulaufen, und er sah ganz anders aus als damals, als er zum ersten Mal in das Haus seines Herrn gekommen war.

Die anderen der Familie schöpften keinen Verdacht, nur die jüngste Tochter nickte ihm mit dem Kopf zu. Und zwar deshalb, weil das vielleicht ein junger Herr aus vornehmem Haus sein könnte, der sich da im Freien vergnügte, ja, und weil er wie Feueraufpasser aussah. Aber sie ließ sich sonst nichts anmerken.

Dann, ein anderes Mal, gab es in der Nähe im Haus von Verwandten eine Hochzeit, und die ganze Familie verließ das Haus. Feueraufpasser zog das weiße Pferd seines Herrn heraus, malte es mit Tusche schwarz an, und so bekam er ein schwarzes Pferd. Und dann machte er sich mit seinem Mantel hübsch.

Wenig später kam in das Haus, wo man das Fest feierte, ein vornehmer Herr, und allgemeines Gerede begann. Eine gut gewachsene Gestalt, mit einem seidenen Mantel angetan — der Feueraufpasser hatte ganz das Aussehen eines Adligen, zumal er ja noch ein Pferd bei sich hatte. Die Töchter seines Hausherrn, die dort den Gästen aufwarteten, stritten sich miteinander, jede wollte dem Gast seinen Eßtisch bringen. Sie hatten nicht die geringste Ahnung, daß das der Feueraufpasser aus ihrem Hause war. Die jüngste Tochter aber hieß den vornehmen Herrn willkommen und bediente ihn, die beiden älteren Schwestern kochten vor Zorn.

Der Gast brach schon bald wieder auf — es blieb ihm ja auch nichts anderes übrig. Kaum war er zurück, so mußte er seinen Mantel ausziehen, vom Pferd die schwarze Farbe wieder abwaschen und es in ein weißes Pferd zurückverwandeln — deshalb seine Eile.

Wieder einmal wollte Feueraufpasser von der jüngsten Tochter den Kamm ausleihen. Sie war freundlich zu ihm wie nie zuvor. Er tat aber so, als ob er überhaupt von nichts etwas wüßte. Dann sagte die jüngste Tochter zu ihren Eltern: »Mir scheint es fast, der junge Edelmann, der neulich zur Hochzeit gekommen ist, war unser Feueraufpasser« — die Eltern lachten sie aus und meinten, sie solle doch solch dummes Gerede lassen.

Auch an diesem Tag kam Feueraufpasser, um den Kamm auszuleihen. Die jüngste Tochter rief ihn in ihr Zimmer. »He, ich habe Euch was zu fragen. Seid Ihr nicht vielleicht vor ein paar Tagen zur Hochzeit gegangen? Bist du nicht vielleicht auf dem schwarzen Pferd geritten?« Das Mädchen war zwar verlegen, aber seine Stimme klang hell und klar. Er leugnete erst alles ab, aber sie ließ nicht nach mit ihrem Fragen. Sie ging sogar so weit zu sagen, daß ihr das alles schon seit dem Ausflug verdächtig vorgekommen sei.

Jetzt oder nie, hatte sie sich vorgenommen, sollte ihr Plan Früchte tragen. Ja, und schließlich gab Feueraufpasser alles, alles zu. »Ach, wollt Ihr Euch nicht noch einmal so herausputzen wie neulich und zu mir kommen? Wenn Ihr es tut — ich schenke Euch diesen Kamm!« Während sie so sprach, glänzte ihr Gesicht. Feueraufpasser antwortete lachend: »Nur wenn Ihr es nicht dem Vater sagt ...« — »Ich verspreche es!« — »Niemandem?« — »Niemandem!«

In der nächsten Nacht klopfte er, angetan mit seinem seidenen Mantel, an des Mädchens Zimmertür. Und am nächsten Tag stellte die jüngste Tochter den Eltern Feueraufpasser als ihren Bräutigam vor. Die Eltern waren wegen seiner feinen Erscheinung aufs angenehmste überrascht. Sie dachten, er könne wirklich nur ein Sohn einer vornehmen Familie sein. Und als die jüngste Tochter bat, Feueraufpasser heiraten zu dürfen, hatten sie keine Einwände — die beiden wurden Mann und Frau. Feueraufpasser hatte mit einem Mantel eine Frau gefunden, und zusammen mit ihr kehrte er zurück zu seiner Mutter.