Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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52.  Der vertauschte Leichnam




Früher einmal lebte an der Grenze von Sangju ein Herr Yi, der ging jedes Jahr in die Kangwón-Provinz hinauf und handelte mit Makrelen. Er machte gute Geschäfte. In der Nachbarschaft lebte eine Familie Kim, die zählte viele Köpfe. Frau Kim meinte nun: »Wenn so ein vornehmer Herr mit Makrelen handelt und seine Familie davon ernähren kann, warum sollen wir es dann nicht auch einmal versuchen mit dem Makrelenhandel?« So ging diese Frau Kim ins Haus der Familie Yi. »Wie wäre das, wenn euer Hausherr unseren mal mitnähme zum Makrelenhandel?« fragte sie dort. »Warum nicht?« antwortete der Herr Yi.

Also gingen sie beim nächsten Mal zusammen. Kaum in der Kangwón-Provinz angekommen, wurde der Herr Kim krank, bald war alles Reisegeld, das die beiden mit sich führten, ausgegeben. Das Geld war weg — und der Herr Kim, der starb dort. Herr Yi kehrte in die Heimat zurück, um der Frau Kim zu berichten, daß sie Witwe geworden war. »Was sagt Ihr da?« — sie wollte es nicht glauben. »Dann bringt mir den Leichnam meines Mannes hierher, wenn Ihr seinen Leichnam bringt, dann weiß ich genau, daß er hier oder dort gestorben ist.« Ja, dem Herrn Yi blieb nichts anderes übrig, als den ganzen Weg in die Kangwón-Provinz noch einmal zu machen. Dort ließ er den Leichnam seines Begleiters ausgraben und nahm ihn mit in die Heimat. Aber als er dort ankam — lag ein fremder weißhaariger Alter im Sarg!

»Das ist ja gar nicht der Leichnam meines Mannes! Was soll denn das? Wenn Ihr nicht den Leichnam meines Mannes bringt, dann werdet Ihr sterben und ich auch. Geht, bitte, bringt meinen Mann heim!«

Wieder machte sich Herr Yi auf, den falschen Leichnam nahm er mit und suchte den Wirt auf, wo er zuletzt gewohnt hatte. »Der ist doch damals hier gestorben, und ich selbst habe ihn begraben. Später bin ich dann wieder gekommen und habe den Sarg ausgraben lassen und in die Heimat mitgenommen, aber als ich dort angekommen bin, lag ein weißhaariger Alter darin. Wie kommt denn das?« beklagte er sich. Der Wirt dachte nach. »In der Zeit, zu der Ihr hier wart, ist ein reicher Mann hierhergekommen, um Medizin zu nehmen, der ist damals doch auch gestorben. Wir haben ihn neben Eurem Freund begraben. Kann sein, daß beim Ausgraben die beiden verwechselt worden sind.«

Als sie die Sache noch einmal besprachen, meinten sie, der Sohn des reichen Mannes, ein Herr Pak, habe die beiden vertauscht, als er seinen toten Vater heimholen wollte. Auch der hatte zu spät bemerkt, daß er den Falschen ausgegraben hatte. So konnte er ihn nicht selbst beisetzen, sondern mußte andere Leute darum bitten.

Doch der Herr Pak machte sich große Sorgen, weil sein Vater kein würdiges Begräbnis bekommen hatte. Herr Yi aber wußte nicht, wo denn die Familie Pak zu Hause war. Den Sarg mit dem weißhaarigen Alten begrub er gleich neben dem Dorfeingang.

Später geriet er zufällig doch in das Haus der Familie Pak. Er kam herein, entbot seinen Gruß, blieb dort über Nacht. Vorm Einschlafen erzählte man sich was, und Herr Yi berichtete: »Ja, ich bin ein Makrelenhändler, bin immer von dort hierhergekommen, bis mir das widerfahren ist ...« — »Ach, was habt Ihr denn mit dem weißhaarigen Alten gemacht?« — »Ich habe ihn gleich neben dem Dorfeingang begraben«, sagte der Herr Yi.

So fand Herr Pak dann doch noch seinen verstorbenen Vater; wie glücklich war er, daß er doch noch die vorgeschriebenen Bestattungsriten nachträglich vollziehen konnte. Dann begleitete er den Herrn Yi bis hinunter in dessen Heimat, dort entlohnte er den Makrelenhändler reich. Mitleid hatte er auch mit der armen Frau Kim, für sie kaufte er einen Acker und gab ihr noch Geld dazu.