Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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65.  Die Fee und das Federkleid




In alten Tagen lebte in der Provinz Kangwón, im Dorf Onjóng in den Diamantenbergen, ein ganz armer Holzfäller. Er ging jeden Tag zur Arbeit in die Berge. Eines Tages bat ein Reh, das vom Jäger verfolgt wurde und nicht mehr aus noch ein wußte, den Holzfäller, der gerade dabei war, seine Arbeit abzuschließen, um Hilfe. Der Holzfäller hatte Mitleid, er versteckte das Reh und rettete es vor dem Jäger.

Später wollte das Reh ihm diese Freundlichkeit vergelten. »Durch deine Gnade bin ich nicht gestorben, bin ich noch am Leben. Deshalb will ich dich etwas lehren. Auf den Höhen dieser Diamantberge ist ein allen unbekannter Lotosteich, dorthin kommen oft Feen vom Himmel herunter, baden und machen sich schön. Geh dorthin, versteck einer der Feen ihr Federkleid, das sie abgelegt hat. Wenn du das so machst, kann sie nicht wieder zum Himmel aufsteigen und muß dann, wie du willst, deine Frau werden und ein ganzes Leben zu deiner Bequemlichkeit mit dir verbringen. Aber, bitte, bis sie dir drei Söhne geboren hat, darfst du ihr auf keinen Fall ihr Federkleid zurückgeben«, sagte das Reh, und es erklärte ihm auch ganz genau, wo der Lotosteich war.

Der Holzfäller war froh. Am nächsten Tag ging er dann zu diesem Teich, und tatsächlich, es kamen acht wunderschöne Feen zum Lotosteich heruntergeflogen, zogen ihre Federkleider aus, hängten sie an Baumzweige. Sie dachten gar nicht daran, daß ein Mensch sie beobachten könnte, sie zögerten kein bißchen, ihre schneeweißen Körper tauchten sie ins Wasser, wuschen sich und machten sich schön, immer wieder blickten sie dabei in das spiegelnde Wasser.

Diese Zeit nutzte der Holzfäller. Ein Federkleid nahm er von den Zweigen, legte es zusammen und versteckte es. Eine Weile später waren die Feen ihr Spiel müde, ganz schön hatten sie sich gemacht, die acht Feen, und nun wollten sie wieder zum Himmel auffliegen. Als sie die Federkleider anziehen wollten, konnte eine Fee ihr Kleid nicht finden. Weil sie ohne das Federkleid nicht zum Himmel fliegen konnte, weinte sie bitterlich, und da trat der Holzfäller zu ihr. Er tröstete die Fee, nahm sie mit sich nach Hause, und die beiden lebten zusammen und wurden Mann und Frau. Glücklich lebten sie, und zwei Söhne kamen zur Welt.

Der Holzfäller war sich ganz sicher. >Jetzt kann ich mein ganzes Leben lang glücklich und zufrieden sein<, dachte er und war dem Reh unendlich dankbar. Aber eines Tages, als seine Frau ihn immerzu danach fragte, holte er doch das Federkleid und zeigte es ihr. Kaum hatte die Frau das Federkleid gesehen, riß sie es an sich, nahm ihre beiden Söhne unter die Arme und flog zum Himmel.

Weh, so weh tat das dem Holzfäller! Er hatte verstoßen gegen das, was das Reh von ihm verlangt hatte. »Bis sie dir drei Söhne geboren hat, darfst du ihr auf keinen Fall ihr Federkleid zurückgeben«, hatte es gesagt. Es war sein Fehler, daß er sich schon mit zwei Söhnen so sicher gefühlt hatte.

Zwar waren es Menschenkinder, aber weil sie selbst diese Kinder zur Welt gebracht hatte, konnte sie auch als Fee nicht einfach ihre Kleinen auf der Erde zurücklassen und zum Himmel zurückfliegen. Wenn es nur zwei waren — die konnte sie unter den Armen festhalten und zum Himmel mitnehmen. Aber weil auch Feen nur zwei Arme haben, hätte sie drei Söhne nicht so weit zum hohen Himmel mitnehmen können. Deshalb hatte das Reh ihm gesagt, er solle warten, bis drei Söhne da wären.

Aber der Holzfäller hatte nicht begriffen, warum da von drei Söhnen die Rede war. Er erfüllte den Wunsch seiner Frau schon, als sie erst zwei Söhne geboren hatte — das war sein Fehler.