Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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66.  Der törichte Bräutigam




In alten Tagen sollte einmal eine Tochter aus reichem Hause verheiratet werden. Ihre Familie war zwar wohlhabend, aber nicht von besonderer Herkunft, deshalb wählte man einen Schwiegersohn aus einer armen, aber vornehmen Familie. Der Tag der Hochzeit kam. Was man sich leisten konnte, hatte man getan, ein Festmahl mit allen nur möglichen Leckereien war vorbereitet, ganz groß wurde gefeiert. Dem Bräutigam hatte seine Familie gesagt, er brauche gar nicht zurückhaltend zu sein — für ihn aber, der ja aus ärmlichen Verhältnissen stammte, gab es viele, viele Speisen, die er zum ersten Male kostete. So gut schmeckte es ihm, daß er bald nicht mehr konnte. Besonders in Salzwasser eingelegte Rettiche hatten es ihm angetan.

Es wurde Nacht, Braut und Bräutigam legten sich unter derselben Decke zum Schlaf. Der Bräutigam dachte aber überhaupt nicht an die reizende Braut an seiner Seite, nein, die Rettichbrühe, die er am Abend gegessen hatte, die ging ihm nicht aus dem Kopf, er mußte sie einfach noch einmal kosten.

Er wartete, bis die Braut eingeschlafen war, dann stahl er sich in die Küche. In der Dunkelheit versuchte er, den Topf mit den eingelegten Rettichen zu finden, aber keine Spur davon. Nach einer Weile fand er aber doch heraus, daß die Rettiche in einem großen Steinguttopf waren. Er streckte die Hand hinein, fischte ein paar Rettichstückchen heraus und verspeiste sie — aber mehr als das hatte ihm die Brühe geschmeckt, die wollte er unbedingt noch einmal kosten. Aber der Topf war viel zu groß, als daß er ihn hätte hochheben und daraus trinken können. In der Dunkelheit schien es ihm auch ganz aussichtslos, einen zweiten Topf zu finden und daraus zu trinken. 

Am Ende seiner Weisheit angelangt, steckte er einfach den Kopf in den Topf und trank, bis es ihm fast zu den Ohren herauskam. Als er dann genug getrunken hatte, wollte er den Kopf wieder herausziehen, doch das war schwer, mit dem Kinn blieb er hängen, er bekam den Kopf einfach nicht heraus. Hin und her überlegte er — es blieb ihm nichts anderes übrig, als ins Zimmer zurückzugehen und seine Frau um Hilfe zu bitten.

Vorwärts tastete er sich, versuchte zu ihr zu krabbeln, aber da stieß er mit dem Topf auf dem Kopf gegen einen Pfosten. Einen dumpfen Schlag gab es — die ganze Familie wachte von diesem Geräusch auf. Alle meinten, ein Dieb sei im Haus, sie machten Lampen an und kamen in die Küche — da war wirklich einer, völlig nackt, nur den Steinguttopf auf dem Kopf. »Fangt den Dieb!« schrie der Schwiegervater und schlug mit einem dicken Prügel auf den Topf, der zersprang.

Der Schwiegersohn hatte sein Gesicht verloren, und die Schwiegermutter — die heulte darüber, daß sie einen so törichten Schwiegersohn bekommen hatte.