Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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70. Mit den Händen sprechen können




Wenn in alten Tagen aus China Gesandte nach Korea kamen, stellten sie den koreanischen Empfangsbeamten immer knifflige Fragen. Die Auswahl der Empfangsbeamten bereitete in der Hauptstadt regelmäßig Kopfzerbrechen. Als einmal ein Sondergesandter aus China angemeldet war, der sicher auch schwere Fragen stellen würde, machte man das in allen acht Provinzen des Landes bekannt und suchte jemanden, der dafür geeignet wäre. Aber es meldete sich niemand, bis ein Reiskuchenhändler sich freiwillig dieser großen Aufgabe stellen wollte.

So reiste der Reiskuchenhändler, zum Empfangsbeamten ernannt, hinauf zum Yalu-Fluß, um dort an der Grenze den chinesischen Gesandten willkommen zu heißen. Der wartete schon auf dem anderen Ufer des Flusses. Als er den Reiskuchenhändler sah, streckte er die Finger aus, zeichnete ein Quadrat in die Luft. Der Reiskuchenhändler dachte sich: >Vielleicht fragt dieser Herr, ob ich viereckige Reiskuchen gern habe.< Schnell streckte er seine Hand in die Luft und beschrieb einen Kreis damit — denn er schätzte runde Reiskuchen mehr.

Der chinesische Gesandte war ein wenig überrascht. Drei Finger streckte er in die Höhe. Der Reiskuchenhändler dachte: >Aha! Wie ich das sehe, fragt er, ob ich drei Reiskuchen auf einmal essen kann. Ich will ihm antworten, daß ich sogar fünf schaffe< — und streckte fünf Finger in die Höhe.

Der chinesische Gesandte war noch mehr erstaunt, er strich sich über den Bart. >So! Er fragt wohl, ob ich dann satt bin und mir den Bart abwische, wenn ich fünf Reiskuchen gegessen habe. Ich will ihm antworten, daß dann auch wirklich der Bauch voll ist< — und er schlug sich leicht auf seinen Bauch. Der chinesische Gesandte war so überrascht, daß er den Yalu gar nicht erst überquerte, sondern umkehrte. Jemand fragte ihn nach dem Grund. Er antwortete: »Die Weisheit dieses Empfangsbeamten war unendlich groß. Zuerst fragte ich ihn, ob er sich in der Geographie auskenne, und er antwortete sofort, daß er sogar die Astronomie beherrscht. Ich war darüber ein wenig erstaunt und fragte gleich, ob er die drei Grundregeln der Moral kenne — und er antwortete, daß er sogar die fünf Grundbeziehungen der Menschen kennt. Über diese Weisheit war ich noch mehr erstaunt, fragte ihn dann, ob er Yen Ti Shen-nung kenne — und er, er kannte sogar den T’ai Hao Fu-hsi. Ja, wie könnte ich in ein Land gehen, in dem Menschen von solcher Weisheit leben?«