Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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71. Wer bekommt die Reiskuchen?




In alten Tagen lebten in einem Dorf drei Kinder. Eines davon hatte einen Grindkopf, der Kopf juckte ihm so sehr, daß es sich immerzu kratzen mußte. Dem anderen lief die Nase, dauernd mußte es sich die Nase wischen. Das dritte hatte eine Augenkrankheit, immerfort kamen Fliegen, die es verjagen mußte.

Eines Tages trafen sich die drei, sie hatten eine Schüssel Reiskuchen und stritten darum, wer die meisten davon essen dürfe. Endlich schlug eines der Kinder vor: »Wir sollten nicht so miteinander um die Reiskuchen kämpfen — einer soll die ganze Schüssel voll bekommen.« — »Gut, das ist gut!« — »Ja, einverstanden!«

Sie wollten einen Wettkampf veranstalten, und der Sieger sollte die Reiskuchen allesamt bekommen. Was für einen Wettkampf sie machen wollten? Das Kind, dessen Kopf juckte, sollte sich nicht kratzen; das Kind, dessen Nase lief, sollte die nicht putzen, und das, dessen Augen krank waren, sollte die Fliegen nicht verjagen. Wer das am längsten aushielt, der sollte die Schüssel Reiskuchen bekommen.

Jeder wollte gewinnen. Der eine ließ das Kratzen, der zweite ließ die Nase laufen, ohne sie zu putzen, und der dritte, der ertrug es, daß die Fliegen auf seinen Augen eine Festversammlung abhielten.

Eine Zeit verging. Zuerst war es nicht so schlimm, das zu ertragen, aber je länger es dauerte, um so schwerer wurde es auch. Aber sie blieben fest, ertrugen es tapfer, hielten es aus.

Doch dann konnte der Grindkopf es nicht mehr aushalten. Ihm fiel etwas ein, wie er sich kratzen konnte, ohne daß die anderen etwas davon bemerkten. »Ihr, hört mal! Mir ist langweilig. Ich will euch eine Geschichte erzählen. Vor ein paar Tagen war ich auf dem Hügel hinterm Dorf, da lief ein Reh vor mir davon, das hatte hier ein großes Geweih und da und da auch!«, dabei drückte er jeweils fest auf die Stelle, wo es am meisten juckte, um zu zeigen, wo bei dem Reh das Geweih gewachsen war.

Da erzählte das Kind, dem die Nase lief; »Das Reh, von dem du da erzählst, wenn ich das gesehen hätte, ich hätte es ganz gewiß mit einer Büchse, bang — so erschossen!«, es zielte dabei mit der Hand auf sein eigenes Herz — und wischte sich mit dem Ärmel die Nase ab.

Das Kind, das augenkrank war, sah, was die beiden anderen da taten. »Ihr, übertreibt eure Lügerei nicht! So was will ich nicht hören! So was will ich wirklich nicht hören!« sagte es und fuchtelte ablehnend mit den Händen vor seinem Gesicht herum und schüttelte den Kopf noch dazu.

Was meint ihr, wer die Reiskuchen bekommen hat?