Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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76. Geschichten von einem Tölpel




In alten Tagen lebte einmal irgendwo ein Mann, der war ein rechter Tölpel. Alles mögliche vergaß er, ja, er vergaß sogar oft seinen Namen! Seine Frau überlegte hin und her, was da zu tun sei, schließlich hängte sie ihm eine Birne an ein Kleiderband — immer, wenn er die sah, fiel ihm wieder ein, daß er >Birne< hieß.

Eines Tages kam ein Besucher. Im Gästezimmer begrüßten sie sich. Der Gast stellte sich vor, nannte Vor- und Zunamen, und der Hausherr guckte schnell sein Kleiderband an — doch die Birne, die seine Frau darangehängt hatte, war heruntergefallen, geblieben war nur der Stiel. Also stellte er sich auch schnell vor: »Mein Name ist Stiel«, sagte er — hahaha.

Der Mann, der ein rechter Tölpel war, machte sich eines Tages zusammen mit Freunden aus der Nachbarschaft auf, die Diamantberge zu durchwandern. Hierhin und dorthin wanderten sie, kamen schließlich an einen Ort, wo aus einem Spalt in den Felsen Honig heraustropfte. Kaum hatte einer von ihnen das gesehen, war er voll Gier nach dem Honig, sprang schnell zu dem Spalt im Felsen, preßte seinen Kopf hinein und fing an, den Honig aufzusaugen. Doch einer der Freunde, die mit unterwegs waren, das war ein ganz rücksichtsloser Kerl. Ihm paßte überhaupt nicht, was sein gieriger Freund da machte; mit aller Kraft zog er ihn an beiden Beinen. Aber Kopf und Hals des gierigen Freundes blieben im Felsspalt hängen, kamen nicht heraus, nur der Körper fiel herunter. Der Tölpel, der sah zu. »Der da, ist der schon ohne Kopf mit uns hierhergekommen?« — hohoho.

Wieder war er unterwegs, der Tölpel. Er traf auf einen buddhistischen Mönch, ein Stück des Weges gingen sie gemeinsam.

»Wo lebt Ihr denn, Ehrwürden?« fragte der Tölpel zuerst. »Ich bin ein Mönch aus dem Tempel des Hohen Altertums«, antwortete der Mönch ganz höflich. »So, ein Mönch aus dem Tempel des Hohen Altertums seid Ihr!« murmelte der Tölpel vor sich hin.

Wieder fragte er: »Wo lebt Ihr denn, Ehrwürden?« — »Ich bin ein Mönch aus dem Tempel des Hohen Altertums.« Ein Stück waren sie marschiert, da fragte der Tölpel noch einmal, wieder antwortete der Mönch, wo sein Tempel war. So liefen sie miteinander, und immer wieder fragte der Tölpel.

>Das ist ein komischer Kauz<, dachte sich der Mönch, >bei dem muß irgendwas nicht stimmen<, und er beschloß, den Tölpel irgendwie anzuführen.

Da ging die Sonne unter, es wurde schnell dunkel, und die beiden mußten in einer Herberge übernachten. Als der Mönch bei Tagesanbruch erwachte, schlief der andere immer noch fest. »Das trifft sich gut! Ich will dich schon hereinlegen!« Der Mönch rasierte dem Tölpel die Haare ab, setzte ihm die Mönchskappe auf und zog ihm sein Mönchsgewand an. Und die Kleider, die der Tölpel getragen hatte, die zog der Mönch selbst an, setzte den Hut des anderen auf und verschwand aus der Herberge.

Als es ganz hell geworden war, stand der Tölpel auf, sah sich im Zimmer um. »So was! Guck dir doch das an! Da ist ja nur noch der Mönch, und ich bin verschwunden! Was in der Welt soll denn das bedeuten? Der Mönch ist hier, wo kann denn ich nur sein? Ich muß mich suchen, es wird mir sonst nichts übrigbleiben, ich muß mich suchen« — so verrückt war der — hehehe.