Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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80. Das Schwalbenbein




In alten Tagen lebte dort auf dem Lande, man nennt es die Kyóngsang-Provinz, ein Mann mit Namen Húngbu, der hatte ein gutes Herz. Sein älterer Bruder, Nolbu geheißen, der war ein unausstehlicher habgieriger Kerl. Nolbu war unsagbar reich, sein Bruder Húngbu dagegen, der lebte in großer Armut.

Schon als Nolbu noch ein Kind war, teilte er niemals das, was er zu essen bekam, mit anderen. Wie schlecht sein Herz war — wenn er seinen Teil nicht aufessen konnte, schlug er mit der Hand auf das, was übrig war, damit es ja niemand sonst essen wollte. Oft nahm er den Rest sogar mit hinaus und warf ihn in den Bach. Solche Gewohnheiten hatte er. Auch als er aufgewachsen war, kam es nie vor, daß er mal Reiskuchen an die Nachbarn verteilte, eher sollten sie schlecht werden. Wenn er sah, daß jemand besser lebte als er, richtete er schlimme Dinge an. Wenn aber einem anderen ein Unglück widerfuhr, war er froh, so froh, daß er herumtanzte.

Sein Bruder Húngbu dagegen, der hatte ein aufrechtes Herz. Gern teilte er aus, auch wenn er selbst noch hungrig war. Wenn er nur bemerkte, ein anderer war in Not geraten, versuchte er immer, gleich zu helfen. Deshalb mochte jeder Húngbu gern. 

Als die Eltern gestorben waren, hatte Nolbu das Erbe allein für sich behalten, Húngbu gab er nicht mal eine zerbrochene Schöpfkelle, und der jüngere Bruder grollte ihm kein bißchen. Er begehrte gar nichts vom Erbe der Eltern, lebte weiterhin arm.

Húngbu stieg am Tag in die Berge, holte Holz, das verkaufte er; nachts flocht er Strohschuhe, auch die konnte man verkaufen. Manchmal arbeitete er auch für andere Leute, verdingte sich in einem Hof. So konnte er sich und seine Familie durchbringen.

Doch einmal kam ein schlechtes Jahr. Für Húngbu, dessen Leben schon schwer genug war, wurde alles noch schwerer. Bevor das Jahr zu Ende ging, waren die kärglichen Vorräte an Getreide alle aufgegessen. Húngbu und die Seinen waren nahe daran zu verhungern. Einen schneereichen Winter gab es, nicht einmal Blätter konnte er sammeln im Wald, weil die vom Schnee zugedeckt waren, geschweige denn Bäume fällen. Auch gab es bei anderen Leuten keine Arbeit für ihn. Die Kinder hatten großen Hunger, wie quälten sie sich alle. 

Der Neujahrstag stand vor der Tür. Húngbu konnte es nicht mehr ertragen, er machte sich auf den Weg zum Haus seines Bruders, um von dem Reis zu borgen. Vor dem Hoftor blieb er stehen — sollte er hineingehen oder nicht? Da sah Nolbu ihn. »Was stehst du denn vorm Hoftor herum?« schrie er ihn an. Húngbu preßte heraus, was nicht herauswollte: »Bruder, das Wetter ist kalt, es gibt keine Arbeit, aber was zu essen muß doch da sein. Und die Kleinen, die heulen in einem fort, weil sie Hunger haben. Und morgen, ist da nicht Neujahrstag? Bruder, bitte, gebt mir nur einen Korb voll Reis, auch Hirse kann es sein«, bat er. Wie schwer fiel ihm das!

Die Schwägerin spitzte ihren Mund. »Was willst du? Du nichtsnutziger Kerl! Selbst wenn ich Reis und Hirse übrig hätte, lieber würde ich es einem Bettler geben als dir, du nichtswürdiger Kerl du!« Nur schwer konnte Húngbu die Tränen zurückhalten. »Bruder, gebt mir doch, nur ein wenig!«, wie oft wiederholte er seine Bitte, aber er stieß auf taube Ohren. Der Bruder setzte sich auf den Boden. »Da, nimm das!« und legte ihm gerade ein Hirsekorn auf die Hand.

»Verschwinde schnell damit, auch ein Vogel, der nur ein Korn aufpickt, kann fliegen!« sagte er nur und schlug das Tor zu. »Der Kerl hat doch kein Ehrgefühl, so ein Benehmen!« Húngbu konnte es nicht mehr ertragen, die Tränen liefen ihm nur so über die Wangen.

Mit dem Hirsekorn in der Hand unterwegs nach Hause dachte er bei sich: >Der Bruder hat doch ein kaltes Herz. Was gibt er mir denn ein Hirsekorn? Was soll ich denn mit einem Hirsekorn nur anfangen?<, und er betrachtete sich das Korn nachdenklich — da waren aus dem einen Korn zwei geworden! 

»Seltsam, wie ist das nur geschehen?« — da rollten vier Hirsekörner in seiner Hand. »Ja, was ist denn das? Was hat das nur zu bedeuten?« Am Wegrand blieb er stehen. Die vier Körner rollten auf seiner Hand herum, und plötzlich waren es acht. Und so ging es weiter, bis die ganze Hand voll war. Es war zu wunderbar, Húngbu freute sich. »Ein Hirsekorn hab ich nur gehabt und soviel ist daraus geworden, es ist zu schön. Ich will mich beeilen, die Frau soll Brei kochen damit.«

Mit einem Mal hatte er es eilig, er rannte nach Hause. Seiner Frau gab er die Hirse, sie sollte schnell Brei kochen. Die aber war zu verblüfft. »Hirse ist das, was Ihr da mitbringt? Wie soll ich denn damit Brei kochen? Das wollt Ihr essen, sagt Ihr?« — »Es ist nicht viel, aber zuerst hatte ich nur ein einziges Korn, mit dem mich der Bruder weggeschickt hat, das eine Korn hat mich nicht mal in der Hand gekitzelt. Als ich dann unterwegs wieder in die Hand gesehen habe, waren aus dem einen Korn zwei geworden, die sind hin und her gerollt, und plötzlich waren’s vier. Bin ich verrückt — das hab ich gedacht und dagestanden. Und wie ich dastehe und zugucke, werden es doch immer mehr, bis die ganze Hand voll war. Schnell, koch Brei, wir wollen essen!« — »Wenn das so kostbare und seltsame Hirse ist, will ich keinen Brei kochen, sondern Kuchen machen!«

In einen Mörser tat sie die Hirse, stampfte sie zu Mehl, knetete Teig daraus, den formte sie zu einem runden Kuchen und dämpfte ihn in einem Kessel. Wie sich die Kinder freuten, daß die Mutter Kuchen machte! »Schnell, gib uns ein Stück!« verlangten sie alle. Als der Hirsekuchen endlich gar gedämpft war, wollte ihn die Mutter aufteilen. »Mutter, gib mir ein Stück!« — »Mutter, gib erst mir ein Stück!« bettelten sie. »Wartet ab, wir wollen mit Vater zusammen essen, ich schneide ganz gleiche Stücke für jeden«, und um ein Messer zu holen, ging sie hinaus in die Küche.

Kaum war die Mutter aus der Stube, wurden die Kinder unruhig, lachten. »Schwester, sieh doch, der Kuchen macht Purzelbäume!« — »Wo, laß sehen! Was ist denn das?« — »Eben waren es zwei, jetzt sind es drei!« — »Haha, das ist lustig — gerade sind es vier geworden!« — »Oh, das ist gut! Mutter, du, komm schnell, sieh dir das doch auch mal an!« — »Die Kuchen können zaubern.« — »Fünf sind es schon.« — »Schnell, Mutter, es sind fünf geworden, ei, ist das lustig!« lachten und schrien die Kinder durcheinander. »Was redet ihr da für einen Unsinn?« schimpfte die Mutter und kam herein — aber tatsächlich, fünf Kuchen lagen auf dem Teller. »Mutter, Mutter, der Kuchen hat Purzelbaum geschlagen, dabei ist immer ein neuer Kuchen herausgekommen!«

Wie sehr sich die Kinder freuten, sie wußten gar nicht, was sie noch alles anstellen sollten. »Das ist wirklich Wunderkuchen. Wenn der Vater kommt, wollen wir ihm alles erzählen und zusammen die Kuchen aufessen.« Gerade kam der Vater herein. »Warum lacht ihr denn so, macht solchen Lärm?«, und sie erzählten ihm, wie der Kuchen Purzelbäume geschlagen hatte und nach und nach aus einem Kuchen fünf geworden waren. Auch Húngbu war glücklich, fünf hungrige Bäuche gab es im Haus, fünf Kuchen waren da, jeder verspeiste einen, wie das schmeckte!

Irgendwie ging der kalte Winter vorüber, der freundliche Frühling kam ins Land, der Frühling, der die vertrockneten Bäume und Wiesen grün färbte, über den Feldern die Lerchen jubilieren ließ. Húngbu ging mit den Kindern aufs Feld hinaus, um ihrem Gesang zu lauschen. Die Kinder sammelten Kräuter, wilden Knoblauch, spielten miteinander. Da hörten sie vom Himmel chiji baebae. Hinauf schauten sie, eine Schwalbe mit weißem Hals flog hin und her, auf und nieder — chiji baebae, chiji baebae. Auch Húngbu ließ seine Arbeit sein und bewunderte den Flug der Schwalbe. »Richtig! Heute ist ja schon der dritte Tag des dritten Monats! Die Schwalbe ist aus dem warmen Süden zurückgekommen, den Sommer über bei uns hier zu leben. Kinder, der Vogel dort, das ist eine Schwalbe. Die Schwalben heben die Wärme, deshalb fliegen sie, wenn es Winter wird, weit nach Süden in ein Land, das China heißt. Dort bleiben sie, bis auch dahin der Winter kommt, zu der Zeit kehren sie wieder zu uns zurück. Und wenn die Schwalben kommen, ist der Sommer nicht mehr weit«, erklärte der Vater den Kindern.

»Vater, wäre das nicht schön, wenn die Schwalbe bei uns ihr Nest baut?« — »Unser Haus ist schmutzig, fällt auch bald zusammen. Sicher wird sie ihr Nest an einem schönen Haus bauen, einem Haus, wie der Onkel eins hat.« — »Vater, wir wollen ihr sagen, sie kann daheim im Kleiderschrank ihr Nest bauen«, traurig schauten die Kinder zum Himmel auf. 

Doch am Abend, die Feldarbeit war getan, sie kamen nach Hause — was sahen sie da? Ein Schwalbenpärchen hatte begonnen, Erde und Strohhalme zu vermischen, Schnabel für Schnabel trugen sie das zum Dach hinauf und bauten ein Nest. So froh waren die Kinder, sie vergaßen ihren Hunger, schauten nur den Schwalben zu, wie die ihr Nest bauten. 

Húngbu aber machte sich Gedanken: >Unser Haus ist alt und nicht besonders gut. Was wird denn, wenn eine Schlange oder so was sich an das Schwalbennest heranmacht? Was in der Welt müssen die Schwalben ausgerechnet an unserem Haus bauen? Wär’s nicht besser, wenn sie ihr Nest an einem Haus wie dem meines Bruders hätten?<

Drei Tage bauten die Schwalben, das Nest wurde prächtig. Dann zerrten sie Strohhalme hinein, breiteten sie auf dem Boden des Nestes aus und legten darauf ihre Eier. Die Mutterschwalbe brütete, die andere flog herum, sammelte dies und das und fütterte sie damit. Nach wenigen Tagen konnten es alle hören: chiji baebae, chik chik chik, das Zwitschern der jungen Schwalben. Fünf waren aus den Eiern geschlüpft. Húngbu und die Seinen freuten sich daran, wie die Schwalben zu fressen suchten und die hungrigen Schnäbel der Jungen stopften. Spaß hatten sie auch daran, wie die fünf Jungen und die Alten, sieben Schwalben insgesamt, Tag für Tag ihr chiji baebae, chiji baebae zwitscherten.

»Ja, es wird Zeit, daß ihr fliegen lernt«, hieß es eines Tages, »es geht nicht mehr, daß ihr immer nur im Nest sitzt und euch von Vater und Mutter füttern laßt. Heute sollt ihr alle üben, und morgen fliegen wir dort auf das weite Feld!«, so mahnte die Schwalbenmutter ihre Jungen, und gleich begannen sie alle mit den Flügeln zu flattern. »Ich kann noch höher fliegen!« — »Ich werde auch morgen versuchen, auf das weite Feld zu kommen!« — »Fein, macht das Fliegen Spaß!« — »Chiji baebae, chiji baebae!« — die Jungen zwitscherten schon ganz wie die Alten.

Am nächsten Morgen aber geschah das Schreckliche. Plötzlich war ein fremdes Geräusch zu hören, ssururu machte es, und eine riesige Schlange tauchte vor dem Schwalbennest auf, züngelte hinein. Was sollten die Schwalben anstellen! Sie wollten wegfliegen, aber die Jungen, die konnten noch nicht gut genug fliegen. Die Mutter Schwalbe, die wollte ihre Jungen nicht im Stich lassen — die Schlange fing sie allesamt, fraß sie auf.

Nur die allerkleinste Schwalbe entkam, sie flog in die Höhe, aber bald verließen sie die Kräfte, sie stürzte zu Boden und brach sich eines ihrer Beinchen. Gerade kam Húngbu dazu, er mußte mit ansehen, wie die kleine Schwalbe vom Himmel fiel, Blut tropfte an ihrem Bein. »Ach, schlimm, hast du dein Bein gebrochen?«, er rieb einen Balsam ein, wickelte ein Läppchen darum und setzte die Schwalbe in das Nest. Bis sie wieder ganz gesund war, fütterte er sie.

Der neunte Tag des neunten Monats war vorüber, endlich heilte auch das Bein der Schwalbe ganz aus. Wie um sich zu bedanken, zwitscherte sie noch einmal chiji baebae und flog davon in Richtung Süden. Dort angekommen, wurde sie vom König des südlichen China ausgeschimpft: »Was kommst du denn so spät? Du weißt doch, alle sollen bis zum neunten Tag des neunten Monats hier sein! Warum kommst du zu spät? Auf der Stelle, lege Rechenschaft ab, sonst wirst du schwer bestraft!« — »Ich will Euch alles berichten. Es ist nichts anderes, nur — eines Tages ist eine riesige Schlange vor unserem Nest aufgetaucht. Mutter, Vater und alle Geschwister hat sie aufgefressen, ich allein konnte entkommen. Aber weil ich damals noch nicht so gut fliegen konnte, bin ich aus der Höhe zu Boden gestürzt und habe ein Bein gebrochen. Gerade da kam der Hausherr dort, Húngbu heißt er, zurück. Er sah mich am Boden liegen, gleich hat er Balsam auf meine Wunde gestrichen, hat mich behandelt. Es hat lange gedauert, bis mein Bein verheilt war, deshalb habe ich mich verspätet. Aber wenn Húngbu mir nicht geholfen hätte, wäre ich sicher längst nicht mehr am Leben.«

Der König hatte aufmerksam zugehört. »Wirklich, du hast allerhand Schweres mitmachen müssen. Daß du mit Hilfe dieses Húngbu am Leben geblieben bist, das ist ein großes Glück. Im nächsten Frühjahr, wenn du dorthin zurückfliegst, mußt du ein Geschenk für ihn mitnehmen«, und er gab der Schwalbe einen Kürbiskern.

»Dieser Kürbiskern ist sehr kostbar. Wenn du im nächsten Frühling am dritten Tag des dritten Monats dorthin zurückfliegst, nimmst du ihn mit und gibst ihn Húngbu!« Die Schwalbe nahm den Kern entgegen, packte ihn ein und bewahrte ihn gut auf. Der Winter verging, der Frühling kam, und die Schwalbe flog nach Norden. 

Zu Húngbus Haus kam sie geflogen, zwitscherte chiji baebae, und als Húngbu das hörte, dachte er gleich an die Schwalbe, die im letzten Jahr ihr Bein gebrochen und so lange schwer gelitten hatte. Zum Himmel sah er auf, gerade da ließ die Schwalbe ihren Kürbiskern fallen, genau vor Húngbus Füße. Chiji baebae — und weiter flog sie.

Húngbu hob den Kern auf, pflanzte ihn am Zaun in die Erde. Als er am nächsten Morgen aus dem Haus sah, lugte schon grün ein Sproß aus der Erde. »Gestern erst hab ich den Kern gesteckt, heute schon kommt der Sproß aus der Erde, das ist wundersam!«, und als er wieder hinsah, war der Sproß gewachsen, die Ranken des Kürbis reichten den Zaun hoch, schon übers Dach, und noch während Húngbu zuschaute, fingen sie an zu blühen. »Nein! Frau, was ist mit dem Kürbis los? Wirklich seltsam, eben erst gewachsen, blüht er schon! Ja, eigenartig ist das!« Und wie er noch sprach, waren die Blüten schon verwelkt, fünf Kürbisse hingen an ihrer Stelle. »So geschwind hab ich noch keine Kürbisse wachsen sehen. Das kann ich nicht begreifen. Wir wollen die Früchte pflücken, sie gleich aufschneiden, mal sehen, was dabei herauskommt.«

Er stellte eine Leiter an, kletterte aufs Dach, schnitt mit einem Messer die Früchte ab und brachte sie herunter. »Ja, wollen wir sie gleich aufschneiden, bring mal eine Säge her!« Die Kürbisse legte er auf den Boden, hockte sich mit seiner Frau daneben, und zu zweit machten sie sich daran zu sägen. »Langsam sägen, vorsichtig sägen, wer weiß, was da drin ist.« Der erste Kürbis fiel auseinander — Reis quoll hervor. Wieviel herauskam — fünf große Wasserkrüge füllten sie damit, immer noch war Reis übrig, alles in allem mögen es drei Sack Reis gewesen sein. Den nächsten Kürbis sägten sie an. »Langsam sägen, vorsichtig sägen, wer weiß, was drin ist«, diesmal kam ein Haufen Geld heraus. »Frau, jetzt sind wir auch reich geworden .Reis haben wir, Geld haben wir, worum brauchen wir uns jetzt noch Sorgen zu machen? Der Himmel hat uns geholfen«, vor Freude tanzte Húngbu herum.

Den nächsten Kürbis nahmen sie sich vor. »Langsam sägen, vorsichtig sägen, wer weiß, was da drin ist!« — eine wunderschöne Fee kam heraus, die sah sich die übrigen beiden Kürbisse an. »Komm raus, rote Zauberflasche! Komm raus, blaue Zauberflasche!« befahl sie. Ein Kürbis rollte über den Boden, platzte auf, und eine rote Flasche war darin. »Habt Ihr mich gerufen?« Der allerletzte Kürbis teilte sich, eine blaue Flasche kam heraus. »Habt Ihr mich gerufen?« — »Ihr zwei, schnell an die Arbeit, baut ein neues Haus!« Und aus der roten Flasche kamen viele Handwerker hervor, aus der blauen aber Holz und Steine. Ttukttak ttukttak schallte es weithin — und im Handumdrehen hatten sie ein prächtiges Haus aufgebaut und verschwanden wieder in ihrer Flasche. Die Fee folgte ihnen. 

Für Húngbu und die Seinen gab es nun Reis und Geld in Hülle und Fülle, dazu ein neues Haus, was wollten sie noch mehr? Sie waren reich, konnten gut und sorglos leben. Auch der habgierige Nolbu hörte davon, eilig lief er herbei. »He, Húngbu, wie ist denn das so schnell gegangen? Ist das ein Traum, ist es Wirklichkeit? Seltsam ist es ja. Das mußt du mir ganz genau erzählen!« — wie ein Feuer loderte in ihm der Neid. Der arglose Húngbu erzählte ihm alles, wie die Schwalben ihr Nest gebaut, Junge ausgebrütet hatten und wie dann eines von ihnen sein Bein gebrochen. »Bruder, die rote und die blaue Flasche, die hab ich im Wandschrank gut aufbewahrt.« — »Gib die mal mir, wir wollen auch ein größeres Haus haben!« Und Húngbu überließ die beiden Flaschen seinem Bruder. Der rannte, was er konnte; zu Hause angekommen, befahl er den Flaschen: »He, ihr Flaschen! Unser Haus ist zu klein, schnell, baut ein neues, größeres Haus für mich!«, und aus den Flaschen kamen Männer mit Hacken und Hämmern und Beilen heraus. Nolbus Haus schlugen sie kurz und klein, bauten an seiner Stelle ein kleineres Haus, das noch dazu wacklig war, bald zusammenzufallen drohte. »Das ist jetzt dein Haus!« erklärten sie und verschwanden in den beiden Flaschen. »Diese Kerle! Nennt man so was ein besseres Haus bauen? Der Dreckskerl von Húngbu hat mich angeschmiert! Dem werd’ ich’s geben!«, kochend vor Wut lief er zu Húngbu. »Du Kerl du, sag die Wahrheit, wo kommt dein Haus her? Alles, was du erzählt hast, ist Lug und Trüg!« — solche Worte sagte er zu seinem eigenen Bruder!

Zurück lief er, baute an seinem Haus mit eigenen Händen ein Schwalbennest. Jeden Tag wartete er nur auf das eine — daß endlich Schwalben dort einziehen und Junge ausbrüten würden. Und wirklich, eines Tages kam ein Schwalbenpärchen, legte Eier in das Nest und brütete sie aus.

»Das trifft sich gut! Jetzt werde ich auch endlich ein reicher Mann!« Zum Nest kletterte Nolbu hinauf, griff sich eines der Jungen, brach ihm ein Bein, ganz absichtlich. Dann strich er ein bißchen Lehm darüber und legte die junge Schwalbe wieder ins Nest hinein.

Lange, lange hatte das Junge zu leiden, zum Glück ist das Bein wieder zusammengeheilt, aber die junge Schwalbe konnte nie richtig laufen, immer hinkte sie. Als sie im Herbst nach Süden flog, berichtete sie dem König dort, was ihr widerfahren, und der wurde ganz wütend. »Der muß bestraft werden, wo gibt’s denn so was, einer Schwalbe absichtlich ein Bein zu brechen!« Und er gab der Schwalbe einen Kürbiskern. »Den heb gut auf, und im Frühling nimmst du ihn dorthin mit.« — »Ja, das will ich tun.«

Im nächsten Frühjahr flog die Schwalbe gen Norden, den Kürbiskern im Schnabel. Nolbu freute sich, rieb sich die Hände. »Du, Schwalbe, hast du mir einen Kürbiskern mitgebracht?« Die Schwalbe ließ den Kern fallen, flog davon. Nolbu steckte den Kern gleich neben der Mauer in die Erde, setzte sich dazu, er wollte warten, bis der Sproß aus der Erde käme. Der schoß auch gleich aus dem Boden, die Ranken wuchsen über das ganze Haus, blühten auf. »Ja, das blüht ja schon, wer sagt es denn — ich werde reich!«, schon hingen zehn Kürbisse an den Ranken. Alle zehn pflückte Nolbu und fing an zu sägen. »Langsam sägen, vorsichtig sägen, ich will den Kürbis teilen. Was für ein Schatz wird wohl herauskommen? Gold, Silber, Korallen? Was sonst kann es sein?« — von selbst fielen alle zehn Kürbisse auseinander: T’ang, t’ang, t’ang machte das, alle sprangen auf und heraus kamen Unholde, fürchterlich anzusehen.

»Du, Schuft Nolbu, Schuft! Den Hieb kriegst du, und den, und den! Kerl du!« Und sie schlugen auf ihn ein. »Hilfe, zu Hilfe, helft mir doch!« wimmerte er, aber die Unholde: »Schlagt nur zu, schlagt feste zu, auch das Haus schlagt in Trümmer, alles!« feuerten sie sich gegenseitig an. Erde und Wasser vermischten sie, der Schlamm überschwemmte das Haus. Dann wehte Wind, Sturm blies das hinweg, was vom Haus übriggeblieben war. Ein Unhold blies eine Flöte, alle lösten sich in nichts auf.

Was konnte Nolbu nun tun? Nichts blieb ihm übrig, als mit Frau und Kindern zu Húngbus Haus zu ziehen. »Ach, Húngbu, ich hab dich aus meinem Haus gejagt, wie gemein war ich zu dir. Gibt es so einen schlechten Burschen wie mich noch einmal auf der Welt? Ach, Bruder, vergib mir!« — »Mein Bruder, sagt das nicht. Bleibt nur bei mir, lebt in meinem Haus.«

Húngbu war seinem Bruder kein bißchen böse. Zusammen mit dem Bruder und seiner Familie lebte er hinfort ganz glücklich.