Märchen aus Korea by tr.Hans-Jürgen Zaborowski - HTML preview

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81.  Drei Scheffel Reis, drei Schwiegertöchter




In alten Tagen lebte einmal ein Mann, der erfüllte sich keinen seiner Wünsche, ein schweres Leben führte er. Einmal wartete er auf einem Hügel, daß Reisähren angeflogen kämen, die sammelte er und nahm sie mit sich nach Hause. Er setzte sich hin, mit den Fingernägeln holte er die paar restlichen Körner heraus. Einen ganzen Berg Ähren hatte er — gerade drei Scheffel Körner kamen heraus dabei. »Was mach ich denn jetzt mit den drei Scheffeln Reis?« überlegte er. »Ich will mal sehen, was meine Schwiegertöchter damit anfangen können.«

Drei Schwiegertöchter hatte er, die rief er zu sich. »Es gibt eigentlich nichts Besonderes. Warum ich euch gerufen habe — ich habe Reisähren gesammelt, drei Scheffel Reis sind dabei herausgekommen. Jeder von euch will ich einen Scheffel davon geben. Bis zu meinem sechzigsten Geburtstag sind noch zehn Jahre geblieben. Mit dem Reis, den ich euch gebe, sollt ihr mir in zehn Jahren das Geburtstagsfest ausrichten!«

Die älteste Schwiegertochter nahm den Reis entgegen, packte ihn ein, fing an zu lachen dabei und setzte sich nebenhin. Die zweite Schwiegertochter trat vor, bekam ihren Reis und setzte sich auch lachend hin. Die jüngste aber, die nahm vorsichtig mit zwei Händen den Reis entgegen, schürzte ihren Rock um, da hinein tat sie den Reis und ging nach draußen. Die anderen beiden folgten ihr, sie warfen den Reis achtlos in den Hof, die Hühner, die Vögel haben ihn aufgefressen. Das war im Winter, es hatte viel geschneit. Die jüngste Schwiegertochter dachte nach, was sie anfangen konnte mit ihrem Reis. Im Hof kehrte sie den Schnee weg, dort streute sie die Reiskörner auf den Boden und fing ein paar Vögel, die kamen, den Reis aufzupicken. Die Beine hat sie ihnen festgebunden, dann die ganze Vogelschar vorm Haus festgemacht. Die Nachbarskinder sahen ihr dabei zu. »Tante, gebt mir doch einen von den Vögeln!« — »Mir gebt auch einen!« — »Mir auch!« — »Warum soll ich euch keinen Vogel geben? Aber ihr müßt nach Hause gehen und mir dafür ein Hühnerei bringen, gelt?«

Die Kinder liefen nach Hause, jedes holte ein Ei, das tauschten sie gegen einen Vogel. Weil es in ihrem Haus keine Henne gab, konnte die Schwiegertochter dort die Eier nicht ausbrüten lassen. Da hörte sie aus einem Hof das Glucken einer Henne, die wohl auf ihren Eiern saß und sie ausbrütete. Dort ging sie hin und bat darum, ein Ei mit ausbrüten lassen zu dürfen. In ein zweites Haus ging sie mit der gleichen Bitte, in ein drittes, alle drei Eier wurden ausgebrütet. Später holte sie dann drei Küken ab, nahm sie mit nach Hause und zog sie groß.

Als die Küken groß genug waren, um selbst Eier zu legen, begann die Schwiegertochter, mit Eiern zu handeln, und verdiente Geld damit. Das sparte sie sorgfältig, bis es genug war, ein kleines Schwein zu kaufen. Das fütterte sie, auch das Schwein wurde groß, bekam Junge, im Lauf der Zeit fünfzig an der Zahl. Ein paar davon gab sie anderen zum Aufziehen, die meisten behielt sie selbst, und als sie alle groß genug waren, hat sie die Tiere verkauft.

Vom Erlös kaufte sie eine Ziege. Die bekam Junge, die wurden groß, hatten selbst auch schon wieder Junge — die verkaufte sie, kaufte ein Kalb, auch das wurde groß.

Und so besaß sie, zehn Jahre nachdem sie von ihrem Schwiegervater den Reis bekommen hatte, zehn Kühe! Der sechzigste Geburtstag des Schwiegervaters kam, am Morgen rief sie den Kuhhirten. »Die Kühe, die treib zum Haus des Schwiegervaters, bis vor sein Zimmer!«

Große Kühe gab es, kleine Kühe gab es, der ganze Hof stand voll davon, dichtgedrängt. »Was sind denn das für Kühe?« — »Ja, die hat die Schwiegertochter hierhertreiben lassen.« — »Woher hat denn die Schwiegertochter so viele Kühe?«, doch da kam schon die Schwiegertochter selbst herein. »Vater, aus dem einen Scheffel Reis, das Ihr mir damals gegeben habt, sind jetzt so viele Kühe geworden. Wenn Ihr ein paar davon für das Festmahl schlachten wollt, sagt nur, welche es sein sollen. Ich will schnell den Metzger holen, der soll sie auf der Stelle schlachten!«

Die fetteste Kuh hat der Schwiegervater ausgesucht und sie schlachten lassen, es wurde ein großartiges Geburtstagsfest. Die Schwiegertochter aber, die hat von da an mit ihrem Mann noch lange glücklich gelebt.