Märchen aus aller Welt: Korea by Tr. Albrecht Huwe - HTML preview

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Wer bekommt den Reiskuchen?




Es waren einmal in einem Dorfe drei Kinder. Dem einen von ihnen war am Kopf eine riesige Beule gewachsen, die ihn juckte. Darum kratzte es sich in einem fort. Dem zweiten lief die Nase. Es war mit Putzen sehr beschäftigt. Und das dritte schließlich hatte ein triefendes Auge, so daß die Flie¬gen sich daraufsetzten. Dieses Kind mußte die Fliegen stän¬dig vertreiben. Eines Tages saßen die drei um eine Schüssel mit Reiskuchen. Weil jedes möglichst viel essen wollte, wußten sie sich keinen Rat, wie sie teilen sollten.

Da schlug eines der Kinder vor: »Diesmal bekommt nicht jeder sein Stück, sondern einer darf alles essen.«

»Au ja, das ist fein!«

»Gerne, gerne.«

Also schlossen sie miteinander eine Wette ab und vereinbar¬ten, daß der Reiskuchen dem Gewinner zustünde. Die Wette war folgendermaßen: Das Kind mit der Beule durfte sich nicht jucken, das zweite sich die Nase nicht putzen, und das dritte die Fliegen nicht verscheuchen. Wer es am läng¬sten ertrug und stillhielt, dem gehörte der ganze Reisku¬chen.

Jedes der drei Kinder nahm sich vor, selbst zu gewinnen. So widerstanden sie dem Jucken am Kopfe, dem Laufen der Nase und den zudringlichen Fliegen. Wie lange mag das wohl gedauert haben? Die Kinder, die sich anfangs mit fe¬stem Willen überwanden, kostete es, je mehr Zeit verging, immer größere Mühe, standhaft zu bleiben. Dennoch ent¬schlossen sie sich, verbissen auszuhalten.

Aber das Kind mit der Beule am Kopf konnte sein Verlangen, sich zu kratzen, nicht länger unterdrücken. Deswegen faßte es einen Plan, sich zu kratzen, ohne daß die anderen es gewahr wurden.

»Kinder, euch ist doch bestimmt auch langweilig. Ich er¬zähle euch eine Geschichte, hört also einmal zu. Kürzlich, als ich auf den Berg im Osten stieg, sprang da ein Hirsch an mir vorbei. Der hatte ein riesengroßes Geweih, das ihm hier herausgewachsen war, und hier, und auch hier...«


Während nun das Kind eifrig erzählte, drückte es sich kräftig mit dem Finger gerade an den Stellen, die juckten.

Darauf erwiderte das Kind, dessen Nase lief: »Wenn mir dieser Hirsch begegnet wäre, dann hätte ich ihn so mit Pfeil und Bogen erschossen.«

Und indem er vormachte, wie er den Bogen auf den Hirsch anlegte, wischte er sich flugs mit dem Ärmel die Nase.

Das Kind mit dem kranken Auge schaute sich die beiden an und rief: »Kinder, übertreibt es nicht mit euren Lügen. So ein Geschwätz mag ich nicht hören, will ich wirklich nicht hören...« Dabei faßte es sich mit den Händen an die Augen und schüttelte den Kopf.

Und wer bekommt nun den Reiskuchen?