Märchen aus aller Welt: Korea by Tr. Albrecht Huwe - HTML preview

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Ein Korn Reis




Es war einmal in einem Dorf ein Bursche, der war ein rech¬ter Faulpelz. Aus Trägheit arbeitete er auch nicht. Statt des¬sen aber war er unbescheiden und besaß einen Eigensinn, gegen den niemand ankam.

Eines Tages sprach er zu seiner Mutter: »Ich will wie andere Burschen auch in die Hauptstadt ziehen, dort Geld verdie¬nen und dann zurückkommen. Gebt mir ein Korn Reis mit.«

Die Mutter machte große Augen: »Was sagst du da? Du willst Geld verdienen gehen? Und nur ein Korn Reis willst du mitnehmen?« Die Mutter hielt es zwar für törichtes Ge¬schwätz, weil er sich indessen nicht davon abbringen ließ, gab sie ihm ein Reiskorn.

Der faule Bursche steckte es ein und machte sich auf den Weg. Als es dunkelte, gelangte er in ein fremdes Dorf. Er ging in das Gasthaus und gab sein Reiskorn dem Wirt zur Aufbewahrung. Dabei sagte er: »Dieser Reis ist ein beson¬derer, drum tut ihn an einen sicheren Ort.« Darauf legte er sich schlafen.

Die Wirtsfrau lachte über diesen seltsamen Menschen und verwahrte das Körnchen.

Aber am nächsten Morgen war etwas Schlimmes geschehen. Ein Huhn des Wirts hatte das Reiskorn aufgepickt.

»Da das Huhn den Reis gefressen hat und er kostbarer als mein Leben ist, gehört der Vogel mir.« Der junge Mann beharrte auf dem Huhn und lehnte alles andere ab.

Der Wirt konnte sich von dem Huhn schwer trennen, doch weil sich der junge Mann nicht erweichen ließ, hatte er keine andere Wahl, als es ihm zu geben.

Mit dem Huhn unter dem Arm zog der Faulpelz weiter. Am Abend vertraute er es dem Gastwirt eines anderen Dorfes an. Tags drauf war es indessen von einem Hund totgebissen worden. Also nahm er statt des Huhnes den Hund mit sich und setzte seine Reise fort.

Nun war es nicht mehr weit bis zur Hauptstadt. Der Bursche hatte ein Dorf in deren Nähe erreicht und bat den dortigen Wirt, auf den Hund aufzupassen, damit er selbst draußen fri¬sche Luft schöpfen könne. Als er allerdings wieder eintrat, lag sein Hund tot da.

»He, Wirt! Was habt Ihr aus dem Hund gemacht, den ich in Eure Obhut gab? Wer hat ihn getötet?« fragte er ihn heraus-fordernd.

Ein Esel hatte den Hund erschlagen. Weil der Bursche trotz aller Bitten unnachgiebig blieb, mußte der Wirt ihm den Esel abtreten.

Auf dem Esel sitzend gelangte er in die Hauptstadt. Dort kehrte er in einer Herberge ein, um zu übernachten. »Ich will heute hier bleiben. Den Esel stellt bitte in den Pferde¬stall. Vergeßt aber nicht, ihn fest anzubinden.«

Man versprach es dem Burschen, der sich hierauf zur Ruhe begab. Während er aber in tiefem Schlaf lag, spießte eine Kuh den Esel mit ihren Hörnern auf. Weil es keinen Pferde¬stall gab, hatte man ihn nämlich bei den Kühen im Kuhstall untergebracht. Der Esel war mit ihnen in Streit geraten und hatte dabei den Tod gefunden.

Als der Bursche des Morgens aufwachte und dies entdeckte, forderte er vom Wirt dessen Kuh: »Ihr habt zu verantwor¬ten, daß mein wertvoller Esel von Eurer Kuh auf die Hörner genommen wurde! Wenn ich an den armen Esel denke, möchte ich Euch am liebsten einsperren lassen. Doch weil ich es nicht so weit kommen lassen will, müßt Ihr mir schon den toten Esel durch Eure Kuh ersetzen.«

Notgedrungen verzichtete der Wirt auf seine Kuh.

So war es dem Faulpelz gelungen, mit dem Körnchen Reis schließlich eine Kuh zu bekommen. Er verkaufte das Tier. Dann kehrte er zurück in das Dorf, in dem seine Mutter wohnte, und berichtete ihr seine Erlebnisse. Schon kurze Zeit später erzählte sich das ganze Dorf davon, und es kam sogar dem höchsten Beamten dort zu Ohren. Dieser fand den jungen Burschen sehr schlau und pfiffig und vertraute ihm ein hohes Amt an.

Der junge Faulpelz und seine Mutter lebten noch lange Jahre glücklich zusammen.