Märchen aus aller Welt: Korea by Tr. Albrecht Huwe - HTML preview

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Das bucklige Weib im Walde




Es war einmal in einem tiefen Tal ein Holzfäller, der hatte drei liebreizende Töchter. In seinem Haus herrschte große Armut, und er wußte morgens nicht, ob er abends etwas zu essen haben würde. Doch die Töchter halfen ihrem Vater tüchtig und gerne, so daß sie leben konnten.

Eines Tages band sich der Holzfäller das Gestell, mit dem man schwere Lasten trägt, auf den Rücken und stieg in den Bergwald hinauf, um Holz zu schlagen. »Aah«, stöhnte er, damit fertig, laut und verzweifelt, denn er grollte mit seinem Schicksal, trotz fleißigen Arbeitens sein Leben für immer so kärglich fristen zu müssen. Doch im gleichen Augenblick stand ein altes, weißhaariges Weib mit einem großen Buckel vor ihm. »Junger Mann, warum habt Ihr mich gerufen?« fragte es.

»Ich habe Euch nicht hierher gebeten, Großmütterchen.«

»Ihr seid mir der Rechte! Gerade eben sagtet Ihr >Aah!< und nanntet damit meinen Namen. Wie könnt Ihr also behaup¬ten, nicht nach mir gerufen zu haben?«

»Ach, so ist das. Ich seufzte nur einmal schwer - und es war Euer Name!«

»Seufzen? Was bedrückt Euch, junger Mann, daß Ihr klagt?«

»Ich habe drei Töchter. Immer müssen sie so schwer arbei¬ten, und es ist mir kein einziges Mal vergönnt, sie in Pracht und Herrlichkeit und ohne Sorgen leben zu lassen. Das ist der Grund.«

Das bucklige Weib hörte zu und erwiderte, indem sie mit dem Kopfe nickte: »So? Nun, ich wohne in der Hütte unter dem knorrigen Baum hier. Schickt mir morgen eine Eurer Töchter, und es soll ihr an nichts fehlen.«

Der Holzfäller erhielt von dem buckligen Weib viel Geld, und er brachte am nächsten Tag die älteste Tochter zu ihr. Das bucklige Weib begrüßte sie freundlich und gab ihr zum Mittag ein großes Stück Fleisch und hieß sie essen. Doch da die älteste Tochter eine unerklärliche Furcht vor dem buck¬ligen Weibe empfand, nahm sie keinen Bissen davon in den Mund, sondern warf das Fleisch auf das Dach. Hernach saß sie da und tat, als hätte sie alles aufgegessen.

Ein Weilchen später erschien das bucklige Weib wieder und wollte wissen, ob ihr das Fleisch gut geschmeckt habe. Zwar bejahte die älteste Tochter, doch war ihr dabei angst und bang ums Herz. Und alsbald kam das Stück Fleisch vom Dach herabgerollt und rief: »Großmütterchen, ich bin hier!« Als das bucklige Weib entdeckte, daß es belogen worden war, bestrafte es die älteste Tochter, die auf der Stelle in einen Stein verwandelt wurde. Darauf begab sich das bucklige Weib wieder zu der Stelle, wo der Holzfäller Holz hackte, bot ihm wie zuvor Geld und sagte, sie erwartete nun die zweite Tochter in ihrem Hause. Der Holzfäller woll¬te, daß seine Töchter glücklicher und sorgenfreier lebten als er und führte daher auch die zweite Tochter eilends zu dem buckligen Weibe. Aber ihr erging es nicht besser als der er¬sten. Die Lüge kam an den Tag, und sie erlitt die gleiche Strafe wie ihre Schwester.

Schließlich holte das alte Weib noch die Jüngste zu sich. Der Holzfäller war des festen Glaubens, seine Töchter führten in dem Hause des buckligen Weibes ein Wohlleben, da es ihn so reich mit Geld beschenkte.

Als die jüngste Tochter, die am klügsten war, bei der Hütte des buckligen Weibleins anlangte, schöpfte sie Verdacht, denn ihre älteren Schwestern zeigten sich gar nicht. Die Alte setzte auch ihr ein Stück Fleisch vor. Doch sie mochte es ebenso wenig und dachte eine Weile angestrengt nach. Dann legte sie es ins Feuer und ließ es verbrennen. An¬schließend versteckte sie die Reste zwischen ihrem Rock und Bauch.

Nach einer geraumen Weile kam das bucklige Weib zurück und fragte: »Nun, hast du das Fleisch aufgegessen?« Kaum hatte die kleinste Tochter >Ja< gesagt, als das bucklige Weib auch schon rief: »Fleisch, wo bist du?«

Dieses antwortete von dem Bauch des Mädchens aus. Da wollte die Alte es ebenfalls töten. »Aber Großmutter! Weil das Fleisch im Bauch drinnen ist, kann die Stimme doch nur vom Bauche her ertönen, oder nicht?«

Nun erst glaubte die Alte dem Mädchen, ohne weiter nach-zuprüfen. Sie machte es zu ihrer eigenen Tochter und ver¬traute ihm eine Flasche Arznei sowie einen Schlüssel an. Mit der Arznei konnte man Tote wieder lebendig machen, und der Schlüssel sperrte den Speicher auf. Sodann gab das bucklige Weib Geheimnisse von sich preis. In Wirklichkeit war es nämlich eine hundert Jahre alte Riesenschlange, die endgültig menschliche Gestalt annehmen würde, sobald sie noch einen einzigen Menschen getötet hätte. Auch teilte die unheimliche Alte mit, daß sie Weidenbaumblätter am mei¬sten fürchtete.

Nachdem das bucklige Weib wieder hinausgegangen war, beschaffte sich die jüngste Tochter Blätter eines Weiden-baumes und verbarg sie. Doch während das bucklige Weib in der Nacht schlief, berührte sie es damit, und sofort wand sich an seiner Stelle eine gewaltige Riesenschlange, die ver¬endete. Die jüngste Tochter ging darauf zum Speicher und zündete ein Licht an. Auf dem Boden lagen Steine, neun¬undneunzig an der Zahl. Jedesmal, wenn sie auf einem von ihnen etwas Arznei versprühte, wurde aus ihm ein Mensch zu neuem Leben erweckt. Es befand sich auch ein Königssohn darunter. Als dieser die jüngste Tochter sah, sprach er erfreut zu ihr: »Ihr seid meine Lebensretterin. Laßt uns hei¬raten und für alle Zeit glücklich miteinander leben.«

Also hielten sie Hochzeit. Sie nahmen die beiden älteren Schwestern und ihren Vater, den armen Holzfäller, zu sich und lebten, dank der Klugheit der jüngsten Schwester, viele, viele Jahre in Freuden zusammen.