Märchen aus aller Welt: Korea by Tr. Albrecht Huwe - HTML preview

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Der mutige Salzhändler




Es war einmal ein sehr armer Salzhändler.

Eines Tages verließ er wieder sein Haus, um Salz zu verkau¬fen. Er ging in dieses und jenes Dorf, wo er seine Ware feil¬bot. Wenn in einem Ort niemand mehr Salz brauchte, dann zog er in den nächsten, von diesem in den übernächsten und so immer weiter, bis der Tag sich neigte.

Gerade befand er sich auf einem einsamen Weg in den Ber¬gen, dem er schon lange gefolgt war, ohne in ein Dorf zu ge¬langen. Nur dichtbewaldete Berge türmten sich vor ihm.

Unversehens war es hier finster geworden. Erschöpft schleppte sich der Salzhändler dahin, und weil er totmüde war, wollte er nun keinen Schritt mehr tun. Am liebsten hätte er sich auf der Stelle ausgestreckt. Doch da erblickte er, nur eine kurze Strecke entfernt, einen mächtigen, hoch aufragenden Felsen. Bis dorthin zwang er sich.

Er setzte seine Lastentrage ab und legte sich am Fuße des Felsens zum Schlafen. Eben wollten ihm schon die Augen zufallen, als von irgendwoher ein unheimliches Geräusch zu ihm drang. Dem Salzhändler standen vor Furcht die Haare zu Berge. Was war das? Er war wie gelähmt, und der Atem wurde ihm abgepreßt.

Da erklang es wieder, dieses Mal noch deutlicher als vorhin. Es war ein wirklich markdurchdringender Laut. Was konnte das nur sein? Leise erhob sich der Salzhändler und schaute sich überall um. Nichts ließ sich entdecken. Er kehrte zurück und legte sich hin. Abermals ertönte das schreckliche Ge¬räusch, worauf der Salzhändler aufs neue aufstand, um nach dessen Ursache zu forschen. Da hätte er beinahe vor Schreck aufgeschrien. Saß nicht gerade auf dem Felsen, an dem er sich niedergelassen hatte, ein weißer Fuchs, der sei¬nen Schweif lang ausstreckte, und schliff einen Menschen¬schädel?

Noch größeres Entsetzen packte den Salzhändler. Schnell versteckte er sich hinter einem Baum und faßte den weißen Fuchs scharf ins Auge. Eifrig war dieser mit dem Schleifen beschäftigt. Es schien, als wolle er ein Gefäß daraus machen. Wenig später versuchte er, sich den Schädel auf den Kopf zu setzen. »Ei, warum will er nicht passen?« schimpfte er und schliff weiter. So tat er es einige Male. Schließlich rief er: »Ahh! Nun sitzt er. Genau richtig! Er paßt so gut. Wie vor-trefflich!« und war außer sich vor boshafter Freude. Mit dem Schädel auf dem Kopf schlug er einige Purzelbäume.

Dem Salzhändler lief es heiß und kalt über den Rücken, am ganzen Körper hatte er eine Gänsehaut bekommen, und das Herz wurde ihm zusammengeschnürt. Er rührte sich nicht vom Fleck, sondern starrte nur zum Felsen hinauf.

Plötzlich war der weiße Fuchs wie vom Erdboden ver¬schluckt und an seiner Stelle stand ein buckliges Weib. Mit den Händen strich es sich seine Haarsträhnen glatt und sag¬te: »Oh, jetzt muß ich fort. Die Leute haben wohl schon lange warten müssen.«

Die Alte stieg vom Felsen herab und ging den Weg talwärts, den der Salzhändler heraufgekommen war. Dieser vergaß seine Furcht und folgte ihr. An sein Salz dachte er schon längst nicht mehr. Er war nur davon durchdrungen, zu er¬kunden, was das alte Weib trieb. Es begab sich in das Dorf, in dem er am Tage Salz verkauft hatte. Er fragte sich, wen dieser verwandelte Fuchs wohl aufsuchen würde.

Bei dem reichsten Mann des Dorfes trat das Weib ein. »Endlich! Ich bin da«, rief es. Daraufhin öffneten sich Türen, und im Haus wurde es lebendig. Als die Bewohner frag¬ten, warum sie erst jetzt käme, machte die Alte Ausflüchte und setzte sich in das Zimmer.

Der Salzhändler, der bis zum Haus nachgeschlichen war, bat den Herrn für eine Nacht um Unterkunft. Dieser gewährte sie ihm und führte ihn in die Gesindestube.

Es war stockfinster geworden. Die Sterne des Großen Bären standen mitten am Himmel und leuchteten durchs Fenster. Von draußen waren die nächtlichen Rufe eines Kauzes zu hören.

Der Salzhändler hatte sich hingelegt und lauschte auf die Geräusche im Wohnzimmer. Dort hatte es eine Weile lang geraschelt. Dann erklangen die leisen Töne eines Gongs und das einförmige Lesen buddhistischer Gebete. Die Stimme gehörte zweifellos zu dem alten Weib.

Dem Salzhändler war unheimlich zumute. »Gerade von jenem Weib lassen sie sich die Gebete vortragen?« fragte er sich. In diesem Augenblick trat der Diener des Hauses ins Zim¬mer. Der Salzhändler erkundigte sich bei ihm, ob jemand krank wäre. Der Diener bejahte und erklärte seinem Zim-mergefährten, daß man für den Großvater, der sich sehr schlecht fühlte, die alte Frau gerufen hatte, weil sie in dieser Gegend am besten zu beten verstand. Darauf legte sich der Diener nieder und fing sogleich zu schnarchen an.

Alle Menschen hatten sich nun zur Ruhe begeben, und es war still geworden. Auch die Alte murmelte nur noch vor sich hin, so daß man nicht wußte, ob sie in leichten Schlaf ge¬fallen war oder ihre Gebete nur eintönig herunterleierte.

Vorsichtig verließ der Salzhändler die Gesindestube und stellte sich in die Diele. Nach wie vor vernahm er das Mur¬meln der Alten. Durch einen Türspalt spähte er in das Wohnzimmer. Alle lagen sie da, nur das alte Weib saß. Sie hielt den Stab für den Gong in der Hand, hatte die Augen geschlossen und redete leise. »Du Wurm, wenn du tot bist, so fresse ich dich. Stirb, stirb, stirb noch diese Stunde. Deine Seele ist mein. Stirb schnell, schnell...«

Der Salzhändler war bestürzt. Ihn dauerten die ahnungslo¬sen, schlafenden Menschen. Hier gab es keine Zeit zum Überlegen. Er eilte in den Schuppen, holte sich einen Knüp¬pel aus Jujubenholz und stürmte in das Zimmer. Erschrokken wachten die Schlafenden auf und starrten ihn entgeistert an. Doch der Salzhändler kümmerte sich nicht darum, son¬dern schwang den Knüppel und schlug auf die Alte ein. Ent¬setzt sprangen die Leute auf. Das alte Weib aber bellte wie ein Fuchs, ließ den Gong fallen und stürzte zu Boden. Da verschwand es spurlos, und vor ihnen stand ein weißer Fuchs, mit einem Schädel auf dem Kopf.

Alle Familienangehörigen waren aus ihren Zimmern zu-sammengelaufen. »Was ist geschehen?«

»Was hat es mit diesem Fuchs auf sich?« fragten sie.

Sie wußten indes keine Antwort und schauten sich nur achselzuckend an.

Da erzählte ihnen der Salzhändler, was sich bisher zugetra¬gen hatte. Sie staunten und lobten den mutigen jungen Mann.

Der kranke Großvater aber genas schon nach wenigen Ta¬gen. Der Salzhändler wurde von dem Herrn reichlich be¬lohnt. Er kehrte heim und lebte hinfort ohne Sorgen.