Märchen aus aller Welt: Korea by Tr. Albrecht Huwe - HTML preview

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Die drei Schätze




Vor Zeiten lebte in einem Dorf ein reicher Mann, der hatte drei Söhne. Er war sehr alt, und als er sein Ende nahen fühl¬te, rief er seine Söhne an sein Bett und sprach zu ihnen: »Ich bin zu schwach, drum werde ich wohl nicht mehr lange leben können. Wenn ich gestorben bin, teilt ihr das Vermögen in drei gleiche Teile. Unser Haus ist zwar das reichste im Dorf, geht ihr aber mit eurem Geld und Gut leichtsinnig um oder seid faul, so werdet ihr in kurzer Zeit arm sein. Ihr müßt eure Leidenschaften beherrschen, immer fleißig arbeiten und daran denken, so zu leben, wie man es von euch erwartet.«

Wenig später schied der Vater aus dieser Welt. Doch der äl-teste und der mittlere Sohn waren von Begierde besessen. Sie besprachen sich miteinander und teilten das große Erbe nur unter sich auf. Und indem sie dem Jüngsten nur sehr we¬nig von dem Gelde gaben, sagten sie zu ihm in ermahnen¬dem Tone: »Von nun an muß sich jeder mit eigener Kraft durchschlagen. Dein Anteil ist zwar klein, aber weil wir älte-ren Brüder bald heiraten müssen, brauchen wir das Geld doch, oder nicht? Da du noch jung bist, kannst du gut leben, wenn du nur fleißig arbeitest und sparsam bist.«

Die drei Brüder nahmen nun ihren Teil vom Besitze des Va-ters und lebten jeder für sich.

Der Jüngste war jetzt ein armer Wicht geworden. Doch regte er sich tüchtig, und wenn ein notleidender Mensch ihn um Hilfe bat, gab er immer von seinem Reis und Geld ab. Deswegen schwand beides dahin, und sein Dasein wurde allmählich immer bescheidener.

Im Gegensatz dazu wurden der Älteste und Mittlere von Tag zu Tag reicher; denn sie rafften als Menschen, die von Grund auf habsüchtig waren, alles an sich, und niemals ga¬ben sie jemandem auch nur ein Schüsselchen voll Reis. Sa¬hen die Leute im Dorf die drei Geschwister, so rügten alle die Unersättlichkeit der älteren Brüder. Doch diese dach¬ten, daß man über sie wegen ihres jüngeren Bruders schlecht redete. Darum riefen sie ihn und zankten ihn aus: »Da du das Erbe, das der Vater dir hinterließ, vergeudet hast, bist du ein armer Bettler geworden. Wir können vor Scham nicht leben, wenn du mit uns im gleichen Ort wohnst. Mach, daß du von hier auf der Stelle verschwindest!« herrschten sie ihn barsch an und vertrieben ihn aus dem Dorf.

Wider Willen nahm der Jüngste seinen Wanderstab in die Hand und ging von dannen. Während er ziellos umherzog und nach einem Platz zum Leben suchte, setzte er sich eines Tages an das Ufer eines kleinen Flusses, um auszuruhen. Da erschien ein greiser Mönch mit einer schweren Last auf dem Rücken und wollte den Fluß überqueren. Rasch erhob sich der jüngste Bruder und nahm dem Mönch die Bürde ab und dort, wo das Wasser am tiefsten war, trug er ihn selbst hukkepack hinüber. Doch weil der alte Mönch sehr erschöpft aussah, begleitete er ihn bis zum Tempel.

»Hab vielen Dank. Ich bin dir wirklich dankbar«, wieder¬holte der Greis, dort angekommen, mehrere Male. Der jün¬gere Bruder schaute sich im Tempel um und stellte fest, daß der hochbetagte Mönch allein hier wohnte; der Regen tropfte durchs Dach, auch Brennholz war keines mehr vor¬handen. Ihn dauerte der Mönch, und er fragte daher: »Ver¬ehrter Mönch, wie ist es Euch möglich, so tief in den Bergen einsam zu leben? Wie bewältigt Ihr in Eurem Alter nur all die Arbeiten, Reis kochen, Holz hacken, Wäsche waschen? Soll ich Euch dabei behilflich sein?«

»Hab vielen Dank. Ich bin dir wirklich dankbar«, antwor¬tete ihm der Mönch mit genau den gleichen Worten.

Von jenem Tag an sorgte der Jüngste für den alten Mönch. Er war sehr fleißig. Er bereitete das Essen zu, wusch die Wä¬sche, hackte Holz, auch putzte er, besserte Dach und Zäune aus und kehrte fein säuberlich die Wege, daß der greise Mönch Freude hatte, darauf spazieren zu gehen. Indem er auf solche Weise ununterbrochen tätig war, vergingen einige Monate. Da fiel ihm mit einem Male wieder seine Heimat ein. In seinem Dorf gab es viele liebenswerte Menschen, und auch seine beiden älteren Brüder lebten dort, die zwar Geizhälse waren, aber doch immerhin seine Geschwister. Er sehnte sich zurück in die Heimat, in der er zusammen mit seinem Vater gelebt hatte. >Ich bin auch selbst daran schuld, daß mich meine älteren Brüder vertrieben haben, denn ich habe schlecht hausgehalten und bin deswegen arm gewor¬den. Wenn ich noch eifriger bei der Arbeit bin, so daß die Leute im Dorf mit den älteren Brüdern nicht schimpfen können, wird wohl alles wieder gut<, dachte er bei sich.

Zu dieser Zeit rief ihn der greise Mönch zu sich. »Junger Bursche, du bist ein wirklich anständiger und arbeitsamer Mensch. Während du hier warst, hast du dich sehr geplagt. Nun gehe wieder in deine Heimat«, sprach er und gab ihm drei Gegenstände. Vielleicht, so schien es, kannte der greise Mönch bereits den Herzenswunsch des jüngeren Bruders. Die drei Gegenstände waren des Mönchs strohernes Sitzkis¬sen, die halbe Kürbisschale zum Wasserschöpfen und das Paar Eßstäbchen.

Der jüngere Bruder nahm die Sachen entgegen, verbeugte sich zum Abschied vor dem Mönch und trat aus dem Tem¬pel. Er lenkte seine Schritte zum heimatlichen Dorf und übers Wandern ging der Tag zur Neige. Weil er alleine auf weiter Flur war und kein Haus sah, legte er sein Strohkissen am Fuße eines Hügels hin und beschloß, die Nacht dort zu verbringen.

Wie erstaunte er allerdings, als er am nächsten Morgen in der Frühe aufwachte. Tags zuvor hatte er sich neben dem Weg am Hügel fröstelnd zusammengerollt und war einge¬schlafen - nun lag er unter einer seidenen Decke in einem geräumigen Zimmer eines großen Hauses über der wärm¬sten Stelle des geheizten Fußbodens. Er setzte sich auf und grübelte, verstand aber nicht, wie er hierher gekommen war. Doch dann entsann er sich der drei Geschenke, die er von dem greisen Mönch bekommen hatte. Das Sitzkissen aus Stroh befand sich unter der Matratze, die Kürbisschale und die Eßstäbchen lagen neben dem Kopfkissen.

>Ach, weil die Dinge vom Mönch stammen, werden sie nicht alltäglich sein<, dachte der jüngste Bruder. Dabei griff er nach der Kürbisschale, und während er sie von allen Seiten genau betrachtete, hielt er sie auch einmal schief. Doch, was war das?! Kam da nicht aus ihr ein Tisch heraus mit den köstlichsten Speisen und Getränken? Der jüngste Bruder hatte großen Hunger, weil er am gestrigen Tage von mor¬gens bis abends, ohne sich zu stärken, gewandert war, und so griff er tüchtig zu.

Nachdem er sich sattgegessen hatte, war er guter Dinge. Verträumt klopfte er mit den Eßstäbchen auf den Tisch. Alsbald geschah etwas noch Verwunderlicheres. Lautlos wurde die Zimmertür geöffnet, und anmutige, junge Frauen traten lächelnd ein. Ehrfurchtsvoll verbeugten sie sich vor dem jüngsten Bruder und sprachen: »So lange mußtet Ihr Euch mühen und Drangsal erleiden. Wir sind gekommen, um Euch zu trösten.« Sie sangen mit silberhellen Stimmen und tanzten so bezaubernd schön, daß es aussah, als schweb¬ten sie. Dann gossen sie duftend klares Wasser in ein glän¬zendes Messingbecken und wuschen ihm Gesicht, Hände und Füße.

Später erschienen noch einige Diener: »Herr, was immer Ihr uns auch befehlt, wir werden es zu Eurer Zufriedenheit aus-führen. Dieses Haus ist nur für kurze Zeit gebaut worden. Ruht einige Tage aus, dann wollen wir Vorbereitungen für Eure Heimreise treffen.« Rasch machten sich die Diener wieder an ihre Arbeiten im Haus, die sie nach den Anwei-sungen ihres Herrn geschickt und in Windeseile ausführten. Der jüngste Bruder war nun sehr reich. Aus dem strohernen Sitzkissen war ein Haus geworden, der Kürbisschale konnte er alles entnehmen, was er brauchte, und mit den Eßstäbchen ließen sich Diener und Dienerinnen herbeirufen.

Es vergingen einige Tage, die ihm wie ein Traum vorkamen. Dann wollte er aber weiterziehen, seiner Heimat entgegen. Kaum war in ihm nur der Wunsch aufgetaucht, als die Die¬ner auch schon die Sänfte vor das Tor stellten und alles für den großen Umzug herrichteten.

In der Sänfte sitzend gelangte der jüngste Bruder in sein Dorf. Ihm folgte eine große Schar Diener. Sie trieben Pferde und Ochsen an, die schwerbeladene Wagen zogen.

Auch dieses Mal errichtete ihm das Sitzkissen ein großes, prachtvolles Haus.

Alsbald suchten ihn seine beiden älteren Brüder auf und fragten neugierig: »Was hast du getan, daß du mit Glücksgü-tern so gesegnet bist?«

Also erzählte er ihnen, wie es ihm in der Zwischenzeit er-gangen war.

Nachdem die beiden dies vernommen hatten, gaben sie sich von jenem Tag an als gute, mitfühlende Menschen, verteil¬ten ihr gesamtes Vermögen unter das arme und bedauerns¬werte Volk und machten sich schließlich auf den Weg zu dem Tempel, in dem der greise Mönch wohnte. Aber die Tempelanlage war leer und verlassen. Sie warteten einige Tage, doch der Mönch kam nicht zurück. Draußen tobte ein Schneesturm, und in dem Tempel fand sich nichts zu essen. Die älteren Brüder kehrten um und erreichten nach einigen Tagen Fußmarsch ihre Heimat. Freilich waren sie nun bette-larm.

Ihr jüngster Bruder, der ja ein gutes Herz hatte, nahm sie zu sich und sorgte, daß es ihnen an nichts fehlte.