O Tschangsik :
IN DER DORFSCHENKE
Es war im zehnten Mondmonat[75]. Die Reisfelder waren abgeerntet, und nur noch gelbbraune Stoppeln ragten fußhoch aus der grünen, schlammigen Erde hervor. Die Ränder der Wälder zeigten ihr wundervolles herbstliches Kleid, das vom blendenden Weiß und hellen Gelb über Grün und Braun zum leuchtenden Rot und dunkelsten Schwarzblau in allen Farben leuchtete.
Einige dieser Märchen wurden in der koreanischen Tageszeitung >Tonga-ilpo< in den Jahren 1928 bis 1932 veröffentlicht.
Ein tiefblauer Himmel breitete sich über Berg und Tal und hüllte das ganze Land in ein festliches Gewand, von der untergehenden Sonne rosa beleuchtet.
Im Dorfe Kaddongi bei Suwon waren die Dächer mit frischem Reisstroh bedeckt und die Hofumfriedungen mit hohem Mais- und Hirsestroh ausgebessert worden. In fast allen Bauernhöfen lagen riesige Strohmatten ausgebreitet, auf denen das Getreide noch getrocknet und nachher durch Dreschen oder Treten der Maultiere und Esel enthülst wurde; kurz, alles verkündete die Fülle des Herbstes.
In der Mitte des Dorfes lag eine Tschumak, eine Weinschenke. Die Auswahl an Getränken freilich war nicht groß: außer dem halb gegorenen trüben Reiswein, Maggoli genannt, gab es gegorenen, trüben Täktschu und reinen Reiswein, den Yaktschu, und endlich den destillierten Reisbranntwein, den Södschu.
Während die ärmere Bevölkerung dem rohen und billigeren Maggoli den Vorzug gab, wurde bei festlichen Gelagen der Yaktschu gewählt, Schnaps dagegen nur in Ausnahmefällen und in kleinen Mengen genossen.
Nun lebte im Dorfe ein Munhyong, ein Gelehrter, der seine besondere Freude am Erzählen hatte. Wo er konnte, ließ er sich Sagen, Legenden und Märchen vortragen, schrieb diese dann zu Hause säuberlich auf eine Papierrolle und schmückte sie mit prächtigen Bildern.
War es Zufall oder Absicht — am Fünfzehnten des zehnten Mondmonats kam dieser Gelehrte, Meister Yu, ausnahmsweise auch in die Dorfschenke von Kaddongi und fand hier eine Reihe von Bauern bei einer Schale Maggoli in eifrigem Gespräch versammelt. Einer der Anwesenden hatte eben eine spannende Geschichte erzählt und lauten Beifall geerntet. Meister Yu war aufmerksam geworden, trat in den Kreis der Zuhörer und versprach, demjenigen eine Schüssel Reis und eine Schale Yaktschu zu stiften, der gleichfalls ein schönes Märchen zum besten geben würde. Es meldete sich wie auf Kommando die ganze Runde, und als Meister Yu erstaunt fragte, wieviele Munde es seien, ergab sich gerade die Zahl sechs.
Der neue Gast bestellte sogleich sechs Tischlein mit Reis und ebensoviele Schalen Reiswein. Während der Wein sofort gebracht wurde, mußte der Reis erst gewaschen und zubereitet werden, was immerhin einige Zeit beanspruchte. Inzwischen begann der erste seine Erzählung: