Kwon Kerang :
DER DORFSCHULMEISTER
Wie in alten Zeiten lernten Knaben und Mädchen entweder zu Hause Lesen und Schreiben oder sie besuchten das Kulbang, die Dorfschule. Irgendein wohlhabender Bauer hatte in seinem Hause ein größeres Zimmer abgetreten, in dem sich etwa zehn bis zwanzig Schüler um einen Schulmeister, einen meist verarmten Gelehrten[113], hockten und dort zuerst in ihrem Sandkästchen, später auf großen Bogen Papier ihre noch ungelenken Schreibübungen machten. Da Korea seit alters eine Doppelsprache besitzt und jedem koreanischen Wort (tschoson mal) ein chinesisches Wort (mundscha) entspricht, lernen die Knaben gleichzeitig beide Ausdrücke und hierzu das chinesische Schriftzeichen (hanmun). Sie wiederholen das Gehörte hundertemale laut, und jeder schreit dabei, so daß man schon von weitem weiß, wo sich ein solches Kulbang befindet. Als Entgelt bringen die Kinder dem Lehrer Lebensmittel, wie Reis, Hirse, Eier und Öl, so daß der Dorfschulmeister ärmlich, aber ohne Sorgen leben kann. Ist jedoch das Dorf klein und die Schülerzahl gering, so muß auch der Lehrer mit dem Leben kämpfen und nebenbei irgendeine andere Arbeit verrichten.
Nahe bei dem Städtchen Ansong liegt das Dorf Tsch’irwoni. Lehrer Pak sonsäng hatte sich in früheren Jahren beim Holzmachen seinen Fuß verletzt und konnte die wenigen Madschigi (Morgen) Reisfelder nicht mehr selbst bebauen. Er übernahm es daher, zumal er sich seit seiner Jugend gern mit den Klassikern beschäftigt hatte und nichts Höheres kannte als Lesen, Dichten und Philosophieren, die Knaben des Dorfes zu unterrichten. Die Väter dieser Kinder verpflichteten sich ihrerseits, seine Felder anzubauen. So war ein schönes friedliches Einvernehmen zwischen Eltern und Lehrer gegeben.
Auch die Kinder liebten und ehrten ihren Sonsängnim, zumal er es verstand, den Unterricht ab und zu durch schöne, lehrreiche Geschichten zu beleben. Bald waren es die grausigen Geschichten und Heldentaten von Kwanun-dschang, dem berühmten chinesischen General zur Zeit der drei Reiche, der später als Kwandsche (Kriegsgott) verehrt wurde, bald die Erzählungen der O-ryun-hängsil[114]; diesmal hatte Pak sonsäng den Schülern versprochen, wenn sie fleißig wären, ihnen tschumsäng iyägi[115], wie es die Kinder nannten, zu erzählen. Der Lehrer nannte diese Erzählungen »utam«. Ihm war der chinesische Ausdruck vornehmer als die einheimische Sprachform.
Stundenlang hatten die Schüler gelernt, und der gestrenge Dorfschulmeister war wirklich zufrieden. So wollte er sie belohnen, gebot ihnen, aufmerksam zuzuhören, und begann die Fabel