Hoch im Gebirge Hoawolsan[123] lebte einst ein weißer Rehbock namens Tschang. Eines Tages veranstaltete er ein Festmahl und lud alle Tiere dazu ein; nur vor dem Tiger, seinem Todfeinde, fürchtete er sich und lud ihn nicht. Wer aber sollte an dessen Stelle den Vorsitz führen und den Ehrenplatz einnehmen?
Die Geladenen berieten hin und her, endlich kamen sie dahin überein, ihn dem »Ältesten« zu geben. Da flog der Rabe auf und krächzte laut sein »ko—ko—!« — ko aber heißt, wie ihr wißt, zugleich »alt«.
Schon wollte man ihm den Vorsitz geben, als die Kröte vorhüpfte und dabei schrie: »mäng-kong, mäng-kong«. Nun, ihr wißt, daß mäng der Name des berühmten chinesischen Philosophen Mängdscha[124] und Kong der Name Kongdscha’s[125] ist, und daß beide Namen zusammengefügt werden zu kong-mäng-dscha oder auch mäng-kong-dscha. So alt wie diese beiden Männer, also weit über zweitausend Jahre, war aber keines der übrigen Tiere. Niemand wagte es daher, an dem hohen Alter der Kröte zu zweifeln, und sie erhielt den Vorsitz.
Während des Schmauses kam nun der Tiger, unwillig, weil er nicht eingeladen worden war, in das Berggefilde und begann laut zu brüllen.
Die ganze Tischgesellschaft erschrak heftig und wurde unruhig. Da sprach der Rehbock zum Fuchs: »Du bist der Vernünftigste und Schlaueste! Gehe doch du hinaus zum Tiger und bringe ihm bei, er solle es nicht übelnehmen, wenn wir ihn nicht geladen haben, und möge uns nicht weiter stören!«
Der Fuchs suchte wirklich den Tiger auf, warf sich ehrfurchtsvoll vor ihm auf die Erde nieder und grüßte mit ausgesuchten Worten.
Unwillig fragte der Tiger: »Warum habt ihr mich nicht auch geladen? Ich werde mich rächen!«
Der Fuchs aber antwortete schlau: »Wir essen heute kein Fleisch, nur Wurzeln und Kräuter, und trinken einfaches Wasser. — Übrigens bist du ja der König der Berge, wie sollten wir, deine Diener, es wagen dürfen, dich einzuladen?«
Durch diese Rede fühlte sich der Tiger sehr geschmeichelt und geehrt und zog sich befriedigt zurück.
Hocherfreut über den Erfolg seiner List, kehrte nun der Fuchs zum Versammlungsplatz zurück, fand aber niemand. Alle Tiere hatten sich versteckt und kamen nur langsam wieder hervor. Besonders lange brauchte man, um die Kröte zu finden. Sie hatte sich in den Sand eingegraben und wurde deshalb von allen ausgelacht. Der Fuchs aber bekam wegen seiner Schlauheit den Vorsitz, und das Festmahl wurde fortgesetzt.
Kaum hatte Meister Pak seine Erzählung beendet, so rief der kleine Miroki sofort sein »ko-, ko-«, und ein gleichaltriger Kamerad versuchte, das »mängkong, mängkong«, das Quaken der Frösche und Kröten, nachzuahmen.
Der Lehrer ließ sie eine Weile gewähren, dann fragte er den Mirok: »Nun, Kleiner, welche Lehre ziehst du aus der Erzählung?«
Miroki dachte lange nach und war nahe daran zu weinen, als er endlich zaghaft hervorbrachte: »Wer am lautesten schreit, ist oft der Furchtsamste!« »Olt’a, recht so!« stimmte der Lehrer bei und reichte ihm eine Kami-(Kaki-)Frucht. Dann erzählte er weiter: