Beim Dorfe Paridong lag eine alte, zerfallene Hütte. Aller Unrat war dort aufgehäuft und es wimmelte von Fliegen und Mücken. Eines Tages — es war furchtbar heiß und der Wind trieb dichte Staubwolken vor sich her — trat ein großer Bär in die Hütte und blickte umher, ob er nicht ein windgeschütztes Plätzchen zum Ausruhen finden könnte. Wirklich fand er in einer Ecke einen geeigneten Ort, und bald lag er ausgestreckt da und schnarchte, daß die Wände erzitterten und die Fetzen der Papierfenster surrten.
Nun hatten aber die Fliegen innerhalb der Hütte unter sich den Vertrag geschlossen, jeden frechen Eindringling solange zu quälen, bis er den Platz wieder verlassen würde. Jede Fliege hatte sich dazu durch Siegel eidlich verpflichtet und der Vertrag war bei der Fliegenkönigin hinterlegt.
Kaum hatte sich also der Bär hingelegt und zu schnarchen angefangen, so versammelte die Königin die Fliegenältesten und erfahrensten Volksführer und beriet mit ihnen, wie sie dem Bären richtig zusetzen könnten. Zuerst war große Stille, keiner wußte Rat. Schließlich trat aber doch eine schnurrige Fliege vor und sagte: »Erhabene Königin! Erlaube, daß ich einen Plan vorlege!«
Die Fliegenkönigin war selbst recht gedankenarm, darum sagte sie, im Herzen froh, eine Lösung zu hören, befehlend: »Sprich!«
Die schnurrige Fliege putzte sich zuerst, hustete dann und begann: »Wir können nur dann mit Erfolg den Bären bekämpfen, wenn wir uns in die Arbeit teilen. Ich schlage demütig vor: wir bilden Kompanien und jeder Abteilung wird ihre Arbeit angewiesen. Die einen setzen sich abwechselnd auf die Augenlider, die andern aufs Maul, wieder andere auf die Fußsohlen und so fort.«
Die alte Fliege schwieg, blickte umher und drehte ihren Schnurrbart. Ein Beifallsräuspern ging durch die Versammlung. Der Plan gefiel der Königin und allen Volksältesten, wurde einstimmig angenommen und sogleich wurden zehn Kompanien gebildet. Dann gab die Königin den Befehl zum Angriff. Zuerst setzten sich einzelne Fliegen auf die Nase, andere in die Ohren oder in die festgeschlossenen Augen des Feindes. Der Bär verscheuchte alle im Schlaf, so gut er konnte. Manches Opfer fiel, aber es traten Ersatzmannschaften ein, und während der Bär mit seinen Pfoten herumschlug, setzten sich neue Fliegen an den kitzligen Rand der Fußsohlen. Ärgerlich erwachte der Bär, richtete sich auf, verwünschte die unheimliche Bude und langte mit seinen Tatzen zur Decke, die ganz schwarz von Fliegenregimentern war. Als er aber fest an dem morschen Gestell rüttelte, fiel ihm so viel Erde ins Gesicht, daß er eilig losließ. Schon war er nahe daran, das Schlachtfeld zu räumen, da kam ihm unerwartet Hilfe.
Der Bär hatte vor einiger Zeit eine große Höhle im Gebirge Unbongsan bewohnt. Dort hatte sich unmittelbar am Eingang eine große Spinne häuslich niedergelassen und ihren Schirm aufgespannt. Der Bär hatte das wohl gesehen; es wäre ihm ein leichtes gewesen, mit einem Streich das zarte Gewebe zu zerstören; aber er war, offen gestanden, zu faul, wegen so einer Kleinigkeit die Tatzen zu heben, und so bückte er sich lieber und trat behutsam in die Höhle ein. Die Spinne aber legte diesen Akt als Großmut aus und gelobte in ihrem Innern, die Liebestat des Bären nach Möglichkeit zu vergelten.
Es war gerade an dem Tage, an dem der Bär in das zerfallene Haus eingetreten war. Die Spinne hatte beschlossen, einmal dem, wie sie glaubte, so tugendhaften Bären auf seinen Wanderungen zu folgen und seine Tugenden zu beobachten. Sie folgte also von weitem seinen Spuren und gelangte so auch in die oben erwähnte Hütte. Schon von weitem hatte sie das laute Schnarchen des Bären gehört, und als sie eintrat, sah sie eben, wie er zornerfüllt an der Decke des Hauses rüttelte. Die Fliegen waren in Aufruhr, denn sie waren aus ihrer Ruhe aufgescheucht worden und flogen nunmehr laut summend durch den Raum.
Die Spinne begriff sofort die Lage, in der sich ihr Freund, der Bär, befand; sie war froh, ihm einen Dienst erweisen zu können. Und als sie weiter an die fette Beute dachte, die sie hier machen würde, war ihr Plan fertig und sie ging eilig an die Arbeit. Im Nu waren enge lange Fäden gezogen, das Gerüst zu einem weiten Netze war fertig. Je enger die Maschen gezogen wurden, um so mehr Fliegen blieben an den leimigen Fäden hängen und der Bär bekam allmählich Ruhe. Als er gar erkannte, daß er die Befreiung von der Fliegenplage der Spinne von ehedem zu verdanken habe, wurde er selbst tief gerührt von der Liebenswürdigkeit und der Großmut der Spinne und schloß mit ihr dauernde Freundschaft.
Die Kinder hatten ihre helle Freude an der tiefsinnigen Fabel, klatschten in die Hände und schlugen auf die Knie, dann bettelten sie, der Lehrer möge morgen fortfahren, ihnen so anregende Fabeln zu erzählen. »Ja, wenn ihr fleißig seid!« versprach der Dorfschulmeister.
Zum Abschluß der Schulstunden, die sich heute länger als gewöhnlich ausgedehnt hatten, ließ Pak sonsäng noch das schöne Frühlingslied[130] singen.