Einst lebte in der Provinz ein Mann in einem Bauernhofe als Knecht; der Herr aber war ein Literat, der in einem fort studierte. Es war im Mai oder Juni an einem bereits sehr heißen Tage. Die Sonne brannte so stark herab, daß dem Knechte der Schweiß von Stirne und Rücken herabfloß. Da dachte der Knecht inmitten der schweren Arbeit: ,Unser Herr liebt es, achtfüßige Verse zu dichten. Er arbeitet während der heißen Zeit nicht, sondern sitzt ruhig im kühlen Herrenzimmer und studiert nur in den klassischen Schriften. Wann werde auch ich einmal diese harte Arbeit abschütteln und gleich ihm im Herrenzimmer sitzen und studieren können?‘
Dem Gelehrten wurde dies berichtet, und eines Tages rief er den Knecht zu sich und sprach zu ihm: »Ich habe gehört, daß auch du gerne studieren willst. Dein Wunsch soll erfüllt werden. Höre heute mit deiner Arbeit auf und versuche es!«
Nun ist es doch üblich, daß die Literaten, auch wenn sie allein sind, als Zeichen ihrer Würde die Gelehrtenkleidung tragen. Darum ließ auch jener Literat den Knecht die Strümpfe anziehen, das Stirnband und das Gelehrtengewand anlegen und den Hut aufsetzen, »denn«, sprach er, »um in die rechte Stimmung zu kommen, muß auch Gewand und Umgebung zusammenpassen.« Er hieß sodann den Knecht sich mit untergeschlagenen Beinen auf die Matte setzen und lehrte ihn das »Große Studium« (T’ai Hio) von Kungfutse[143]. Der Gelehrte sprach vor »Tähak tschi tonün ...« und ließ es den Knecht solange wiederholen, bis dieser einen Satz auswendig wußte.
Es war noch nicht zwölf Uhr mittags, da konnte es der Knecht nicht mehr aushalten. Er schwitzte am ganzen Körper, sein Verstand war wirr und alles funkelte ihm vor den Augen. Da sprach er ganz erschöpft: »Herr, hören Sie mich an! Ich will lieber den Acker pflügen, aber studieren kann ich doch nicht!«
Der Herr aber antwortete stillvergnügt: »Warum denn nicht?«
Nun antwortete der Knecht: »Sehen Sie, ich habe die Strümpfe angezogen und mir schmerzen die Füße; ich habe das Stirnband umgelegt und bekomme Kopfweh; ich habe den Gelehrtenrock angelegt und bin ganz wirr; ich studiere das ‚Große Studium‘ und verliere dabei den Verstand! Ich kann es fürwahr nicht mehr aushalten, Angstschweiß rinnt mir von der Stirne und vom Rücken. Darf ich wieder zum Pflügen des Reisfeldes gehen?«
»Ja, tue so!« ermunterte ihn der Hausherr und ließ ihn das Gewand ausziehen.
Kaum war der Knecht wieder auf dem Reisfeld, so trieb er seinen Zugstier an mit den Worten: »Vorwärts, dummes Vieh! Ich lasse dir sonst Strümpfe anziehen, ein Stirnband umbinden, ein Gelehrtengewand anlegen und du mußt dich mit unterschlagenen Beinen hinsetzen! Vorwärts, dummes Vieh! Soll ich dich etwa das ,Große Studium‘ lehren?«
Von dieser Zeit an war der Knecht für immer von seinem Neid geheilt und nicht mehr unzufrieden. Jedermann muß eben die Arbeit verrichten, die ihm vom Schicksal zugewiesen ist und die er gelernt hat.
»In dieser Erzählung liegt viel Wahrheit!« bestätigte Herr Pak. »Hat nicht das Sprichwort recht: ‚Jeder bleibe bei der Arbeit, die ihm die Sterne bestimmt haben‘?« Sodann räusperte er sich und begann