DIE ERZÄHLUNG VOM STOCKGELEHRTEN
Ein Gelehrter liebte nur das Studium und war vollständig unwissend in bezug auf Speise und Kleidung. Tag und Nacht machte er Stilübungen, saß im Zimmer und kümmerte sich nicht um die Vorgänge in der Welt. Seine Frau erwarb durch Dienstleistungen, durch Mehlstampfen, Nähen und Waschen bei fremden Leuten ein wenig Getreide. So lebte sie ganz in Verehrung und Hingabe für ihren Mann.
Eines Tages hatte sie wieder Mehl gestampft und dafür einige Scheffel Gerste bekommen. Sie kam damit nach Hause, breitete sie zum Trocknen auf einer Getreidematte aus und bat ihren Gemahl, darauf aufzupassen, indem sie sprach: »Ich gehe heute wieder zum Mehlmahlen zu fremden Leuten, passen Sie darum auf das Getreide auf, verscheuchen Sie die Vögel von der Matte, und wenn zufällig ein Platzregen kommen sollte, so legen Sie die Matte zusammen und bringen Sie sie ins Haus!«
Mit diesen Worten ging die Frau fort. Wirklich erhob sich bald darauf ein starker Wind; Blitz und Donner wechselten ab und ein gewaltiger Regen stürzte wie ein Wasserfall vom Himmel herab.
Die Frau mußte weit gehen und war kaum im Arbeitshause angelangt, als der Regen herabprasselte. ,Ich habe in der Frühe, als ich ging, meinen Herrn gebeten, er möge die Getreidematte zusammenlegen und ins Haus bringen. Wie mag es wohl gegangen sein?‘ dachte sie bei sich und hatte Sorgen. Als darum der Regen etwas nachgelassen hatte, machte sie sich wieder auf den Heimweg. Zu Hause angekommen, war sie sprachlos vor Bestürzung und brachte keine einzige Silbe hervor, denn vom Getreide, das sie mühsam erarbeitet hatte, war keine Spur mehr vorhanden.
Nachdem die Frau eine Weile gewartet hatte, trat sie ins Zimmer zu ihrem Gemahl und sprach ruhig: »Schauen Sie, studieren ist ganz recht, aber wenn man in dieser Weise, so ohne jede Kenntnis der Arbeiten, in der Welt ist, wie sollen wir da zusammen leben? Haben Sie denn alles, was ich heute morgen gesagt habe, vergessen?«
Nun antwortete der Jünger der Wissenschaft: »Ja, es heißt in den Schriften: ,Einer, der studiert, muß mit jedem Sonnenstrahl geizen’. Ich hätte im Studium Schaden erlitten, wenn ich die Matte zusammengeschoben und fortgetragen hätte, und deswegen habe ich es nicht getan.«
Da entgegnete die Frau, die gleichfalls in den Schriften bewandert war: »Aber heißt es nicht im Non-o[144]: ,Wer sich zu den leitenden Kreisen rechnen will, darf nicht aus eigener Bequemlichkeit hinter dem Ofen sitzen bleiben wollen, er muß ins Leben hinein, wenn er seinen Namen verdienen will‘?«
Der Gelehrte aber antwortete: »Und heißt es nicht weiter[145]: ,Die Würdigsten ziehen sich von der Welt zurück‘?« Und so studierte er weiter, die Frau aber, seine Gemahlin, liebte mit zufriedenem Herzen ihren Gatten in gleicher Weise weiter — und darum sagt man, so eine herzensgute Frau gibt es auf der weiten Welt kaum eine zweite.
Als Herr Pak seine Erzählung beendet hatte, schwieg der Kamerad eine Zeitlang still; man konnte sehen, daß er sich innerlich mit einem Problem beschäftigte. »Ich liebe auch die klassischen Schriften«, fuhr er nach einer Weile laut zu denken fort, »aber ich kann nicht verstehen, wie sich ein Mann so von allem absondert, daß er die einfachsten Lebensnotwendigkeiten außer acht läßt. Vor der Frau aber habe ich alle Achtung, denn sie opfert sich in Liebe für ihren Mann auf. Mir fällt gerade eine andere Geschichte ein, die von einem sonderbaren Benehmen eines Beamten handelt. Willst du sie noch hören?«
»Aber natürlich, mein älterer Bruder! Aus jeder Erzählung kann man Nutzen ziehen, und ich finde, daß tatsächlich in jeder unserer Erzählungen ein tieferer Sinn verborgen liegt.«
Herr Kim begann also seine